Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat auf Nachfrage von Patrick Breyer (Piratenpartei) eine Liste von 98 Schadensfällen bei der Erdölförderung veröffentlicht, die seit 1965 im nördlichsten Bundesland aktenkundig geworden waren. Obwohl die Liste offenkundig Lücken hat, ist das Ausmaß der Umweltverschmutzungen durch die Erdölförderung in Schleswig-Holstein erschreckend.
Fast 1,5 Mio. Liter ausgelaufenes Nassöl, eine halbe Million Liter ausgelaufenes »Salzwasser« (gemeint ist wohl Lagerstätten- oder produziertes Wasser), des Weiteren 30.000 Liter Sole, eine Viertel Million Liter Rein- oder Mineralöl, auch 7000 Liter Heizöl, die in der Schadensliste dokumentiert sind, haben das Erdreich zwischen Kiel und Heide verunreinigt. Bei einer derartigen Schadensbilanz fallen die ausgelaufenen 350 Liter Bohrspülung an der Mittelplate kaum noch ins Gewicht.
Dabei stellt diese »Liste von Schäden durch Erdölförderung in Schleswig-Holstein« (LT SH Drs. 18/3782) das ganze Ausmaß der Umweltverschmutzung durch die Öl-Industrie nicht einmal vollständig dar. Zum einen werden aus Pressearchiven bzw. von Zeitzeugen bekannte Zwischenfälle, wie bei Kalübbe oder auch im Auenland, nicht in der Liste aufgeführt. Zum anderen weist die Liste, die ab 1965 jährlich 1 bis 13 Vorkommnisse dokumentiert, eine nicht plausible, über 12-jährige Lücke zwischen Oktober 1997 und Januar 2011 auf.
War Fracking im Spiel?
27 Frac-Maßnahmen haben laut LBEG in Schleswig-Holstein stattgefunden, und zwar laut MELUR »zwischen 1955 und 1994 überwiegend im Kreis Plön«. Auch wenn zahlreiche Schadensfälle in Arealen auftraten, in denen gefrackt worden war, hält die Landesregierung einen Zusammenhang offenbar für nicht gegeben. »In Folge von Frac-Behandlungen hat es in Schleswig-Holstein nach Wissen
der Landesregierung keine Schadensfäile gegeben«, heißt es diplomatisch in der Antwort auf die Frage des Abgeordneten Breyer.
Der kommentiert: »Ob mit oder ohne Fracking – die Daten beweisen, dass es bei Erdölförderungen immer wieder zur Verseuchung von Boden, Wasser und Umwelt kommt. Eine unabhängige Kontrolle der Dichtigkeit von Altbohrungen, in denen oftmals giftige Flüssigkeiten versenkt sind, findet nicht statt – das halte ich für grob fahrlässig. Umgekehrt droht die Beschädigung von Altbohrungen, wenn jetzt neue Bohrungen zugelassen werden sollten, und dadurch eine Vergiftung von Wasser und Boden.«
Zudem hat die Fraktion der Piratenpartei einen Entwurf für ein anti-Fracking-Landesgesetz in den Landtag eingebracht. Der sieht laut Breyer »eine Überwachung von Bohrungen auf Kosten der Konzerne und deren verschuldensunabhängige Haftung für Schäden vor. Öl- und Gasförderung und die Verklappung der giftigen Abfälle im Boden gefährden unseren Boden, unser Grundwasser, den Wert unserer Grundstücke. Um den Klimawandel aufzuhalten und auf erneuerbare Energien umzustellen, dürfen wir keine neuen fossilen Vorkommen erschließen, sondern müssen Öl und Gas im Boden lassen.«
Viele neue Bergbaulizenzen lassen nichts Gutes ahnen
Zur der alteingesessenen Ölförderung in der Mittelplate sind in den letzten Jahren zahlreiche neue »Claims« zum Erkunden und Fördern von Öl bzw. Gas zu Schleswig-Holsteins vergebenen Landflächen hinzugekommen. Etwa ein Drittel der Landesfläche war den Suchern nach fossilen Brennstoffen überantwortet. Inzwischen sieht es so aus, als wenn die Ölsucher nicht nur kleinere Brötchen backen wollten, sondern die kimbrische Halbinsel zunehmend uninteressant für die Ölkonzerne würde.
Auf der bergamtlichen Karte zeigt sich das einstige Dickicht der Bergbauberechtigungen deutlich gelichtet. Ob das der zugenommenen Unwirtschaftlichkeit der Ölförderung geschuldet ist oder doch eher mit dem Stillstand bei der deutschen Fracking-Gesetzgebung zu tun hat, muss offen bleiben. Die Einsicht, die unmittelbar aus unzähligen wissenschaftlichen Berechnungen resultiert – den größten Rest von Öl und Gas im Boden lassen, denn ihr Verbrauch würde todsicher die Klimakatastrophe zur Folge haben -, diese Einsicht dürfte noch eine Weile brauchen, bis sie sich in den letzten Winkel der Politik durchgekämpft hat.