Unsere Regierung: Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß

Die Bundesregierung fühlt sich nicht veranlasst, ihren Fracking-Gesetzgebungsplan zu überdenken, nur weil im Gasfeld Niedersachsen plötzlich auffällig viele Krebsneuerkrankungen zu verzeichnen sind. Hubertus Zdebel und Herbert Behrens, die die Regierung danach gefragt hatten, finden das unverantwortlich.

Vor einer Woche hatte MdB Zdebel die Bundesregierung gefragt, ob und welche Auswirkungen die erschreckend erhöhten Krebsraten in Bothel auf die aktuelle „Fracking-Gesetzgebung“ habe. Hier ist die Antwort der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Fragen des Abgeordneten Hubertus Zdebel (DIE LINKE) BT-Drucksache 18/2702, Fragen 58 und 59:

Sieht die Bundesregierung angesichts der jüngst durch das Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen veröffentlichten Studie (www.krebsregister-niedersachsen.de/dateien/aktuellesnews/pdf/EKN_Bericht_SG%20Bothel_2014_09_11.pdf) einen möglichen Zusammenhang zwischen Aktivitäten der Gasindustrie und zunehmenden Krebsneuerkrankungen in Regionen, in denen seit Jahrzehnten Erdgas gefördert wird?

Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, weitere Ergebnisse der Ursachenerkundung von erhöhten Leukämie- und Lymphomwerten in Gasförderregionen abzuwarten, bevor sie durch gesetzliche Neuregelung einen Rechtsrahmen für den Einsatz der umstrittenen Gasfördermethode Fracking in Deutschland schaffen will?

Zu Frage 58:
Aus der Studie des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen kann entnommen werden, dass die Häufigkeit bestimmter Krebsneuerkrankungen in der Samtgemeinde Bothel bei Männern im Vergleich zu anderen Regionen stark erhöht ist. In dem Bericht wird nicht auf Zusammenhänge mit Risikofaktoren eingegangen. Die Bundesregierung kann daher angesichts dieser Studie nicht einschätzen, ob die Aktivitäten der Erdgasindustrie in einem möglichen Zusammenhang mit den Krebsneu erkrankungen stehen. Ob ein solcher Zusammenhang besteht, wird derzeit von den zuständigen Landesgesundheits- und -bergbehörden untersucht.

Zu Frage 59:
Bereits nach den geltenden bergrechtlichen Regelungen des Bundes sind bei Zulassung eines Bergbaubetriebes Gefahren für die Gesundheit der Beschäftigten und Dritter im Betrieb auszuschließen und öffentliche Interessen zu berücksichtigen. Insofern bietet das geltende (C) Bundesrecht ausreichend Handlungsspielraum, um gesundheitsgefährdenden Gasförderbetrieben Auflagen zur Vorsorge zu erteilen oder diese gegebenenfalls zu untersagen. Die Bundesregierung sieht daher keine Notwendigkeit, die Ergebnisse der Ursachenerkundungen durch die zuständigen Landesbehörden abzuwarten, bevor sie die Neuregelungen zum Einsatz der Fracking-Technologie beschließen will.

Die Bundesregierung benimmt sich wie alle Behörden, die auf unbequeme Fragen höchstens das Nötigste antworten und sämtliche Schlupflöcher der Fragestellung maximal ausnutzen. Opportune Expertenmeinungen wie „Fracking ist beherrschbar“ bilden das Fundament der Entscheidungsfindung. Bekannte Risiken und mögliche Gefährdungen bleiben nicht nur so lange Theorie, bis etwas passiert, sondern solange, wie kein Nachweis einer Schadensursache erbracht ist. So haben Politik und Behörden schon getickt, als sie fassweise hochradioaktiven Müll in die Asse kippten, und so ticken sie offenbar auch in der Fracking-Frage. Die Natur und die Menschen, die darin leben, als Experimentierfeld. Wenn etwas passiert, kann man ja immer noch nachregulieren. Bloß: Mit dem Atommüll in der Asse gibt es bekanntlich ein Problem. Und einem Krebskranken, dessen Krankheit zum Tode vermeidbar gewesen wäre, wenn gesundheitsgefährdende Gasförderbetriebe gar nicht erst gebaut worden wären, hilft eine späte Erkenntnis auch nichts mehr.

Vielleicht würde es ja schon helfen, wenn die Bundesregierung schärfer kontrollieren würde, was sie da so großartig dahersagt: „Gefahren für die Gesundheit der Beschäftigten und Dritter im Betrieb [sind] auszuschließen“ und „Auflagen zur Vorsorge“. Dumm nur, wenn nicht dafür gesorgt wird, das Gefahren ausgeschlossen werden und vorgesorgt wird, weil gar nicht genau bekannt ist, welche Gefahren konkret bestehen. Wie soll das auch bekannt sein, wenn Luft, Wasser und Boden nicht engmaschig monitoriert werden und z. B. Quecksilber, das wild in der Landschaft verteilt wird, nicht beachtet wird – jedenfalls nicht von den Verursachern und auch nicht von der Bergaufsicht. Jedenfalls nicht, solange nicht wieder diese nervigen Bürger ankommen, die ihre Nase überall reinstecken müssen.

Früher war es schöner, bevor der besorgte Bürger auf den Plan trat. Die Bundesregierung glaubt anscheinend, es sei noch alles wie früher.