Warum die Fracking-Gesetzgebung sofort gestoppt werden muss
Dass im Erdgas-Fördergebiet in und um Rotenburg an der Wümme signifikant erhöhte Krebsraten existieren, haben zwei regionale Untersuchungen des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen (EKN) ergeben. Nachdem diese schockierende Nachricht zunächst aus der Samtgemeinde Bothel bekannt wurde, erschütterte eine weitere solche Hiobsbotschaft aus dem Bereich der Stadt Rotenburg die Republik. Auch in mehreren der umliegenden Gemeinden zeigten sich überdurchschnittlich hohe Neuerkrankungsraten.
Die Zusammenschau zweier Karten, die die Aktivitäten der Gasindustrie zum einen und die gebietsweise Betroffenheit mit erhöhten Krebsraten* abbilden (siehe oben), erklärt auf einen Blick, warum sich viele einen Zusammenhang zwischen der heimischen Erdgasproduktion und den tragischen Krebsfällen vorstellen können. Und sich fragen, ob sich dieses Phänomen auch im Rest des norddeutschen Gaslandes zeigen würde, wenn es untersucht werden würde. Und die Hände über dem Kopf zusammenschlagen angesichts der unbekümmerten Eile, mit der die Bundesregierung das Fracking-Erlaubnisgesetz schon am kommenden Freitag vom Stapel lassen und die eventuell gesundheitsgefährliche Gasförderung auch noch ankurbeln will.
Die Karte, mit der das LBEG über die Öl- und Gasförderung in Norddeutschland informiert, zeigt, dass es zahlreiche Gebiete gibt, in denen Erdgas bzw. Erdöl gefördert werden, teilweise aus gefrackten Bohrungen. Keins dieser Gebiete liegt fernab jeglicher Wohnbebauung, dazu ist Deutschland zu dicht besiedelt. Die Notwendigkeit einer flächendeckenden epidemiologischen Untersuchung der Bevölkerung in den norddeutschen Öl- und Gasfeldern liegt auf der Hand. Mit einer derart großen Stichprobe sollte es zuverlässig möglich sein, entweder krebsauslösende Auswirkungen dieser Industrie sicher auszuschließen oder aber eben nicht auszuschließen.
Falls sich herausstellen sollte, dass die Öl- und Gasgewinnung mit und/oder ohne Fracking auch in Deutschland nachweislich zu erhöhten Krebs-Neuerkrankungsraten führt, dann muss mit dieser Industrie etwas geändert werden.
Die Vehemenz, mit der die Bundesregierung zurzeit das Fracking-Erlaubnisgesetz durchpeitschen will, ist auch ohne den Nachweis einer nachgewiesenen Kausalität – höflich ausgedrückt – verantwortungslos. Die Bundesregierung im sonnigen Berlin lässt jegliche Fürsorge für die Menschen in den Gasförderregionen vermissen.
Schon im Oktober letzten Jahres, unmittelbar nach Bekanntwerden der Botheler Krebsraten, hatte die Bundesregierung bewiesen, dass ihr die existenziellsten aller Fragen – nämlich die der menschlichen Gesundheit – sonstwo vorbei gehen. Damals hatten die Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel und Herbert Behrens (Die Linke.) herausgefunden, dass die signifikant beunruhigenden wissenschaftlichen Ergebnisse des EKN sie nicht zum Innehalten bewegen können und sie ihr Fracking-Gesetzgebungsverfahren eisern vorantreiben würde. Zdebel hat angekündigt, der Regierung am kommenden Mittwoch erneut die Frage zu stellen, welche Konsequenzen sie aus den nun deutlicher werdenden Gesundheitsproblemen in dem Gasfördergebiet ziehen wird.
Hoffentlich stellt sich dann der böse Verdacht, dass sich die Regierung hinter einem nur scheinbar funktionierenden Recht und Gesetz verschanzt und keinen Deut auf das persönliche Elend gibt, das der Krebs für die Menschen bedeutet, als falsch heraus. Am besten wäre es, wenn der Fracking-Gesetzgebungsprozess zunächst eingefroren werden würde, bis die Ursache der horrenden Krebszahlen in Niedersachsen zweifelsfrei geklärt worden ist.
Umweltverbände und anti-Fracking-Initiativen werden am 3. Juli, wenn die Fracking-Gesetzdebatte im Bundestag auf der Agenda steht und die Mehrheit der Abgeordneten hoffentlich gegen den Gesetzentwurf stimmt, in Berlin lautstark auch auf diese, bisher sträfliche Vernachlässigung der offenen Gesundheitsfragen hinweisen und ein ausnahmsloses Fracking-Verbot für Bodenschätze wie Öl, Gas und Erze fordern.
* Dank an Bente Battenbrook für die akribische Dokumentation.