Fackeln im Gasland: The show must go on?

Do, 28. August 2014, 19:08:04 Uhr: Brennende Fackel an der Erdgasbohrung Söhlingen Z16
Do, 28. August 2014, 19:08:04 Uhr: Brennende Fackel an der Erdgasbohrung Söhlingen Z16
Quecksilber auf Wiesen und in Gräben, Benzol in Äckern, Krebsverdacht im Gasland – und das Gasfördergeschäft geht weiter wie gehabt. „Exxon Mobil zündet die nächste Fackel an“, titelt die Böhme Zeitung am heutigen Dienstag, dem 21. Oktober 2014, und macht ihren Lesern die gestrige Ankündigung des Unternehmens zu Arbeiten an der Erdgasbohrung Söhlingen Ost Z4 bekannt. Heute gibt es schon wieder eine neuere Ankündigung dieser Art: Arbeiten an der Erdgasbohrung Siedenburg T9.

Hier, wie auch für Söhlingen Ost Z4, lautet der Standardtext:

Während der Arbeiten wird es zeitweise an der Fackel zu einer erhöhten Flammenbildung, bei Dunkelheit mit hellem und weit sichtbarem Feuerschein kommen. In dem näheren Umfeld kann es zu einem erhöhten Geräuschpegel kommen. Je nach Wetterlage ist evtl. auch eine leichte Geruchsbelästigung möglich.

Exakt derselbe Textbaustein gilt und galt für Arbeiten an den Erdgasbohrungen Klosterseelte Z7 (10.10.14), Walsrode Z5a (26.09.14), Walsrode Z4 (19.09.14), Bohrprojekt Goldenstedt Z34 (11.09.14), Wartungsarbeiten an der Erdgasbohrung Bahrenborstel Z1 (03.09.14), Arbeiten an der Erdgasbohrung Deblinghausen Z7 (26.08.14), Arbeiten an der Erdgasbohrung Varnhorn Z3 (11.07.14), Arbeiten an der Erdgasbohrung Dötlingen Ost Z1 (10.07.14), Arbeiten an der Erdgasbohrung Hengstlage T14 (10.07.14), Arbeiten an der Erdgasbohrung Barenburg Z8 (03.07.14), Arbeiten an der Erdgasbohrung Goldenstedt 25 (30.06.14), Arbeiten an der Erdgasbohrung Visbek Z9b (10.06.14), und viele, viele weitere Arbeiten an Erdgasbohrungen der vergangenen Monate und Jahre: Stets wurde und wird das anfallende Gas über eine Fackel verbrannt.

Ob inzwischen ein zunehmender Verdacht besteht, dass die Abgase dieser Fackelei gesundheitsschädlich ist, oder ob in Texas eine Linde rauscht: Das ist Unternehmen wie Bergbehörden offensichtlich egal. Solange kein stringenter Nachweis existiert, dass solche Fackelarbeiten negative Folgen für Umwelt und menschliche Gesundheit haben könnten, wird offenbar weiter gemacht wie bisher.

Eine Konsequenz hat ExxonMobil allerdings doch gezogen: Wenn Bohrungen im stark quecksilberhaltigen Feld Hemslingen/Söhlingen betroffen sind, dann wird die entsprechende Meldung seit Neuestem mit einer solchen Passage ergänzt:

… Quecksilberabscheider (Aktivkohlefilter) [tragen] dafür Sorge, dass die Grenzwerte der TA-Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft) für Quecksilberemissionen eingehalten werden. Es findet ein regelmäßiges Monitoring der Aktivkohlefilter statt, bei der die Funktionsfähigkeit überprüft wird. Ausgetauschte Aktivkohle wird den gesetzlichen Vorschriften entsprechend von Fachfirmen entsorgt.

Was diese Aussage bedeuten soll, bleibt allerdings fraglich. Soll mit dem Technik-Sprech suggeriert werden, dass alles sicher und sauber abläuft? Dass also eine Ansammlung von Aktivkohle in einem Bottich, der Fackel irgenwo vorgeschaltet, zuverlässig dafür sorgt, dass der gem. TA Luft[1] zulässige Emissionsgrenzwert im Mittel 0,05 Milligramm pro Normkubikmeter (mg/Nm3) (bei einer Probenahmedauer von mindestens 30 Minuten und höchstens 8 Stunden) nicht überschritten wird? Aktivkohle als Messinstrument für Schadstoffausstöße? ExxonMobil muss sich fragen lassen, wie der tatsächlich Schadstoffausstoß im Abgas gemessen wird und welche Ergebnisse hierzu vorliegen. Gelegentlich monitorierte und eventuell aufgefrischte Aktivkohlemassen sind sicher nicht in der Lage, hierüber Aussagen abzuleiten.

Dietrich Wiedemann, Grünes Ratsmitglied in Soltau, kommentierte entsprechend:

Offensichtlich verzichten Betreiber und Aufsichtsbehörde nach wie vor auf Schadstoffmessungen während des Fackelungsprozesses. Das ist im gesundheitlichen Interesse der Anwohner nicht hinnehmbar. Das LBEG hat anlässlich der Quecksilber-Belastung des Bodens im Umfeld der Bohrlöcher des Söhlinger Gasfeldes (bei uns Lokationen Söhlingen Ost Z 1 und Söhlingen Z 14) eingeräumt, dass Belastungen generell wahrscheinlich durch Lufteintrag zustande gekommen sind. … In ROW hat es einen Kreistagsbeschluss mit der Forderung nach Luftmessungen während jedes Abfackelns von Bohrlöchern gegeben. Ich fordere die Gleichbehandlung der Bevölkerung in ROW und SFA. Die Luftmessungen sind wichtig für die Erforschung der Ursache der festgestellten erhöhten Krebsrate im Umfeld des Söhlinger Gasfeldes, das sich auf Teile der Samtgemeinden Bothel und Neuenkirchen erstreckt. Da die Krebsgefährdung aus bisher unerforschter Ursache anhält und Menschen latent gefährdet sind (NDR 3 berichtet von einem Betroffenen, dessen Blut 2010 untergrenzwertig mit Benzol belastet war und der heute 2014 krebskrank und Dialysepatient ist), muss jeder Fragestellung, die zur Aufhellung der Krankheitsursachen dienen kann, verfolgt werden. Kostenbedenken und Verwaltungsaufwand haben hier angesichts denkmöglicher Gefährdung von menschlichem Leben zurückzustehen.

Vor weniger als zwei Monaten erst hatten sich Anwohner in einem Offenen Brief an den Obersten Bergmann in Niedersachsen, Wirtschaftsminister Olaf Lies, gewandt und einen Stopp der schmutzigen Fackelarbeiten gefordert. Im Mai d. J. hatte der NABU Rotenburg massiv erhöhte Quecksilberwerte im Boden an Erdgassonden gemessen. Diese Funde und vehementes Nachfragen bei den zuständigen Bergbehörden LBEG und Wirtschaftsministerium brachte kurz darauf ans Licht, dass das LBEG seit Jahren Kenntnis von überschrittenen Quecksilberwerten hatte.

Nobody_gets_hurtDoch bis heute hat sich nichts an der Praxis des Abfackelns geändert. Unternehmen und Behörden müssen jetzt beweisen, dass die von ihnen heißgeliebte Erdgasförderung nichts mit den Verschmutzungen und den Krankheitsfällen zu tun hat. Und dass die Visionen von ExxonMobil stimmen: „Niemand wird verletzt.“ Und: „Das Morgen schützen. Heute.“

[1] Gem. TA Luft (2002; Internetfassung des BMU, Seite 21) ist die RICHTLINIE 2010/75/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) maßgeblich.