Strafbare Verklappung von Müll: Bosse von K+S unter Anklage

Abwasserrohr im Braunkohlerevier Lausitz
»Abwässer« aus dem Bergbau in die freie Natur zu »entsorgen« (hier im Spreewald) ist in Deutschland weit verbreitet. (Symbolfoto)
Anscheinend haben sie in strafbarer Weise Müll beseitigt. Dafür sind am vergangenen Donnerstag etwa 14 Angehörige des Kali- und Salz-Monopolisten K+S, darunter die beiden Top-Manager Norbert Steiner und Ralf Bethke, unter Anklage gestellt worden.

Die thüringische Staatsanwaltschaft Meiningen, die die Anklage erhoben hat, ermittelt darüber hinaus gegen Mitarbeiter der thüringischen Bergbehörde. Eventuell gerät auch noch die hessische Bergbehörde in Kassel ins Visier der Strafverfolgung. Gemein ist ihnen allen, dass sie möglicherweise an erheblichen Umweltstraftaten beteiligt waren bzw. sind, als die unterirdische Verpressung von flüssigem Müll aus der Kaliproduktion bzw. dessen Verklappung in die Werra genehmigt bzw. ausgeführt wurden. Zudem steht der Verdacht im Raum, dass Mitarbeiter von K+S und vom Regierungspräsidium Kassel zusammen Unterlagen frisiert haben, um Tatsachen zu verschleiern, die Genehmigungen entgegen standen.

Diese Anklage könnte ein neues Kapitel in der jahrzehntelangen Geschichte einer ungeheuren und immer noch andauernden Umweltschädigung eröffnen. Die Versalzung von Werra und Weser und von Böden und Grundwasserleitern durch K+S‘ Kali- und Salzproduktion hat bereits Hunderttausende von Hessen/Thüringen bis an die Wesermündung ihrer natürlichen Trinkwasserreservoire beraubt und Flussbiotope, Grundwasserleiter und städtische Infrastrukturen dauerhaft beschädigt

Fast acht Jahre alt ist die Anzeige gegen Unbekannt wegen Gewässerverunreinigung, gestellt vom Gerstunger Bürgermeister Hartung, die den Steiner jetzt ins Rollen brachte. Anfang September letzten Jahres schließlich führte die Staatsanwaltschaft Thüringen eine Razzia in Geschäfts- und Privaträumen von K+S-Mitarbeitern durch und beschlagnahmte Unterlagen. Offenbar hat sich danach der Verdacht einer vorliegenden Straftat gegen die Umwelt so weit erhärtet, dass die Causa vor Gericht gehen soll.
Was im Detail der Grund der Anklage ist., inklusive eines Berichts über zwei sehr erstaunliche Akten-Säuberungsaktionen in der für den hessischen Kali-Bergbau zuständigen Behörde, hat die WirtschaftsWoche in ihrer aktuellen Ausgabe veröffentlicht: »Das steckt hinter der Anklage gegen die K+S-Manager«.

Marjana Schott, umwelt- und verbraucherschutzpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag, nennt diese Verklappung von Salzabwässern »ein Umweltverbrechen«. »Das trifft nicht nur auf die Genehmigung durch Thüringer Behörden zu, die jetzt durch die Staatsanwaltschaft Meiningen strafrechtlich untersucht wird. Das gilt auch für die von dem Hessischen Umweltministerium zu verantwortenden Genehmigungen aus den Jahr 2011 und die aktuelle Übergangsregelung«, sagte sie, als Anklage öffentlich wurde. Die hessische LINKE geht davon aus, »dass auch das Regierungspräsidium Kassel und das Hessische Umweltministerium in die unrechtmäßige Erteilung von Genehmigungen zur Versenkung verstrickt sind.«

Die Aktenmanipulationen in der Kasseler Bergbehörde, die die WirtschaftsWoche am Freitag publik gemacht hat, schienen sich zum Zeitpunkt der Anklageerhebung zwar in der Presse, jedoch nicht bis zur obersten Bergmännin in Hessen und Fachaufsicht des RP Kassel, Umweltministerin Priska Hinz (Grüne), herumgesprochen zu haben. Auch stand Frau Hinz bislang stets hinter ihrer Bergbehörde und unterstützte deren Genehmigungspraktiken in K+S-Angelegenheiten, obwohl die nicht nur von betroffenen Gemeinden, der linken Opposition im hessischen Landtag und Umweltschützern angegriffen wurden, sondern seit einiger Zeit sogar ein EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen Nicht-Einhaltung der Wasserrahmenrichtlinie droht. Frau Hinz konnte sich jedenfalls dem Vernehmen nach noch am letzten Donnerstag nicht vorstellen, dass hessischen Bergbeamten – so wie ihren thüringischen Amtskollegen – Anklagen wegen unrechtmäßiger Genehmigungen für K+S drohen könnten. Dabei gab es schon einmal, und das just auch noch in Hessen, einen Fall, in dem ein Amtsträger als Mittäter an einer illegalen Ablagerung von Müll angeklagt und verurteilt worden war.

Mit den Aktenmanipulationen, so Dr. Walter Hölzel von der WWA e. V., »wäre nicht nur ein hoher Schaden für die klagende Gemeinde Gerstungen entstanden und es wäre nicht nur das Recht gebrochen worden. Die von der Wirtschaftswoche beschriebenen Machen­schaften sind auch geeignet, das Vertrauen der Bürger in das Rechtssystem und in den Staat zu er­schüttern. … Sollten die Vorwürfe zutreffen, stehen Prozessbetrug und mittelbare Falschbeurkundung im Raum.« Die WWA fordert die hessische Landesregierung auf, »zu überprüfen, ob die der K+S Kali GmbH erteilten Genehmigun­gen allein schon deshalb rechtswidrig sind, weil diese Genehmigungen im Hinblick auf die nunmehr bekannt gewordenen Sachverhalte möglicherweise durch Kollusion [Zusammenwirken mit Schädigungsabsicht; cs] erwirkt oder durch unrichtige oder
unvollständige Angaben erschlichen wurden. Solche Genehmigungen wären sofort zu widerrufen.«

Wegen des Verdachts auf Gewässerverunreinigung in einem besonders schweren Fall hatten 2015 außerdem der BUND e. V. Thüringen zusammen mit dem Verband für Angeln und Naturschutz e. V. Thüringen sowie die Werra-Weser-Anrainerkonferenz e. V. bei der hessischen Staatsanwaltschaft Kassel zwei Strafanzeigen erstattet. Sie richteten sich unter anderem gegen Mitarbeiter bei K+S und beim Regierungspräsidium Kassel, der zuständigen hessischen Bergbehörde. Konkret angezeigt waren unter anderem der K+S-Vorstandsvorsitzende Norbert Steiner und des Leiter des RP Kassel, Dr. Walter Lübcke. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauerten allerdings nur wenige Monate, bis sie wegen angeblicher Substanzlosigkeit des Verdachts im November eingestellt wurden. Es »konnte nicht festgestellt werden«, dass der »Tatbestand der Gewässerverunreinigung gemäß § 324 Strafgesetzbuch erfüllt« sei, gab der Kasseler Oberstaatsanwalt Dr. Götz Wied damals auf Nachfrage an, und »Für ein rechtswidriges Zustandekommen dieser Erlaubnis bestehen keine Anhaltpunkte«.

Die hessischen Bergbehörden – RP Kassel und Umweltministerin – und die hessische Staatsanwaltschaft Kassel halten die Genehmigungen für K+S offenbar für nicht anstößig und es entsteht der Eindruck, als solle der Konzern als einer der größten Arbeitgeber in dem Bundesland ungestört so weitermachen können. Der macht auch weiter mit business as usual und plant neue bullet points für die nächste Investorenkonferenz: Zeitgleich mit der aufsehenerrenden Anklage gegen seine Manager verteidigte das Unternehmen im Erörterungstermin seinen Plan zur Erweiterung der Halde Hattorf. Nach Abschluss dieses Planfeststellungsverfahrens will das Unternehmen eine Vergrößerung des »Monte Kali« in Heringen beantragen, weil es auch dort noch mehr umweltschädliche Rückstände aufhäufen will.

Eine ganze neue Halde nebst Einleitung von Salzwasser in die Innerste, ein Nebenfluss der Leine und somit der Weser, will K+S dem niedersächsischen Giesen bescheren. Dort läuft zurzeit das Planfeststellungsverfahren zur Wiederinbetriebnahme des Salzbergwerks Siegfried-Giesen. Beim Erörterungstermin habe das Unternehmen auf keine der über hundert Einwendungen zufriedenstellende Antworten gehabt und sei von der verfahrensführenden Bergbehörde in vielen Fällen aufgefordert worden, Unterlagen nachzureichen, wie Ingo Fietz, Sprecher der lokalen Bürgerinitiative GiesenSchacht e. V., berichtete.

Und auch in Sachsen-Anhalt wächst der Unmut über die Praktiken von K+S und ihrer politischen Beschützer. Im sachsen-anhaltinischen Zielitz, wo K+S den Rohstoff wie überall im verschwenderischen Kammer-Pfeiler-Abbau fördert und die Rückstände auf einer Halde auftürmt statt sie nach Stand der Technik in die Hohlräume unter Tage zurückzubringen, habe sich der Boden bereits um einen halben Meter gesenkt, beklagte Prof. Dr. Claudia Dalbert, umweltpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der Grünen, letzte Woche in einer Mitteilung. Sie fordert die Landesregierung auf, die Versatzpflicht wieder einzuführen. Nur wenn die Rückstände aus der Kaliproduktion unter Tage in die entstandenen Hohlräume versetzt würden, könne die Bodensenkung und damit die drohende Überflutungsgefahr der elbnahen Region verhindert werden. Außerdem könne die Bergsenkung das nutzbare Grundwasser schädigen. »In direkter Nähe befindet sich das Grundwassergewinnungsgebiet in der Colbitz-Letzlinger Heide. Von dort wird die Stadt Magdeburg mit Trinkwasser versorgt. Hier besteht die Gefahr der Grundwasserversalzung«, so Dalbert. Gäbe es die Versatzpflicht, müssten zudem »keine zusätzlichen Halden aufgeschüttet werden und sensible Gebiete wie das Landschaftsschutzgebiet Lindhorst-Ramstedter Forst müssten einer neuen Mega-Halde nicht weichen. Denn dies plant die Firma K+S außerdem, um ihre Abbautätigkeiten abzusichern«, erklärte Dalbert. Den Vorstoß der Landesregierung von Ministerpräsident Haseloff (CDU), den Chlorid-Grenzwert in der Elbe aufzuheben, hält Dalbert für einen Liebesdienst an K+S, denn dann könnte das Unternehmen noch mehr Salzwasser in den zweitlängsten Fluss in Deutschland verklappen.