Neue Studienergebnisse belegen: Durch Fracking erzeugte Luftschadstoffe können die gesunde Entwicklung ungeborener und kleiner Menschen stören
Gleich drei in den letzten Tagen publizierte Studien belegen einen schädlichen Einfluss von Luftschadstoffen für junge Menschen im heftig gefrackten Südwesten des US-Bundesstaates Pennsylvania. Dabei ist der Zusammenhang mit dem Fracking klar bzw. liegt nahe.
Das jetzt publizierte Ergebnis[1] einer großangelegten epidemiologischen Untersuchung der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health und dem Geisinger Health System weist auf einen positiven Einfluss von Fracking auf das Auftreten von Frühgeburten hin. Werdende Mütter, die nahe an gefrackten Bohrungen im US-Bundesstaat Pennsylvania lebten, hatten eine höhere Zahl von Frühgeburten als Mütter, die weiter entfernt wohnten. Wie die Arbeitsgruppe um Dr. Brian S. Schwartz im Fachjournal Epidemiology berichtete, wurden Daten von 9.384 Müttern analysiert, die im Zeitraum zwischen Januar 2009 und Januar 2013 insgesamt 10.946 Babies geboren hatten.
Die Forscher verglichen unter anderem die Nähe des Wohnorts der werdenden Mütter zu Frac-Bohrungen mit Verlauf und Ergebnis der Schwangerschaften. Abhängig von der Entfernung des Wohnorts zu derartigen Bohrungen zeigte sich ein bis zu 40 Prozent erhöhtes Risiko einer Frühgeburt und ein bis zu 30 Prozent erhöhtes Risiko einer Risiko-Schwangerschaft. Von allen betrachteten Schwangerschaften endeten 11 Prozent mit einer Frühgeburt.
Seit Beginn des Fracking-Booms vor etwa 10 Jahren wurden in Pennsylvania über 8.000 Bohrungen abgeteuft, die gefrackt wurden. »Das Wachstum der Frac-Industrie ist unseren Möglichkeiten, ihre Gesundheitsauswirkungen zu erfassen, meilenweit voraus«, sagte Schwartz. »Über 8.000 unkonventionelle Gas-Bohrungen wurden allein in Pennsylvanien gebohrt und gefrackt und wir lassen das zu, obwohl wir so gut wie nichts darüber wissen, was das bei der Gesundheit anrichten kann. Unsere Studie mehrt die Hinweise, die es aus den bisher sehr wenigen Studien gibt: Dass Fracking sich negativ auf die Gesundheit auswirkt.«
Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden seien schon lange besorgt wegen dieser Art der Öl- und Gasförderung und ihren Auswirkungen auf die Qualität von Luft und Wasser, so die Forscher in ihrer Pressemitteilung. Sorgen mache ihnen auch der Stress, den die Technik bei den Anwohnern von Bohr- und Förderplätzen auslöst: Einen solchen Betriebsplatz einzurichten bedeutet rund 1.000 LKW-Fahrten auf zuvor ruhigen Dorfstraßen – mit Lärm, Dieselruß und erhöhter Unfallgefahr. Die US-Gesundheitsbehörden hätten angegeben, dass Frühgeburten auch ein auslösender Faktor für langfristige neurologische Behinderungen seien. Frühgeburten hätten im US-amerikanischen Gesundheitssystem schon im Jahr 2005 mit über 26 Milliarden US-Dollar zu Buche geschlagen.
Kein statistisch signifikanter Einfluss, aber ein deutlicher Effekt auf Geburtsparameter
Wie Schwartz und Kollegen fand auch die Arbeitsgruppe von Evelyn O. Talbott von der Universität von Pennsylvania in Pittsburgh deutliche Effekte der Wohnortnähe zu gefrackten Bohrungen auf Geburten. Sie untersuchten Daten von insgesamt 15.451 Lebendgeburten in Südwest-Pennsylvanien in den Jahren von 2007 bis 2010. In ihrer Veröffentlichung[2] in PLoS One berichten diese Forscher, dass eine größere Nähe und Dichte von Frac-Bohrungen zu durchschnittlich niedrigerem Geburtsgewicht und geringerer Körpergröße des Neugeborenen führten. Eine überdurchschnittlich hohe Rate von Frühgeburten fand sich in dieser Studie nicht.
Neuropsychologische Auswirkungen von Luftschadstoffen dagegen signifikant
Im Gegensatz dazu fanden Evelyn O. Talbott und Epidemiologen und Verhaltenswissenschaftler der Universität von Pennsylvanien in Pittsburgh eindeutige Einflüsse mehrerer Luftschadstoffe auf die Entstehung bestimmter neuropsychologischer Entwicklungsstörungen. In einer Fall-Kontroll-Studie mit 217 an ASD[4] erkrankten Kindern in Südwest-Pennsylvanien (geboren zwischen 2005 und 2009) untersuchten die Forscher den Zusammenhang zwischen dem Vorkommen von insgesamt 30 Luft-Toxinen und dem Auftreten eines ASD. Sowohl Phenylethen (Styrol) als auch Chrom in der Luft waren signifikant mit der Entstehung der genannten neuropsychologischen Behinderungen verknüpft, während Methylchlorid und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) das Signifikanzniveau knapp verfehlten.
Die Studie sagt nichts über die Herkunft der untersuchten Luftschadstoffe aus.
Quellen:
[1] Epidemiology. 2015 Sep 30. [Epub ahead of print]
Unconventional Natural Gas Development and Birth Outcomes in Pennsylvania, USA.
Casey JA, Savitz DA, Rasmussen SG, Ogburn EL, Pollak J, Mercer DG, Schwartz BS.
[2] Stacy SL, Brink LL, Larkin JC, Sadovsky Y, Goldstein BD, Pitt BR, Talbott EO
Perinatal outcomes and unconventional natural gas operations in Southwest Pennsylvania.
PLoS One. 2015 Jun 3;10(6):e0126425. doi: 10.1371/journal.pone.0126425. eCollection 2015.
[3] Evelyn O. Talbott, Lynne P. Marshall, Judith R. Rager, Vincent C. Arena, Ravi K. Sharma and Shaina L. Stacy
Air toxics and the risk of autism spectrum disorder: the results of a population based case–control study in southwestern Pennsylvania
Environmental Health 2015, 14:80 doi:10.1186/s12940-015-0064-1
[4] ASD: Autism Spectrum Disorder. Als »Autismus-Spektrum« bezeichnet die American Psychiatric Association lt. Wikipedia eine Reihe von neurologischen Entwicklungsstörungen, darunter u. a. Autismus, Asperger Syndrom, Rett’s Syndrom und kindliche Anpassungsstörung. Diese Krankheitsbilder sind gekennzeichnet durch soziale Defizite, Kommunikationsstörungen, stereotype Verhaltens- und Interessensmuster und in einigen Fällen kognitive Beeinträchtigungen.