Drainagerohr Salzhalde Wathlingen, Lk. Celle

Auseinandersetzung um Salzwasser-Verpressung geht weiter

Kali-Halde bei Heringen
Kali-Halden (hier bei Heringen) sind im Gegensatz zu Verpressbohrungen weithin sichtbare Umweltprobleme
Die Kali-Industrie hat, genau wie die Öl- und Gasindustrie, ein Riesenproblem: Wohin mit dem umweltschädlichen Flüssig-Müll! Genau wie letztere bedient sich erstere der für sie wirtschaftlichsten Variante: Statt ihre Abwässer aufzubereiten und sicher zu entsorgen, verpresst sie die stark salzhaltige Brühe in den Untergrund und spart sich die Aufbereitungskosten. Damit nimmt sie die Gefahr der Verschmutzung des Gemeinguts Wasser wissentlich – und mit Billigung von Politik und zuständigen Behörden – in Kauf.

Obwohl schon lange klar ist, dass die unterirdischen Müllplätze der Kali-Industrie undicht sind, überquellen und nachweislich Salzwasser in nutzbare Grundwasserleiter aufsteigt sowie die Salzfracht der Werra vermehrt, stellt sich das Umweltministerium des hauptsächlich betroffenen Bundeslandes Hessen taub und blind. Das wurde erst gestern wieder klar, als sich Vertreter des Ministeriums im Umweltausschuss des hessischen Landtages zu den Fragen der Linksfraktion äußerten. Offensichtlich wollen die politisch Verantwortlichen der Industrie die gefährliche Versenkung bis 2021 weiter gestatten.

Marjana Schott, Landtagsabgeordnete und umwelt- und verbraucherpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE., fasste zusammen:

Das Umweltministerium schlägt Bedenken der eigenen Fachbehörde in den Wind. Das Umweltministerium schenkt der Aussage von K+S, die Versenkung von Salzabwässern sei unbedenklich, mehr Glauben, als den Untersuchungen seiner eigenen Fachbehörde. Das ist mehr als bizarr. K+S hat ein ökonomisches Interesse Abfälle so billig wie möglich zu entsorgen. Das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie (HLUG) ist den Interessen der Allgemeinheit und damit dem Schutz unserer Trinkwasservorkommen verpflichtet. Wem würden Sie mehr glauben?

Vor mittlerweile vier Jahren hatte die für Umweltfragen zuständige Fachbehörde HLUG beschrieben, dass Salzabwassereinleitungen zur Vergrößerung der Salzabwassermenge im Buntsandstein-Grundwasserleiter, d. h. im Trinkwasserspeicher führen würde, und empfohlen, die Einleitung von Salzabwasser in den Untergrund zu stoppen.

2009 hatte Hessen gemeinsam mit dem ebenfalls betroffenen Thüringen und dem Verursacher, dem Unternehmen Kali + Salz (K+S) in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag (ÖRV) Maßnahmen festgelegt, um die fortdauernde Gewässerverschmutzung einzuschränken. Dazu gehörte auch die Ansage, dass eine Versenkung der flüssigen Abfälle im Untergrund nach 2011 (»unbeschadet von Übergangsregelungen«) nicht mehr genehmigungsfähig sei.

Aus dem Abstimmungsprotokoll zum o. a. ÖRV vom Mai 2011 geht hervor, dass K+S sich alle Zeit der Welt gelassen hat, die getroffenen Vereinbarungen auch umzusetzen. Die in dieser Zeit ebenfalls besprochene, absurde Idee, mit der sich K+S von lästigen Umweltauflagen befreien und den unbequemen Müll per Pipeline in der Nordsee verklappen wollte, ist bekanntlich so gut wie gescheitert.

Offenbar als unbeschadende Übergangsregelung hat das zuständige Regierungspräsidium Kassel am 30.11.2011 eine neue Versenkgenehmigung erteilt [Bescheid].

Die amtierende Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) hat nach dem Scheitern des Pipeline-Plans ein Abkommen zwischen dem Land Hessen und K+S geschlossen, das zu einem Aufschrei unter Umweltschützern, Wasserversorgern und anderen Betroffenen geführt hat: Bis 2075 – dem angenommenen Ende des Kali-Bergbaus in Hessen – soll es dem Unternehmen erlaubt bleiben, salzige Abwässer direkt in die Werra einzuleiten. Ein Abtragen der Salzhalden, deren Existenz Luft, Böden und insbesondere Gewässern schadet, ist gar nicht vorgesehen; ihre Abdeckung soll ab 2032 bis 2060 in Angriff genommen werden. Das Ende des Verpressens in den Untergrund wurde im Zuge des 60-Jahres-Abkommens um weitere sechs Jahre auf 2021 verschoben.
Kritiker des Plans wurden vor Gericht gezerrt und mit einem Maulkorb belegt (Details).

Nach der gestrigen Ausschusssitzung fand Schott deutliche Worte und mahnte die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften an:

Heute wurde zudem deutlich, dass K+S nicht alle Auflagen der Versenkgenehmigung von 2011 erfüllt hat. Bis heute liegt von K+S kein brauchbares 3-D-Modell zur Gefährdungseinschätzung des Trinkwassers vor. Das war eine der Bedingungen für die weitere Versenkung und soll laut Umweltministerium auch ein hartes Kriterium für die Genehmigung der Versenkung bis 2021 sein. Laut Versenkgenehmigung war es auch bereits 2011 ein hartes Kriterium. Dennoch sah das Regierungspräsidium Kassel keinen Grund, die Versenkgenehmigung zu widerrufen.
Trotz der Besorgnis des HLUG hält Hessens Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) an der trinkwassergefährdenden Versenkung bis 2021 fest. Selbst wenn es ’nur‘ einen begründeten Verdacht gäbe, dass die Versenkung von Salzabwässern Trink- und Heilwasserquellen gefährden könnte, gebietet das Vorsorgeprinzip die Versenkung sofort zu stoppen.

Zum Foto: Lichtprojektion vom Lichtkünstler Oliver Bienkowski am Berg des 200 Meter hohen Monte Kali in Heringen. Durch die Einleitung von Salz in die Werra ist dieser der am stärksten von Industrieabwässern verschmutzte Fluss Deutschlands. Foto: Dr. Kralle/wikimedia

Aktualisiert: 14.2.15