»Rinderkacke statt Kupferschlacke«

Protestbanner in Dunkelhäuser, Oberlausitz: Die Ablehnung der Erkundung und Förderung von Kupfer aus dem Untergrund ist massiv.
Protestbanner in Dunkelhäuser, Oberlausitz: Die Ablehnung der Erkundung und Förderung von Kupfer aus dem Untergrund ist massiv.
Oberlausitzer wehren sich gegen Kupfer-Erkundung

In den kommenden drei Monaten will der polnische Kupferkonzern KGHM eine »Kupfer-Kontrollbohrung« nahe Deschka, Kreis Görlitz, niederbringen. Unterlagen der EU-Kommission lassen annehmen, dass damit die Erprobung einer neuen, wohl riskanten Fördertechnik für Kupfer und andere Metalle vorbereitet werden soll. Mutmaßlich betroffen wäre die Region zwischen Weißwasser und Görlitz. Eine Informationsveranstaltung von Unternehmen und sächsischem Oberbergamt (OBA) am vergangenen Mittwoch konnte die erheblichen Bedenken der Öffentlichkeit nicht zerstreuen. Im Gegenteil.

Am 13. April 2015 soll auf einem Feld nördlich Deschka, wenige hundert Meter vom Ortsrand entfernt, mit einer Tiefbohrung begonnen werden. Im Auftrag der KGHM Kupfer AG, hundertprozentige Tochter des weltweit neuntgrößten Kupferproduzenten KGHM Polska Miedź S. A., will das 2013 gegründete, polnische Unternehmen Exalo Drilling S. A. hier knapp 700 Meter tief in den Untergrund bohren, um die dort bekannte Kupfer-Lagerstätte näher zu erkunden. Die geologischen und hydraulischen Verhältnisse dürften dabei schwierig zu beherrschen sein: Das wird aus dem veröffentlichten Bohrprofil deutlich, das »gespanntes Grundwasser auf Klüften« über die gesamte Bohrstrecke und ein Erdgasvorkommen am unteren Ende der Bohrung zeigt. Eine Beeinträchtigung der nutzbaren Wasserressourcen durch die eingesetzten Bohrchemikalien und das Durchbohren mehrerer Grundwasserleiter ist nicht auszuschließen – eine Sorge, die in dieser Region mit ohnehin prekärer Trinkwasserversorgung schwer wiegt.

Die Erlaubnisfelder »Weißwasser« und «Weißwasser II« liegen im äußersten Nordosten von Sachsen
Die Erlaubnisfelder »Weißwasser« und «Weißwasser II« liegen im äußersten Nordosten von Sachsen (Quelle: Jahresbericht 2013, Sächs. Oberbergamt)
Die fast noch größere Sorge aber ist das, was nach der Bohrung kommen könnte. Wie aus Dokumenten der EU-Kommission hervorgeht, will ein europaweites Bündnis aus staatlichen und akademischen Institutionen sowie privatwirtschaftlichen Unternehmen unter der Projektführerschaft von KGHM im Rahmen des HORIZON 2020-Programms eine »alternative« Bergbautechnik zur Gewinnung von Kupfer und anderen Metallen entwickeln. Bei dieser Methode wird die Lagerstätte zunächst hydraulisch frakturiert – gefrackt – und anschließend eine mit Bakterien versetzte Flüssigkeit in die entstandenen Risse eingebracht. Diese Bakterien, sie können auch gentechnisch verändert sein, sollen den Rohstoff direkt an Ort und Stelle aus dem Gestein lösen und förderbar machen. Diese biologisch basierte Erz-Bergbaumethode nennt sich BioMOre – Biological Mining in Ore. Als Testgebiet nennen die HORIZON 2020-Unterlagen explizit KGHMs Lizenzgebiet zwischen Weißwasser und Görlitz.

All diese Informationen waren der betroffenen Bevölkerung nicht etwa von der zuständigen Bergbehörde mitgeteilt worden. Die »Lausitzer Initiative gegen Rohstoffpiraterie« hat sie durch eigene Recherche herausgefunden. Sie sieht in dem Vorhaben »Rohstoffpiraterie auf Kosten der Umwelt und der bestehenden Einkommensquellen – insbesondere der Landwirtschaft und des Tourismus«. In wenigen Tagen hat die Initiative über 500 Unterschriften gegen die Bohrung gesammelt und die Bewohner der Dörfer animiert, massenhaft Protestbanner aufzuhängen. »Rinderkacke statt Kupferschlacke« heißt es da und »Lieber Kinder in der Region statt Kupferabbau«.

Etwa 100 Menschen aus der Gemeinde Neißeaue besuchten die Info-Veranstaltung von KGHM und OBA in Zodel.
Etwa 100 Menschen aus der Gemeinde Neißeaue besuchten die Info-Veranstaltung von KGHM, G.E.O.S. und Oberbergamt in Zodel.
Offenkundig überrascht von dem massiven Protest hatten Unternehmen und Bergbehörde am vergangenen Mittwoch eine öffentliche Informationsveranstaltung in Zodel einberufen. Neben Jolanta Dmowska, Geschäftsführerin der KGHM Kupfer AG, und Karlheinz Lagerpusch, dem Sachbearbeiter des sächsischen Oberbergamts, der das Bohrvorhaben zugelassen hatte, waren Mitarbeiter des Bohr-Unternehmens Exalo aus Polen sowie der Unteren Wasserbehörde Görlitz und weiterer Fachbehörden anwesend.

Dr. Jolanta Dmowska zeigte die Erlaubnisfelder »Weißwasser« und »Weißwasser II«
Dr. Jolanta Dmowska zeigte die Erlaubnisfelder »Weißwasser« und »Weißwasser II«
Holger Mantel befragte Alexander Illich von der Unteren Wasserbehörde Görlitz.
Holger Mantel befragte Alexander Illich von der Unteren Wasserbehörde Görlitz.
Rund 100 Dorfbewohner kamen und brachten sehr gut informierte Vorbehalte, aber auch persönliche Betroffenheit vor. Wie zum Beispiel bei der Zulassung der Bohrung »vergessene«, gleichwohl zu schützende Brunnen. Dass diese in den Unterlagen der Bergbehörde »nicht aktenkundig« seien und die neue Erkenntnis am Zulassungsstatus der Bohrung nichts mehr ändern solle, ärgerte nicht nur eine betroffene Eigentümerin, die ihr Wasserrecht erst vor zehn Jahren erworben und angezeigt hatte und jetzt eine Klage in Erwägung zieht.

Der noch fehlende Havarieplan; die nicht bedachte Möglichkeit eines gefährlichen Gas-Blowouts; die mangelnde Spezialausbildung der örtlichen Feuerwehren; eine einzige Monitoringsstelle für Grundwasserkontamination, die aber unsachgemäß im Anstrom der Bohrstelle platziert und daher ungeeignet ist; die fragwürdige wasserrechtliche Zulassung, mit der das Unternehmen einen Freibrief für unbestimmte Mengen von Chemikalien mit fraglicher Zulässigkeit erhalten hat; die ungeklärte Haftungsfrage bei Großschäden – das waren einige weitere Punkte, die unter den Anwohnern nicht für Zustimmung sorgen.

Im Hinblick auf die Risiken der Bohrung, aber auch auf den möglichen, zukünftigen Kupferabbau und die damit verbundene Industrialisierung der ländlichen Oberlausitz sagte Karin Pavel, Sprecherin der »Lausitzer Initiative gegen Rohstoffpiraterie« an Jolanta Dmowska gewandt: »Ihr Vorhaben bedroht nicht nur unser Trinkwasser, sondern das angestammte Leben hier unmittelbar, besonders den Tourismus, den wir hier die letzten 20 Jahre mit Herzblut aufgebaut haben. Ihr Vorhaben ist hier nicht erwünscht.« Dem OBA warf sie vor, das Projekt genehmigt zu haben, obwohl die entgegenstehenden öffentlichen Interessen erheblich seien. Es dürfe nicht passieren, dass die schöne Oberlausitz (oder sonst eine Region) als Experimentierfeld für eine völlig unbekannte, wahrscheinlich gefährliche Bergbau-Methode herhalten müsse.

KGHMs Jolanta Dmowska versuchte zu beruhigen und bot an, dass ihr Unternehmen zum Ausgleich kulturelle oder soziale Zwecke in der Region unterstützen könne, so wie sie es schon zum Beispiel für die »Lausitzer Füchse« im Eissport tue. Das Raunen im Saal und Zwischenrufe wie »Wir sind nicht bestechlich« zeigten ihr schnell, dass sie so kein Terrain gutmachen konnte.

Dass sie auch anders kann, wurde klar, als »ihr« Bohrmeister von Exalo im Überschwang von »20 bis 30 weiteren Bohrungen« redete, die im Areal Weißwasser noch gebohrt werden müssten. Dmowskas Moderator, Achim Freund von der G.E.O.S. mbH, bremste die Sache auf »4 geplante Bohrungen« herunter. Das reichte Dmowska nicht. Sie machte resolut klar: »Wir reden hier nur über diese eine Bohrung!« Freund sekundierte: »Was danach kommt, ist Spekulation.« Lagerpusch bekräftigte: »In dieser Bohrung wird nicht gefrackt.«

Von dieser Linie wichen Unternehmen und Behörden bis zum Ende der Veranstaltung nicht mehr ab; Fragen nach BioMOre, Fracking und deren Umweltgefahren wurden sämtlich abgebügelt. So wurde die Öffentlichkeit erneut ohne umfassende Information gelassen und muss sich ihren Reim auf die Weigerung der Verantwortlichen machen, die Ausführungen in den HORIZON 2020-Dokumenten zu erläutern. »Mir scheint, hier steht wieder einmal der Profit eines Unternehmens über den Interessen der Menschen«, fasste eine Zuhörerin zusammen.

Breiter Protest gegen die Kupfer-Erkundung in der Oberlausitz
Breiter Protest gegen die Kupfer-Erkundung in der Oberlausitz

3 Gedanken zu „»Rinderkacke statt Kupferschlacke«“

  1. Das war der mit Abstand beste Bericht, den ich dazu gelesen habe. Alle auf der Veranstaltung erörterten Punkte wurden detailgetreu wiedergegeben und korrekt dargestellt. Hierzu braucht es keinen weiteren Kommentare mehr. Es möge sich jeder interessierte Leser nun selbst ein Bild machen.

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