K+S bekommt Besuch von der Kripo: Illegale Abfallbeseitigung?

»Einheitsmännchen« vor der K+S-Zentrale in Kassel
»Grenzen überwinden«. Das Motto des »Einheitsmännchens« hat mit der Thüringer Razzia in Hessen eine wohl ungewollte Symbolik erhalten.
Die thüringische Staatsanwaltschaft und Beamte des Landes- und des Bundeskriminalamtes haben heute Hausdurchsuchungen bei K+S durchgeführt. Sowohl in der Konzernzentrale in Kassel als auch in den Privatwohnungen des Vorstandsvorsitzenden Norbert Steiner und weiterer Manager des Kali- und Salzmonopolisten in Hessen, Thüringen und Rheinland-Pfalz sei nach Unterlagen gesucht worden. Es bestehe der Verdacht, dass das Unternehmen illegal Abfall entsorgt habe. Konkret geht es um 9,5 Millionen Kubikmeter verpresster Salzlauge im Gerstunger Becken, für die möglicherweise keine Zulassung bestanden habe, so eine Sprecherin der Staatswaltschaft Meiningen.

Seit 2008 und danach liegen den Staatsanwaltschaften in Meiningen (Thüringen) und Kassel (Hessen) mehrere Strafanzeigen gegen Manager der K+S und Mitarbeiter der zuständigen Bergbehörden in Thüringen und Hessen vor. Mit den Durchsuchungsmaßnahmen erfährt nun auch die breite Öffentlichkeit, womit sich vielen Jahren mehrere Gemeinden herumplagen: Die zunehmende Versalzung des nutzbaren Grundwassers durch enorme Mengen verpressten Flüssigmülls aus dem hessisch-thüringischen Kali-Revier.

Anfang dieses Jahres waren von der Werra-Weser-Anrainerkonferenz sowie vom BUND Thüringen und dem Verband für Angeln und Naturschutz Thüringen Strafanzeigen gegen K+S sowie den Regierungspräsidenten des Regierungspräsidiums Kassel und den zuständigen Dezernatsleiter gestellt worden. Die Staatsanwaltschaft Kassel ermittle seit Mitte Juni diesen Jahres, wie ein Mitarbeiter der Behörde heute auf Nachfrage sagte. Es ginge um Salzabwässer, die möglicherweise illegal versenkt worden sein sollen, weil eine Nebenbestimmung der wasserrechtlichen Erlaubnis nicht eingehalten worden sein soll. Ermittelt werde gegen Angehörige von K+S. Ob auch gegen Amtsträger ermittelt werde, konnte der Mitarbeiter nicht bestätigen.

Nach Ansicht der Gemeinde Gerstungen ist es offenkundig, dass generell die Versenkung von Kalilauge nicht nur das natürliche Grundwasser schädigt, sondern immer auch die Trinkwasserversorgung gefährdet. Eine inhaltliche Überprüfung bezüglich der Rechtmäßigkeit der erteilten Erlaubnisse erfolgte bisher durch hessische und thüringische Verwaltungsgerichte nicht, bemängelte der Bürgermeister der Gemeinde Gerstungen, Werner Hartung.

Marjana Schott, umwelt- und verbraucherschutzpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag, erklärte, sie gehe weiterhin davon aus, dass auch die durch hessische Behörden aktuell genehmigte Versenkung sowie die im Vier-Phasen-Plan vorgesehene Versenkung bis 2021 gegen europäisches und deutsches Umweltrecht verstoßen. „Dem Regierungspräsidium Kassel und dem Hessischen Umweltministerium sind durch die Expertisen des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie (HLUG) seit Langem bekannt, dass die Versenkung von Salzlaugen zu einer Verschmutzung des Grundwassers führt. Und Verschmutzung von Grundwasser ist strafbar.“, so Schott. „Es ist bizarr, dass Hessens Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) die Schädigung des Grundwassers durch die Versenkung von Salzlauge noch immer leugnet. Anstatt die Genehmigungspraxis des Regierungspräsidiums weiter zu stützen und ihren Vier-Phasen-Plan zu verteidigen, müsste die Ministerin ihr Scheitern endlich eingestehen, die Versenkung sofort stoppen und ihre gesamte K+S-Politik grundlegend neu ausrichten. Wir erwarten, dass nun auch die Staatsanwaltschaft in Kassel die Ermittlungen gegen K+S und hessische Behörden ernsthaft vorantreibt.“

Ob diese Erwartung erfüllt wird, zeichnet sich noch nicht ab. In Wiesbaden zeigte man sich vollkommen überrascht von der Entwicklung. „Der Verdacht der illegalen Abfallentsorgung durch K+S in Thüringen war dem Hessischen Umweltministerium bisher nicht bekannt“, zitierte Kassel Live das Ministerium der verantwortlichen obersten Bergmännin in Hessen, Umweltministerin Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen), heute am späten Nachmittag.

Modell Gerstunger Mulde, Kali-Abwässer
Modell Gerstunger Mulde, Kali-Abwässer
Millionen versenkte Kubikmeter Flüssig-Müll sind längst in den nutzbaren Grundwasserleiter eingedrungen. (Screenshot Modell d. Gem. Gerstungen 2012; Video)