Erhöhte Blutkrebs-Erkrankungsraten im Rotenburger Gasland weitverbreitet

Karte Neuerkrankungen hämatologische Malignome in und um Rotenburg an der Wümme; Quelle EKN 2015
Unerwartet hohe Anzahl an Blutkrebs-Neuerkrankungen im Rotenburger Gasland
In fast allen Gemeinden um den Krebscluster von Bothel herum sind auffällige Häufungen von Krebs-Neuerkrankungen zu beobachten. Im Stadtgebiet von Rotenburg an der Wümme lebende Männer erkranken sogar signifikant häufiger als erwartet an hämatologischen Krebsformen. Das ist das Ergebnis der epidemiologischen Untersuchung, die jetzt vorliegt. Die Untersuchung schloss sich an die Befunde zur Samtgemeinde Bothel vom September 2014 an und bestätigt, dass in dieser Region etwas existiert (oder existiert hat), das vor allem ältere Männer an Blutkrebs erkranken ließ. Die Vermutung, dass es die Erdgasförderung, vielleicht auch das Fracking ist, erhärtet sich damit, weil hier viele Bohrungen niedergebracht und zahlreiche davon teils mehrfach gefrackt wurden. Kritiker der Erdgasförderung mit der Fracking-Methode fordern von Regierung und Bundestag, vernünftig zu handeln, Fracking zu verbieten und das »Fracking-Gesetz« auf keinen Fall wie geplant am 3. Juli zu verabschieden. Zunächst müsse ergründet werden, warum so viele Krebsfälle in Rotenburg und umzu auftreten.

Die Häufigkeit von Krebsneuerkrankungen in den Nachbargemeinden der Samtgemeinde Bothel wurde auf Basis einer Anfrage vom 12.03.2015 untersucht, die vom Landkreis Rotenburg in Abstimmung mit den Landkreisen Verden und Heidekreis gestellt wurde. Weil die Botheler Studie eine signifikante Erhöhung der Krebsneuerkrankungen des lymphatischen, blutbildenden und verwandten Gewebes (ICD-10 C81-C96) bei Männern gefunden hatte, sollten jetzt genau diese für die Diagnosejahre 2003 bis 2012 im größeren Umkreis der Samtgemeinde Bothel betrachtet werden.

Aus methodischen Gründen wurden die sieben Nachbargemeinden in Region A (Sottrum, Langwedel, Kirchlinteln), Region B (Stadt Rotenburg) und Region C (Scheeßel, Visselhövede, Neuenkirchen) zusammengefasst. Im Ergebnis zeigte sich, dass, wie schon in der SG Bothel, auch im Bereich der Stadt Rotenburg erhöhte Blutkrebs-Inzidenzen zu beklagen sind. In der südwestlich gelegenen Region A gibt es ebenfalls eine deutliche Erhöhung der Neuerkrankungen, wenngleich diese rein rechnerisch das Signifikanzniveau knapp verfehlte, ab dem nicht mehr von Zufall gesprochen werden kann. Für Anhänger der Theorie, dass die Krankheit dieser Männer mit der Gasförderung zusammenhängen könnte, erstaunlich ist das statische Ergebnis bezüglich der Region C, in der ebenfalls sehr viele Erdgasbohrungen (zahlreiche davon gefrackt) liegen: Hier fanden die Statistiker des EKN keine auffällige Erhöhung der untersuchten Krebsarten.

»Dieses Ergebnis war zu befürchten«, sagte Rotenburgs Bürgermeister Andreas Weber laut Rotenburger Kreiszeitung. Bereits im Januar hatte er zusammen mit 12 Amtskollegen aus ebenfalls von der Gasförderung betroffenen Gemeinden ein ausnahmsloses Fracking-Verbot in jeglichen Lagerstätten und ein Verbot der Verklappung der flüssigen Abfälle aus der Erdgasproduktion im Untergrund gefordert.

Lars Klingbeil (MdB, SPD) erklärte laut Böhme-Zeitung vom 22.6.15, er habe Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe nun zum zweiten Mal »den Vorschlag gemacht, die Untersuchungen in Erdgasförderregionen – parallel zu den weiteren Befragungen vor Ort – bundesweit auszuweiten. »Nach den Ergebnissen aus Bothel hatte er dies noch als verfrüht abgelehnt. Wir sollten hier jetzt aber keine Zeit mehr verlieren«, so Klingbeil laut der Zeitung.

Elke Twesten (MdL, Grüne), hält laut der Zeitung »ein Fracking-Moratorium für die gesamte Region Rotenburg, Verden und den Heidekreis« für die einzig sinnvolle Konsequenz des neuen Befundes. »Mit Blick auf die aktuell anstehende Fracking-Gesetzgebung Anfang Juli kann und darf der jetzige Gesetzentwurf den Bundestag auf gar keinen Fall passieren«, so die Politikerin laut Böhme Zeitung.

Bereits im Oktober letzten Jahres, unmittelbar nach der Veröffentlichung der bedrückenden Ergebnisse zu den Botheler Krebszahlen, hatten Hubertus Zdebel und Herbert Behrens (beide Mdb Die Linke.) die Bundesregierung befragt, ob dieser Befund Handlungen und vor allem einen Stopp im Gesetzgebungsprozess des Fracking-Rechtsänderungspaketes nach sich zöge. Die parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke hatte daraufhin auf den »ausreichenden Handlungsspielraum des geltenden Bundesrechts« hingewiesen, das »Gefahren eines Bergbaubetriebes für Beschäftigte und Dritte« ausschließe. Solange kein Zusammenhang zwischen den Krebserkrankungen und der Gasförderung bewiesen sei, sei die Bundesregierung auch nicht veranlasst, einen solchen Zusammenhang zu sehen und entsprechend zu handeln.

2 Gedanken zu „Erhöhte Blutkrebs-Erkrankungsraten im Rotenburger Gasland weitverbreitet“

  1. Btr. Werte der Nachbargemeinden: In der SAMTGEMEINDE Bothel erkrankten fast doppelt so viele Männer an Blutkrebs wie statistisch zu erwarten wären – die Zahl der Neuerkrankungen (41) ist um 92 Prozent zu hoch. Rotenburg bildet mit 31 Prozent den zweithöchsten Wert, Sottrum den dritthöchsten mit rund 24 Prozent. Auch in den Gebieten Kirchlinteln, Scheeßel und Visselhövede gibt es Erhöhungen von maximal zehn Prozent.
    Für Neuenkirchen gibt die Studie an, dass es aus statistischen Gründen mit dem gesamte Gebiet Schneverdingen zusammengefasst wurde.

    Die SAMTGEMEINDE Bothel hat einen eigenartigen Zuschnitt und ist nicht mit der Gemeinde Bothel zu verwechseln (!) Es gibt dort die Orte Söhlingen und Hemslingen mit einer hohen Dichte an Gasbohrungen und Regionen ganz ohne Anlagen (Gemeinde Kirchwalsede). Auf dem Gebiet „Visselhövede“ gibt es fast gar keine produzierenden Anlagen aber zwei Versenkbohrungen.

    Die Aufschlüsselung nach GEMEINDEN wird zur Auswertung besonders wichtig. Vermutlich gibt es in der SAMTGEMEINDE Bothel gravierende Unterschiede – vom unbelasteten Kirchwalsede zum Cluster „Söhlingen“. leider liegen diese Zahlen (noch) nicht vor.

    Da die Landkreis-Behörden vor allem bemüht sind, Zusammenhänge nicht zu fokussieren, bzw. als „Spekulation“ zu interpretieren, wird es unsere Aufgabe, diese zu suchen.

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