Geschichte der Korbacher Resolution [Update]

aF-Initiativen in Korbach, Mai 2013
Mitglieder von 25 anti-Fracking-Initiativen in Deutschland erarbeiteten in Korbach/Hessen die Korbacher Resolution (Bildquelle: BI Lebenswertes Korbach)
26.4.15 – Die »Korbacher Resolution« vereint in fünf knappen, klaren Sätzen die Kernforderungen der internationalen Bewegung gegen die Förderung von Öl und Gas mit Hilfe von hydraulischem Aufbrechen der Lagerstätten, kurz: »Fracking«. Formuliert und beschlossen wurde die Resolution am 5. Mai 2013 in der hessischen Hansestadt Korbach. Seither vergrößert sich der Kreis derer, die die Resolution mittragen, stetig; die Korbacher Resolution hat längst internationale Bedeutung erlangt.

Andy Gheorghiu, einer der Initiatoren der »Korbacher Resolution«, zeichnet ihre Geschichte in einem Kapitel in dem neu erschienenen Sammelband »Resistencia global al Fracking – El despertar ciudadano ante las crisis climática y democrática« nach. Das Buch, das die spanisch-sprachige Weltbevölkerung über den Kampf gegen Fracking und seine verheerenden klimatischen und die Demokratie zersetzenden Folgen informiert, ist bereits online und voraussichtlich ab Mai gedruckt erhältlich. Unter »Weiterlesen« folgt die Übersetzung des Kapitels über die »Korbacher Resolution« ins Deutsche.

Die Korbacher Resolution

Aus dem Regionalen zum Internationalen
Von Andy Gheorghiu

Am 4. und 5. Mai 2013 trafen sich 25 deutsche anti-Fracking-Initiativen und Vertreter von Food & Water Watch im nordhessischen Korbach, um ihre Vernetzung zu stärken und ihre Erfahrungen auszutauschen.

Eins der wesentlichen Ergebnisse dieses Strategietreffens war die Korbacher Resolution. Durch ihre allgemein anerkannten Kernforderungen unterstützte sie den Aufbau eines dichteren und stärkeren anti-Fracking-Netzwerks auf nationaler und internationaler Ebene.

Bereits im Vorfeld des Treffens gab es eine Debatte über die Form und den Inhalt der Resolution. Einige Mitglieder der deutschen anti-Fracking-Bewegung zogen es vor, einen längeren, eher ideologisch geprägten Text mit sozio-ökologischen Elementen zu entwerfen. Währenddessen plädierten andere Mitglieder für einen kurzen Text und klare Forderungen, die leichter von den Medien aufgegriffen, eher von weiteren Organisationen angenommen und schlussendlich von politischen Entscheidungsträgern umgesetzt werden könnten.

Vor diesem Hintergrund war der Druck vor dem Treffen hoch und es herrschte eine angespannte Atmosphäre. Alle waren sich darüber klar, dass das Ziel des Treffens der Beschluss einer Resolution sein musste, und jeder war gespannt auf das Ergebnis. Da wir uns dieser Spannungen bewusst waren und wir uns den Raum geben wollten, uns besser kennenzulernen, setzten wir die Ausformulierung der Resolution als einzigen Tagesordnungspunkt des zweiten Tages. Wir waren uns auch darüber im Klaren, dass wir am Mittag fertig sein mussten, da dann die überregionale Presse eingeladen war und ihr Kommen zugesagt hatte.

In Anbetracht der allgemeinen Situaiton war es beachtlich zu sehen, wie konzentriert und konstruktiv die Teilnehmer den Text der Korbacher Resolution ausarbeiteten. Es gab Konsens darüber, dass jedwede Art von Fracking zur Aufsuchung und Gewinnung weiterer fossilere Brennstoffe verboten werden sollte und dass unsere politische, ökonomische und ökologische Verantwortung im 21. Jahrhundert klar mit der Umsetzung der Energiewende verbunden ist. Alle, die an dem Treffen teilnahmen, stimmten darin überein, dass die anti-Fracking-Bewegung erforderlich ist, um die Öl- und Gasindustrie daran zu hindern, die wachsende Verbesserung des Energie-Bewusstseins und der Energie-Effizienz sowie die Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien zu torpedieren.

Die Korbacher Resolution lautet:

Folgende Forderungen richten wir an Bund, Länder und die Europäische Union:

  • Ein sofortiges ausnahmsloses Verbot sämtlicher Formen von Fracking bei der Erforschung, Aufsuchung und Gewinnung fossiler Energieträger. Dies ist unabhängig davon, ob die Rissbildung mit oder ohne den Einsatz giftiger Chemikalien, hydraulisch oder andersartig erzeugt wird.
  • Ein generelles Import- und Handelsverbot von »gefrackten« fossilen Energieträgern.
  • Ein generelles Verbot der Verpressung des Rückflusses oder der untertägigen Ablagerung von Fluiden und Lagerstättenwässer.
  • Eine Novellierung des Bergrechts. Die höchsten Umweltstandards und Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit haben im Fokus der Novellierung zu stehen.
  • Ein konsequentes Umsetzen der politisch beschlossenen Energiewende, d.h. Abkehr von fossilen Brennstoffen, Ausbau der erneuerbaren Energien und Steigerung der Energieeffizienz

Unmittelbar nachdem die Forderungen ausformuliert waren, wurde beschlossen, dass auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene weitere Unterstützer gewonnen werden sollten, um der Resolution mehr Gewicht zu geben und um eine gemeinsame Grundlage für die wachsende anti-Fracking-Bewegung zu bieten. Die Unterzeichner teilen sich in vier Gruppen ein:

  1. NGOs (Nicht-Regierungsorganisationen), Verbände, Initiaven, Netzwerke
  2. Parteien und politische Organisationen
  3. Unternehmen
  4. Städte, Gemeinden, Landkreise

Am 5. September 2013 bot sich eine große Chance, die europäische anti-Fracking-Bewegung zu stärken und unser gemeinsames Ziel voranzubringen. Während der »Unfracked«-Konferenz im EU-Parlament konnte die Korbacher Resolution verlesen werden. Dies war eine entscheidende Maßnahme während eines sehr wichtigen Treffens. Nicht nur waren Protagonisten der verschiedenen europäischen anti-Fracking-Gruppen anwesend und hatten in diesem offiziellen politischen Rahmen die Gelegenheit zum gemeinsamen Austausch, sondern die Korbacher Resolution bot allen Teilnehmern greifbare, vernünftige, knappe und klare Forderungen, die von allen getragen und an die politischen Entscheidungsträger sowohl auf unterschiedlichen nationalen Ebenen als auch in der EU gerichtet werden konnten.

Der Resolutionstext mit seinen Kernforderungen, die die Ziele der Mehrheit in der europäischen anti-Fracking-Bewegung repräsentiert – egal, ob NGOs, Bürgerinitiativen, Unternehmen oder politische Parteien -, wurde schnell angenommen. Nach dem positiven persönlichen Austausch während der »Unfracked«-Konferenz begann das europäische anti-Fracking-Netzwerk dichter zu werden. Viele Mitstreiter rückten näher zusammen und begannen, die Korbacher Resolution an Gruppen und Organisation in ihren Ländern heranzutragen.

Vom 7. bis 9. März 2014 kamen Vertreter von Graswurzel-Gruppen und -Verbänden aus 21 europäischen und nordafrikanischen Ländern (Belgien, Deutschland, England, Frankreich, Griechenland, Irische Republik, Italien, Litauen, Marokko, Niederlande, Nord-Irland, Polen, Rumänien, Schottland, Schweiz, Spanien und Katalonien, Tunesien, Ukraine, Wales) in Saint-Christol-lès-Alès (Gard, Südfrankreich) zusammen. Das Abschluss-Statement dieses Euro-Maghreb-Strategie-Treffens stellt fest [1]; [2]; [3]:

Wir alle sind im Kampf gegen die Erschließung sogenannter unkonventioneller Kohlenwasserstoffe (Schieferöl- und -gas, Kohleflözmethan, Ölschiefer und Teersande, tight Öl und -Gas etc.) sowie fossiler Energieträger im Allgemeinen in unseren jeweiligen Ländern und Regionen involviert. Wir alle stellen uns derselben Problematik und wir glauben, dass es essentiell ist, unsere Vernetzung zu verstärken. Die Korbacher Resolution formuliert hierbei die Kernforderungen, die uns vereinen.

Retrospektiv scheint es, dass das, was ein Jahr zuvor in Korbach im Grunde in einer organischen Entwicklung begonnen hatte, nämlich der Aufbau eines festeren Fundaments für die europäische anti-Fracking-Bewegung, in Saint-Christol-lès-Alès weiter entwickelt und verbessert worden ist.

Inzwischen ist die Korbacher Resolution in neun Sprachen übersetzt. Aktuell unterstützen über 300 Organisationen die Forderungen der Korbacher Resolution – ihre Zahl wächst stetig an.

Die Geschichte der Korbacher Resolution macht deutlich, dass es möglich ist – und zwar zu jeder Zeit – eine Initiative auf regionaler Ebene zu starten, die über die Region hinauswachsen und Einfluss auf internationaler Ebene gewinnen kann. Sie zeigt – erneut -, dass Menschen, die sich in einer Bewegung zusammenschließen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, wirklich den Ausschlag geben können. Und nur der Druck »von unten« kann die politischen Entscheider auf nationaler und europäischer Ebene dazu bringen, die Kernforderungen der anti-Fracking-Bewegung, wie sie in der Korbacher Resolution formuliert sind, auch umzusetzen.

Cover der Buch-Neuerscheinung »Resistencia global al Fracking«
Cover der Buch-Neuerscheinung »Resistencia global al Fracking«
Der Beitrag »Die Korbacher Resolution – Aus dem Regionalen zum Internationalen« von Andy Gheorghiu ist erschienen in

Samuel Martín-Sosa Rodríguez (coord.), Anxela Iglesias, Jeanie le Roux, Ewa Suffin-Jacquemart, Andy Gheorghiu, Maxime Combes, Maria Olteanu, Kathryn Mcwhirter, Wenonah Hauter, Tom White, Mariann Lloyd-Smith, Joanne Cipolla-Denis, Ínigo Leza, Diana Daunheimer,Hamza Hamouchene, Multisectorial contra la hidrofractura de Neuquén:
»Resistencia global al Fracking – El despertar ciudadano ante las crisis climática y democrática«
Libros en Acción (www.ecologistasenaccion.org), Madrid Abril 2015
ISBN 978-84-943183-7-5
CC-BY-NC-SA 3.0

Version zum Download | Printausgabe ab Mai verfügbar

Übersetzung von »Die Korbacher Resolution – Aus dem Regionalen zum Internationalen« ins Deutsche: Carin Schomann

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Das Buch kann jetzt als Volltext in ENGLISCH und in SPANISCH heruntergeladen werden.

Die spanische Version liegt außerdem als gedrucktes Buch vor und kann zum Preis von 10 Euro bei den Ecologistas en acción geordert werden.