Grundwasserschäden durch Fracking sind immer zu besorgen

Modell mehrerer Grundwasserleiter
Die Wege des Grundwassers sind vielfältig und wenig verstanden
Eine weitere Untersuchung der Grundwasserqualität in Fracking-Gebieten ist diese Woche erschienen.1 Das Forscherteam von Kevin A. Schug von der University of Texas Arlington entnahm 550 Grundwasserproben aus Brunnen in 90 bis 47.220 Metern Entfernung von Frack-Bohrungen der Barnett-Lagerstätte in Texas, USA. Die Analysen der Proben ergaben teilweise erhöhte Konzentrationen von umweltgefährlichen und gesundheitsschädlichen Stoffen, die ihren Ursprung in den Frack-Maßnahmen haben können – darunter Krebs und andere schwere Krankheiten erzeugende Stoffe.

Auch wenn die Studie keinen kausalen Zusammenhang zwischen Fracking und diesen Ergebnissen nachweist – das war nicht ihr Ziel -, schreien die gefundenen Tatsachen geradezu nach einem engmaschigen Grundwasser-Monitoring und -Analysen auf Stoffe, die bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und Erdgas eingesetzt werden und die Umwelt und die Gesundheit schädigen. Offensichtlich ist eine Beeinträchtigung der Gewässer ausnahmslos zu besorgen.

In Deutschland, wo gebietsweise häufig und mit sehr gefährlichen Chemikalien gefrackt worden ist, herrscht dazu großer Nachholbedarf, denn derartige Untersuchungen haben regelmäßig noch nicht stattgefunden. Der aktuelle Gesetzgebungsprozess, mit dem Fracking in Tight-Lagerstätten ausdrücklich erlaubt und Fracking in Ton- und Mergelgestein sowie in Kohleflözen ermöglicht werden sollen, trägt dieser ausnahmlosen Besorgnis nicht ausreichend Rechnung.

Warum eine Verschlechterung der Grundwasser-Qualität durch Fracking ausnahmslos zu besorgen ist
Bei der Erdgas-/Erdölaufsuchung und -gewinnung mittels Fracking kommen Chemikalien beim Niederbringen, bei der Säurebehandlung und beim hydraulischen Aufbrechen der Bohrung zum Einsatz, die gefährlich sind. Stoffe, die der Flüssigkeit beim eigentlichen Frack-Vorgang zugesetzt werden, sind unter anderem Biozide, Gelbildner, Scale-Inhibitoren, anti-korrosive Mittel, Reibungsverminderer, pH-stabilisierende Stoffe und Lösungsmittel. Viele dieser Stoffe sind umwelt- und/oder gesundheitsgefährlich.

Auch die texanischen Studienautoren halten die möglichen Auswirkungen der unkonventionellen Öl- und Gasaufsuchung und -gewinnung (fortan: Fracking) auf das Grundwasser für besorgniserregend – obwohl bisher noch wenig über sie bekannt ist. Sie fassen den aktuellen Kenntnisstand wie folgt zusammen: Bis jetzt hat die Forschung in Fracking-Regionen in Pennsylvania (Marcellus) und in Texas (Barnett) erhöhte Konzentrationen von gelöstem Methan2, 3 sowie Schwermetallen4 in privaten Brunnen im Umkreis von gefrackten Gas-Bohrungen gefunden.

Kontaminationen der Umwelt mit solchen Chemikalien können auf mehreren Wegen eintreten. Die Abdichtung des Bohrlochs gegen das Gebirge versagt bei etwa 3 % aller Neubohrungen;5 eine jüngere Untersuchung fand sogar bei fast 12 % Versagen der Bohrlochsintegrität im ersten Jahr.6 Jüngere Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass durch den Frack-Vorgang Kontaminationspfade in Grundwasserleiter entstehen können.7, 8

An der Oberfläche austretende oder verschüttete Frack-Flüssigkeiten oder aus dem Untergrund geförderte Flüssigkeiten (Flow-Back; produziertes Wasser; Lagerstättenwasser) gefährden zusätzlich insbesondere den obersten Grundwasserleiter und offene Gewässer, wie aus der umfangreichen Untersuchung der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA hervorgeht.9

Grundwasser in der Barnett-Region: Studienergebnisse
In knapp einem Drittel der Proben fanden sich Brom-Verbindungen, die unter Umständen ein Hinweis auf eine Kontamination des Grundwassers durch Fracking sein können. In 10 bzw. 9 Proben waren erhöhte Arsen- bzw. Strontium-Werte festzustellen. Selen wurde in nahezu allen Proben gefunden, allerdings überschritt seine Konzentration nicht den von der EPA empfohlenen Höchstwert. Gegenüber den Ergebnissen einer zwei Jahre älteren Untersuchung4 hatte sich allerdings die Häufigkeit des Auftretens von Selen erhöht. In jener Studie hatten sich dagegen höhere Konzentrationen bei Arsen, Barium, Strontium und Selen gezeigt – vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren rückläufigen Frack-Aktivität in der Barnett-Region könnte der Rückgang dieser Konzentrationen auf einen direkten Zusammenhang mit dem Fracking hindeuten.

Das auffälligste Ergebnis der hier berichteten Untersuchung ist das unerwartet hohe Auftreten der Alkohole Ethanol und Methanol im Grundwasser. Beide Stoffe werden beim Fracking als Gelbildner und Antikorrosiva breit eingesetzt. Methanol wurde in 35, Ethanol in 240 der Proben angetroffen, in Konzentrationen von bis zu 44,6 bzw. 394,2 mg/L. Zwar können beide Alkohole auch in situ, von Bakterien, produziert werden, allerdings nicht in diesen hohen Konzentrationen, wie die Studienautoren feststellen. In vielen Fällen war das Auftreten von Ethanol und Methanol begleitet von der gleichzeitigen Anwesenheit von Propargylalkohol und Isopropylalkohol, beides Substanzen, die beim Fracking zum Einsatz kommen.

Ein weiteres auffälliges Ergebnis war, dass in 122 Proben Dichlormethan (DCM) gefunden wurde, in Konzentrationen, die die EPA-Grenzwert-Empfehlung um das bis zu 580-Fache überstiegen. DCM hat keinen natürlichen Ursprung – außer, wenn chlorhaltige industrielle Lösungsmittel, wie zum Beispiel Chloroform, bakteriell metabolisiert werden. Dazu passt, dass in 330 der Proben Chloroform gefunden wurden; 41 der 122 DCM-positiven Proben enthielten gleichzeitig Chloroform. DCM steht im Verdacht, Krebs zu erzeugen.10

384 der 550 untersuchten Proben enthielten wenigstens einen Stoff aus der BTEX-Familie (Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylole), 10 Proben enthielten alle vier Stoffarten über der Nachweisgrenze. Benzol kann Krebs erzeugen, die anderen drei Mitglieder dieser Familie von flüchtigen Kohlenwasserstoffen können Erkrankungen des zentralen Nervensystems befördern.

Dringend erforderlich: Grundwasseruntersuchungen
Die Studienautoren ziehen aus all dem die Schlussfolgerung, dass ihre Entdeckungen zwar nicht zwingend bedeuteten, dass das Fracking im Barnett-Schiefer die darüber liegenden Grundwasserleiter kontaminiert hat, dass sie aber den Anstoß geben müssten, die Grundwasserqualität besser zu untersuchen und engmaschiger zu beobachten.

In Deutschland, wo vor allem im Norden auch schon Hunderte von Frack-Maßnahmen stattgefunden haben, wird das Grundwasser regelmäßig nicht auf Stoffe untersucht, die mit dem Fracking in Zusammenhang stehen. Theoretisch könnten Stoffe, die die Messparameter der Trinkwasser-Güteprüfungen nicht beeinflussen, unentdeckt bis ins Wasserglas gelangen, das unbedarft ausgetrunken wird.

Vor dem Hintergrund, dass auch in Norddeutschland bereits Tausende Tonnen gefährlicher Chemikalien durch Fracking und die Verklappung des flüssigen Sondermülls aus der Öl- und Gasförderung (mit und ohne Fracking) auf ewig im Untergrund schwimmen, mutet das bisher fehlende Monitoring auf diese gefährlichen Stoffe wie Leichtsinn an oder auch wie billigendes Inkaufnehmen, dass Menschen an Krebs und anderen schweren Krankheiten erkranken und sterben könnten.

Wenn die dringend erforderlichen, bisher aber fehlenden Untersuchungen nachweisen, dass existierende Grundwasserschäden ursächlich durch die Aufsuchung oder Gewinnung von Erdöl/Erdgas bzw. das Verklappen des Flüssigmülls entstanden sind, dann sind solche Bergbaumethoden regelmäßig Verstöße gegen das Verschlechterungsverbot der Wasserrahmenrichtlinie und haben zu unterbleiben.

Im aktuellen Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (Teil des »Fracking-Gesetzes«) wird vorgeschlagen, »die Erlaubnis [für Fracking oder Versenken flüssiger Abfällen darf] nur erteilt werden, wenn eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit nicht zu besorgen ist.« Eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit ist aber immer zu besorgen, wie die oben beschriebenen Forschungsergebnisse erneut zeigen. Solange also auch nur der Hauch einer Besorgnis existiert, dass dieser Bergbau das Grundwasser gefährden könnte, solange darf demnach keine Frack- und keine Versenkmaßnahme mehr zugelassen werden. Bevor eventuell in Deutschland weitergefrackt werden kann, ist eine Bestandsaufnahme dringend geboten. Und dazu reichen die möglichen Auswirkungen der bisherigen Frack-Maßnahmen völlig aus, dazu braucht es auch keine Frack-Maßnahmen »zu Forschungszwecken«, die dazu auch noch vom Steuerzahler finanziert werden sollen.

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  1. Zacariah Louis Hildenbrand , Doug D Carlton , Brian Fontenot , Jesse M. Meik , Jayme Walton , Josh Taylor , Jonathan Thacker , Stephanie Korlie , C. Phillip Shelor , Drew Henderson , Akinde Florence Kadjo , Corey Roelke , Paul F. Hudak , Taylour Burton , Hanadi S. Rifai , and Kevin A. Schug
    A Comprehensive Analysis of Groundwater Quality in The Barnett Shale Region
    Environ. Sci. Technol., Just Accepted Manuscript
    DOI: 10.1021/acs.est.5b01526
    Publication Date (Web): June 16, 2015
    Copyright © 2015 American Chemical Society
    http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/acs.est.5b01526?journalCode=esthag
  2. Jackson, R. B.; Vengosh, A.; Darrah, T. H.; Warner, N. R.; Down, A.; Poreda, R. J.; Osborn, S. G.; Zhao, K.; Karr, J. D., Increased stray gas abundance in a subset of drinking water wells near Marcellus shale gas extraction. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 2013, 110, (28), 11250-5
  3. Osborn, S. G.; Vengosh, A.; Warner, N. R.; Jackson, R. B., Methane contamination of drinking water accompanying gas-well drilling and hydraulic fracturing. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 2011, 108, (20), 8172-6.
  4. Fontenot, B. E.; Hunt, L. R.; Hildenbrand, Z. L.; Carlton, D. D., Jr.; Oka, H.; Walton, J. L.; Hopkins, D.; Osorio, A.; Bjorndal, B.; Hu, Q. H.; Schug, K. A., An evaluation of water quality in private drinking water wells near natural gas extraction sites in the barnett shale formation. Environmental science & technology 2013, 47, (17), 10032-40.
  5. Vidic, R. D.; Brantley, S. L.; Vandenbossche, J. M.; Yoxtheimer, D.; Abad, J. D., Impact of shale gas development on regional water quality. Science 2013, 340, (6134), 1235009.
  6. Ingraffea, A. R.; Wells, M. T.; Santoro, R. L.; Shonkoff, S. B., Assessment and risk analysis of casing and cement impairment in oil and gas wells in Pennsylvania, 2000-2012. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 2014, 111, (30), 10955-60.
  7. Saiers, J. E.; Barth, E., Potential contaminant pathways from hydraulically fractured shale aquifers. Ground water 2012, 50, (6), 826-8; discussion 828-30.
  8. Darrah, T. H.; Vengosh, A.; Jackson, R. B.; Warner, N. R.; Poreda, R. J., Noble gases identify the mechanisms of fugitive gas contamination in drinking-water wells overlying the Marcellus and Barnett Shales. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 2014, 111, (39), 14076-81.
  9. Assessment of the Potential Impacts of Hydraulic Fracturing for Oil and Gas on Drinking Water Resources; Environmental Protection Agency: Washington, DC, May 2015.
  10. ECHA, C&L Inventory dichloromethane, 200-838-9

4 Gedanken zu „Grundwasserschäden durch Fracking sind immer zu besorgen“

  1. Die Autorin schreibt bezüglich Ethanol und Methanol:

    „Beide Stoffe werden beim Fracking als Gelbildner und Antikorrosiva breit eingesetzt. “

    Alkohole als Gelbildner? Da scheint es an chemischen Grundlagen zu mangeln. Alkohole sind Wasserverdünner, aber ganz gewiss keine Gelbildner.

    1. Tja, da hat der Kommentator wohl nicht ausreichend gelesen, was es zu diesen Alkoholen zu lesen gibt. Einfach mal die oben berichtete Arbeit (Hildenbrandt et al. 2015) sorgfältig lesen. Wenn dann Fragen offen bleiben, weiterlesen: EPA 2004 (bei fracfocus.org); Thompson et al. 1991 (Proceedings- SPE Annual Technical Conference and Exhibition); evtl. auch noch Ely et al. 1985 (Stimulation Engineering Handbook) … – und schon sollte sich ihm das Rätsel erschließen – es sei denn, man traut den Aussagen der Experten nicht.

      Es würde dem Kommentator allerdings besser zu Gesicht stehen, das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren bzw. nicht absichtlich davon abzulenken. Es geht hier nicht um das Verhalten einzelner Frack-Chemikalien, sondern um die zu besorgende Verschlechterung des Grundwassers durch Fracking!

      Aber wenn der Kommentator lieber sein Wasser mit Schnaps verdünnen will, um dann ein Haar in der Suppe zu finden – bitte sehr, aber bitte nicht hier.

  2. Es gibt in Niedersachsen seit über 20 Jahren eine sehr gründliche Langzeitstudie, die „Bodendauerbeobachtung“, in die auch Messdaten der Grundwasserbeobachtung einfließen. Wie „zufällig“ macht das ansonsten flächendeckende Programm einen großen Bogen um die Gasregionen. https://www.google.com/maps/d/viewer?mid=zsPLPQ-4vJt8.kiY52_UL10os&msa=0 … unter Federführung des LBEG http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=31402&article_id=108163&_psmand=4

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