»Fracking würde hier nichts bringen«

Auswahl von Bohrkernen aus dem Reitbrooker Ölfeld
Auswahl von Bohrkernen aus dem Reitbrooker Ölfeld
»Fracking würde hier nichts bringen«, sagte Betriebsleiter Ralf Meyer und hielt einen weißen Bohrkern hoch, den ein langer, millimeterbreiter Riss durchzog. Das weiße Gestein sei Schreibkreide und stamme aus einer der zahlreichen Bohrungen, die im Hutgestein des Reitbrooker Salzdoms niedergebracht wurden, erfuhren Anwohner und Mitglieder der Bürgerinitiative FrackingFreies Hamburg, die am gestrigen Sonnabend zu der Informationsveranstaltung von GdF Suez ins ehemalige Taubenzüchterheim am Allermöher Deich gekommen waren.

Gdf Suez bzw. Engie, wie das Unternehmen sich neuerdings nennt, arbeitet daran, die Ölproduktion im Feld des aufgelassenen Erdgas-Porenspeichers Reitbrook zu erhöhen. Die Frage, ob dabei Fracking zum Einsatz kommen solle, verneinte Meyer mit Verweis auf die schon vorhandenen Risse und Klüfte im Kreidegestein. Die würden verhindern, dass der nötige Frack-Druck entstehen könne, um das Gestein noch weiter aufzusprengen.

Erdölgewinnung in Reitbrook wirtschaftlicher als Gasspeicherung
Nach dem inzwischen vollständigen Ausspeichern des Gasvorrates aus dem ehemaligen Speicher Reitbrook wird jetzt das so genannte Kissengas aus den noch gefüllte Poren des Gesteins ausgespeichert. Etwa 2 Mio. Kubikmeter seien noch im Untergrund, erklärt Meyer, sie gehörten der HanseWerk AG (zuvor: E.ON Hanse AG) und ihre vollständige Rückgewinnung werde noch etwa 3 Jahre in Anspruch nehmen.

Mit dem sinkenden Druck im ehemaligen Porenspeicher, der gleichzeitig Erdöl-Lagerstätte ist, soll das zuvor durch das eingespeicherte Gas verdrängte Erdöl wieder aufsteigen und gewinnbar werden. Aufgrund dieser Annahme rechnet das Unternehmen damit, dass die Pferdekopfpumpen 20.000 Tonnen pro Jahr fördern werden, ohne dass künstlich nachgeholfen werden müsste.

Der Erdgasspeicher, der der GdF Suez-Tochter storengy gehört hatte, war von dem Unternehmen schon länger als unwirtschaftlich angesehen worden. Im Zuge der Erneuerbare-Energien-Gesetzgebung sei der unternehmerische Ertrag auf ein Zehntel des davor geltenden Wertes gesunken, informierte Meyer.

Mit dem Übergang vom Speicher- ins Fördergeschäft habe sich die Belegschaft von zuvor an die 80 Mitarbeiter in Reitbrook auf derzeit knapp 20 dezimiert, war zu erfahren.

Die Erdölförderung würde dem Unternehmen bei einem angenommen Preis von 60 US-Dollar pro Barrel mehr als 10 Mio. US-Dollar Erlös pro Jahr bringen, wenn die geplante Förderrate von jährlich 20.000 Tonnen erreicht wird.

Graph:Historische und zukünftig erwartete Erdöl-Förderraten in Hamburg
Peak Oil in Reitbrook-Alt und -West: Beide Lagerstätten haben ihre Höhepunkte schon lange überschritten.
Tertiäre Fördermaßnahmen anscheinend nicht geplant
Die weiße Kreide im Untergrund ist teilweise ölgetränkt (s. Foto oben). Auf die Frage, ob eventuell tertiäre Förderverfahren wie z. B. Dampffluten geplant werden könnten, um das Öl quasi aus dem Gestein heraus zu waschen, sagte Meyer: »Wir sind ein Tail-end-Betrieb.« Das heißt, die Produktivität der Lagerstätte nimmt stetig ab, bis die Gewinnung irgendwann unwirtschaftlich wird. Mit einer wirtschaftlichen Gewinnung rechne das Unternehmen noch für etwa 10 weitere Jahre, dann sei in Reitbrook Schluss, so Meyer weiter.

Lagerstättenwasseranteil soll zurückgehen
Mit dem Ansteigen des verdrängten Öls zurück in die Lagerstätte soll sich der Wasseranteil im Nassöl verringern. Zurzeit beträgt der Ölanteil im Nassöl ca. 10 Prozent; in einer Weile soll er über 50 Prozent ansteigen.

Das vom Öl abgetrennte Lagerstättenwasser werde in 300-500 Metern Teufe über der Lagerstätte eingepresst, sagte Meyer. Es handele sich dabei im Wesentlichen um Salzwasser. Seine Radioaktivität entspreche der natürlichen Hintergrundstrahlung in der Region, gefährliche Stoffe aus dem Untergrund wie z. B. Schwermetalle, würden am Öl anhaften und nicht am Abwasser. Zumindest bei der radioaktiven Strahlung könnte sich Meyer etwas verschätzt haben: Die Ortdosisleistung liegt in der Region bei 0,08 bis 0,09 µSv/h (Mikrosievert pro Stunde), während Messprotokolle von Reitbrooker Ölschlämmen aus dem Jahr 2010 0,2 bis 0,23 µSv/h belegen.

Die nutzbaren Grundwasserleiter seien absolut geschützt, erklärte Meyer und demonstrierte die Bauweise der Bohrungen, die im oberen Bereich aus drei teleskopartig ineinander gesteckten Rohren bestehen. Die Zwischenräume (Ringräume) seien vollständig mit Zement gefüllt, versicherte Meyer.

Bohrungen sollen zurückgebaut werden
Von den etwas über 70 Bohrungen des ehemaligen Erdgasspeichers sollen ungefähr drei Viertel zurück gebaut werden, sodass dann 15 bis 20 Bohrungen für die Erdölgewinnung übrig bleiben. Die Verfüllung der ersten vier Bohrungen soll Ende Juli 2015 beginnen.