Von *A*sbest bis *F*racking: Fortschritt mit schweren Nebenwirkungen

Straße des Fortschritts
Straße des Fortschritts
In einer Reihe mit den extrem gefährlichen Stoffen Asbest, Contergan und Dioxinen steht Fracking im Innovationsbericht des wissenschaftlichen Chefberaters der britischen Regierung, Mark Walport.

Technische Fortschritte, die zu schnell oder ohne ausreichende Kenntnis ihrer negativen Folgen übernommen werden, können schwerwiegende Nebenwirkungen haben, wie die Geschichte vielfach belegt. Andy Stirling, Co-Autor des Innovationsberichts: „Die Geschichte zeigt sehr viele Beispiele für Innovationen, Fortschritt, der sich später als problematisch herausgestellt hat. Zum Beispiel, wenn Asbest, Benzol, Thalidomid (Contergan), Dioxine, Blei im Benzin, viele Pestizide („Pflanzenschutzmittel“), Quecksilber, Chlor und endokrine Disruptoren im Spiel sind, genauso wie fluorierte Kohlenwasserstoffe, stark schwefelhaltige Brennstoffe und fossile Brennstoffe im Allgemeinen…“

History presents plenty of examples of innovation trajectories that later proved to be problematic — for instance involving asbestos, benzene, thalidomide, dioxins, lead in petrol, tobacco, many pesticides (see case study), mercury, chlorine and endocrine-disrupting compounds, as well as CFCs, high-sulphur fuels and fossil fuels in general…
Andy Stirling (Science Policy Research Unit, University of Sussex) in UK Government Office for Science, MAKING CHOICES IN THE FACE OF UNCERTAINTY: STRENGTHENING INNOVATION DEMOCRACY. In: Annual Report of the Government Chief Scientific Adviser 2014. Innovation: Managing Risk, Not Avoiding It. Evidence and Case Studies., Chapt. 4 (2014)

Stirling warnt davor, die Fehler aus der Geschichte zu wiederholen. „In all diesen und vielen weiteren Fällen hat das zu späte (An-)Erkennen schädlicher Auswirkungen schwere Umwelt- und Gesundheitsschäden nach sich gezogen. Und nicht nur das: Auch massive Kosten und eine geschwächte Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und ganzer Volkswirtschaften waren der Preis dafür, zu lange auf dem falschen Pfad fortzuschreiten.“ Innovationen wie das Fracking, das den Fortbestand einer auf fossilen Brennstoffe beruhenden Wirtschaftsweise zementieren, ist ein aktuelles Beispiel für eine gesellschaftlich umstrittene Entwicklung.

In all these and many other cases, delayed recognition of adverse effects incurred not only serious environmental or health impacts, but massive expense and reductions in competitiveness for firms and economies persisting in the wrong path. … innovations reinforcing fossil fuel energy strategies — such as hydraulic fracturing — arguably offer a contemporary prospective example.
A. Stirling, ebenda

Ob quecksilberhaltige Abfälle aus der chemischen Produktion in der Minimata-Bucht und tausende schwer kranker Japaner, ob das bedrohliche Anwachsen des weltweiten radioaktiven Müllgebirges, ob 80000 tote und 20000 schwer missgebildete Babies durch Contergan, ob totes Vieh und rasant zunehmende, schwere chronische bis tödliche Erkrankungen in Gasfördergebieten – stets ist es nicht nur Unwissen und Fortschrittsgläubigkeit, die Gesundheits- und Umweltschäden hervorrufen, sondern blanke Profitgier und das bewusste Festhalten an erwiesenermaßen riskanten Wirtschaftsweisen. Es ist kein Wunder, dass sich auch am Fracking ein gesellschaftlicher Streit entzündet hat, bei dem es nicht um Fortschritt, Wohlstand und Wachstum geht, sondern um den Erhalt einer Umwelt, in der es sich noch halbwegs gesund leben lässt.

In UK, wo Premier David Cameron vollmundig „All out for shale“ ausgerufen hat – Volle Kraft voraus für die Schiefergasförderung – brandet ein sozialer Aufruhr wegen Fracking. Walports Innovationsbericht müsste Cameron einen Dämpfer versetzen, wenn er ernst genommen wird. „Dies ist der Moment, in dem der Kaiser nackt dasteht“, sagte Louise Hutchins von Greenpeace UK lt. The Guardian. „Die Minister sind jetzt gewarnt, dass wir nicht einmal ansatzweise genug Bescheid wissen über all die möglichen Nebenwirkungen des Schiefergas-Fracking, um dieser Industrie zu trauen. Dieser Bericht hat recht, wenn er Bedenken äußert nicht nur über die möglichen Umwelt- und Gesundheitsrisiken, sondern auch über den hohen ökonomischen Einsatz, wenn einer Industrie Vertrauensvorschuss gegeben wird, die sich noch nicht bewährt hat. Die Minister sollten auf den Bericht hören und ihr Vorpreschen zum Schiefergas einem nüchternen Realitätscheck unterziehen.“

Artikel zum aktuellen Innovationsbericht in UK:
The Guardian, 28.11.2015, Fracking risk compared to thalidomide and asbestos in Walport report

Dieser Beitrag erschien zuerst auf gegen-gasbohren.de.