»Innovative Ideen« für die Braunkohle

Braunkohle-Abbau in der Grube Inden, NRW
Braunkohle-Abbau in der Grube Inden, NRW
Wenn die Braunkohle durch das Voranschreiten der erneuerbaren Energieträger perspektivlos zu werden droht, dann könnte sie als Gas-Lieferant eine Zukunft haben, meinte Professor Meyer von der Bergakademie Freiberg am vergangenen Mittwoch auf einer Tagung in Freiberg.

Dort trafen Vertreter der Energiewirtschaft und Chemieindustrie, Forscher und Politiker zusammen und tauschten sich zur künftigen Braunkohlenutzung aus. Eine Forschung für »schadstoffärmere und höherwertigere Nutzungsperspektiven« der Braunkohle sei deshalb das Gebot der Stunde, so Meyer weiter.

Mit Blick auf die Milliarden Tonnen Braunkohle, die in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen zum Abbau genehmigt sind, behauptete die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Simone Raatz aus Sachsen, die ebenfalls an der Tagung teilnahm: »Es wäre nur sinnvoll, neben der energetischen auch die stoffliche Braunkohleverwertung durch FuE-Aktivitäten etwa zu verbesserten Kohlenstoffspeichertechnologien stärker in den Fokus zu rücken«. Die Diplomchemikerin und stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Bundestag hielt es für möglich, damit auch eine größere Unabhängigkeit von Erdölimporten erreichen.

Den Widerspruch zwischen dem Abbau von Milliarden Tonnen Braunkohle und einem »ressourcen- und umweltschonenderen« Umgang mit Energieträgern löste die Tagung allerdings nicht auf.

Neu ist die Idee, aus Braunkohle synthetisches Gas herzustellen, nicht. Tatsächlich ist dieser Forschungsansatz schon über hundert Jahre alt. Seit den frühen 1990er-Jahren entwickelt der US-amerikanische Stromversorger Mississippi Power die Gaserzeugung aus Braunkohle in einem Kombikraftwerk mit integrierter Gaserzeugung (Integrated Gasification Combined Cycle – IGCC) in Kemper County, Mississippi. Nun soll das weltweit beachtete Pionierprojekt – ein Kraftwerk, in dem Braunkohle vergast und verstromt werden soll und das aufgrund der integrierten CCS-Technik als »sauber« bezeichnet wird, im Mai 2015 in Produktion gehen. Zahlreiche Hindernisse und Fehlkalkulationen haben den ursprünglich früher geplanten Start verzögert und die Entwicklungs- und Baukosten auf mehr als das Doppelte der zuerst veranschlagten Kosten emporschnellen lassen. Das abgeschiedene Kohlendioxid soll per Pipeline in ein nahegelegenes Ölfeld geleitet werden, um dort per Injektion in den Untergrund die Ölproduktion zu befördern.

Eine Technik der Braunkohlevergasung wird lt. VDI-Nachrichten seit 1996 in einem tschechischen Chemieunternehmen genutzt. Deutsche Braunkohlegaserzeuger wie Siemens führen Projekte in China durch, u. a. für die Produktion von Kunststoffen aus Braunkohlegas. Im »Braunkohle-Chemiepark« im sachsen-anhaltinischen Leuna forscht ein Konsortium aus privatwirtschaftlichen, staatlichen und akademischen Partnern, darunter Unternehmen wie die MIBRAG und Linde, unter dem Motto »Innovative Braunkohlen Integration« am Erhalt dieser fossilen Energiequelle.

Dass es noch eine andere Idee für den zukünftigen Umgang mit der klima- und umweltschädlichen Braunkohle gibt, deren Abbau zudem verheerende soziale Folgen hat, zeigt der immer weiter zunehmende Widerstand gegen die riesigen Tagebaue und die Braunkohlekraftwerke, wegen ihres CO2- und Schadstoffausstoßes als »Dreckschleudern« bekannt. Wie schon in den vergangenen Jahren stehen auch 2015 wieder Aktionen gegen die weitere Ausbeutung in den Braunkohle-Revieren in Nordrhein-Westfalen und in der Lausitz an. Ihre Botschaft ist klar: Die schmutzige Braunkohle, deren Abbau die Natur zerstört, die Menschen aus ihrer Heimat vertreibt und deren Verbrennung die Luft zum Atmen nimmt und die Klimakatastrophe befeuert, ist nicht alternativlos.

Noch nicht ganz abgebaggert: Der Ort Pier († 2014)
Schon lange tot und bald ganz abgebaggert: Der Ort Pier († 2014). Am rechten Bildrand ein Schaufelradbagger, im Hintergrund Qualm und Dampf aus dem BKW Weisweiler

Ein Gedanke zu „»Innovative Ideen« für die Braunkohle“

  1. Wir müssen unsere ganze Power einsetzen für: Energieeinsparung und Aufbau der Vollversorgung durch EE.
    Eine ganze Menge ist bereits jetzt durch (ein bisschen weiter blickende) Individuen unmittelbar realisierbar: Ich bin seit April 2013 unabhängig vom Netzstrom und versorge mich seitdem zu 100% durch eine 3-KWp-Inselanlage – und konnte dies realisieren bei einem Einkommen, das um ca. 200 Euro unter der Armutsgrenze liegt.
    Klar, in der Stadt ist so etwas kaum möglich. Im Unterschied zu früher gilt heute: „Landluft macht frei!“, denn auf dem Land – und insbesondere in einem dünn besiedelten Land wie der Altmark – haben kreative Individuen viel, viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten als in der Stadt.

    Dennoch gibt es auch in der Stadt Möglichkeiten: „Balkon-Kraftwerke“, Nutzung der Dachflächen großer Mietshäuser durch „Mietermodelle“, die einige Grünstrom-Versorger über alle vom EEG gesetzten Hürden hinweg entwickelt haben. Eine weitere, bisher wohl noch kaum genutzte Möglichkeit besteht darin, dass sich ein paar Häuslebesitzer zusammentun und durch Sammelbestellung von PV-Anlagen einen Rabatteffekt erzielen.

    Zum Thema „Energieeinsparung“ muss der ganze Horizont viel weiter geöffnet werden. Es reicht nicht, die – vielleicht voll funktionsfähige – Waschmaschine durch eine vebrauchsärmere zu ersetzen (hier dürfte sowieso oft fraglich sein, ob dies unterm Strich wirklich eine E-Einsparung bringt), sondern hier gehört unser gesamter Lebensstil auf den Prüfstand, und zwar radikal. Ich möchte an dieser Stelle nur an den letzten Bericht des Club of Rome „Der geplünderte Planet“ erinnern und an die dortigen Andeutungen, eine wie geartete Existenzweise die Chance des Überlebens menschlicher Zivilisation enthält. – Wenn wir derartige Hinweise nicht in eine mächtige praktische Bewegung überführen, wird der ungebremste Klimawandel sein Ding machen. Alle bisherigen Gegenaktivitäten gleichen in ihrem Ausmaß Versuchen, einen Elefanten durch Nadelstiche zu stoppen.

    Ein Wort noch zu den „Brücken“ (Braunkohle, Erdgas), die uns zu einer Vollversorgung durch EE angeblich hinführen: Eine Brücke ist etwas, das von einem Flussufer zum anderen führt. Das andere Ufer muss also existieren, bevor man eine Brücke bauen kann. Die Vollversorgung durch EE existiert aber nicht, eine Brücke dorthin führt also ins Nichts…
    Und wenn wir zunächst die Vollversorgung durch EE aufbauen, brauchen wir keine „Brücke“ mehr dorthin. – Aber es gelingt den Konzernen und der mit ihnen verbundenen Politik, derartige Abstrusitäten in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Diese ausfindig zu machen und klar zu dechiffrieren, sollte unsere praktischen positiven Aktivitäten begleiten.

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