Ein weiteres Mal wurde ein nicht abgeschlossener Betriebsplatz der Öl- und Gasindustrie angetroffen. Am letzten Dienstag fanden Mitglieder der anti-Fracking-Bürgerinitiativen in Buchholz und Hamburg bei einem Spaziergang offene Tore des Betriebsplatzes Sinstorf am Postweg im niedersächsischen Seevetal vor. Beide Tore dieses im Eingangsbereich doppelt umzäunten Geländes standen sperrangelweit offen.
Hinter dem ersten Tor die Tankstelle, an der die TKWs das hier aufgereinigte Erdöl aufnehmen und zur Raffinerie bringen. Frei zugänglich und auch für kleine Menschen leicht zu erreichen sind Schalttafeln und Hebel an dieser Tankstelle. Hinter dem zweiten Tor die Nassölaufbereitungsanlage sowie die Produktionsbohrung Sottorf 3a mit allem, was dazu gehört, einschließlich Behältern mit Methanol, Säuren und Laugen und jeder Menge Knöpfe und Hebel zum Regeln der Abläufe. Einen Hinweis auf ein Zutrittsverbot für Betriebsfremde gab es nicht, auch keine Warnschilder, wie sie sonst an derartigen Betriebsplätzen üblich sind, und auch keinen Pförtner. Nirgendwo auf dem weitläufigen Platz war Personal zu entdecken – der Platz war offenkundig verwaist.
Eine große Tafel an der Einfahrt nennt die Besitzerin dieses Betriebsplatzes: Gaz des France Suez. Die Hamburger Telefonnummer auf der Tafel führt zur Leitwarte in der Bergedorfer Randersweide. Von dort werde der Platz per Kameras überwacht, heißt es. Die offenen Tore habe man auf dem Schirm, hieß es, der Kollege vor Ort sei wohl mal eben zu einer der umliegenden Stationen unterwegs. Natürlich sei das nicht in Ordnung, wenn der Platz unbeaufsichtigt offen stünde
Zu der Frage, wie es zu diesem Sicherheitsmangel kommen konnte, hält man sich in der GdF Suez-Zentrale in Lingen noch bedeckt. „Wir prüfen derzeit den von Ihnen dargestellten Sachverhalt“, sagte der Leiter der Unternehmenskommunikation, Dr. Stefan Brieske, am Mittwoch. In der zuständigen Bergaufsicht, dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Hannover, war am Mittwoch niemand zu erreichen, der kompetent Auskunft geben konnte, weshalb Unternehmen sich trotz der erst vor wenigen Wochen erfolgten behördlichen Ermahnung nicht an die gesetzliche Vorschrift halten, ihre Betriebsplätze abzusichern.
Die Tiefbohrverordnungen der Bundesländer (Bsp. Niedersachsen) schreiben klipp und klar vor, dass die Unternehmen den unbefugten Zutritt von Betriebsfremden zu verhindern haben und dazu Verbotsschilder an allen Zugängen angebracht und die Plätze durch Zäune, Mauern o. dgl. umschlossen werden müssen.
Erst im April 2014 hatte das LBEG alle Erdöl- und Erdgasbetriebe sowie die Untergrundspeicherbetreiber in Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein in einem Rundschreiben aufgefordert, ihre Betriebsplätze im Hinblick auf die gültigen Sicherheitsvorschriften zu überprüfen und festgestellte Sicherheitsmängel zu beseitigen. Das Rundschreiben enthielt den expliziten Hinweis, die gesetzlichen Regelungen zum Öffnen und Schließen der Türen und Tore zu beachten. Besonders bei fernüberwachten Einrichtungen und Anlagen sei sicherzustellen, dass keine unbefugten Personen das Gelände betreten können. Bei der Sicherung von Betriebsplätzen und technischen Anlagen müssen die Vorgaben der Allgemeinen Bundesbergverordnung und der Tiefbohrverordnung eingehalten werden. Sollte dies nicht der Fall sein, drohe den Unternehmen ein Ordnungswidrigkeiten-Verfahren mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 Euro.
Konkreter Anlass des Rundschreibens waren Vorfälle gewesen, bei denen Sicherheitsmängel offenkundig wurden. So war auf dem Verteilerplatz 10 des Geländes der IVG Caverns GmbH in Etzel eine Tür nicht abgeschlossen sowie auf dem Erdgasförderplatz Söhlingen Z5 der ExxonMobil Production Deutschland GmbH (EMPG) ein Tor nicht verschlossen. Auch Fluchttüren ließen sich von außen öffnen, so dass ein Zutritt durch Unbefugte möglich gewesen wäre. Das LBEG hatte deswegen Bußgeldverfahren eingeleitet.
„Was bleibt, ist eine erneute Erfahrung mit dem Schlendrian der Öl- und Gasindustrie. Man müsste denen viel Vertrauen entgegen bringen bei all den Risiken ihrer Tätigkeit. Sie verspielen es aber schon im Alltag mit derartigen Kleinigkeiten.“, so der lakonische Kommentar von Ingo Engelmann am Abend nach dem Spaziergang im Seevetal.