Mit sehr viel Einfallsreichtum, lautstark, aber auch mit nur stillen Gesten, versammelten sich am 22.03.2014 ca. 3000 Demonstranten in Potsdam gegenüber der Staatskanzlei, die ihrerseits völlig verwaist, verriegelt und verschlossen erschien, so, als ob hier noch nie Politik richtig stattgefunden hätte und zeigten hier ihren Unmut über den derzeitigen Energiewendeverlauf.
Abgesehen von den organisatorischen Leistungen der Veranstalter BUND, BBU, ausgestrahlt, attac, BürgerBegehren Klimaschutz, Erneuerbare Energiewende Jetzt!, NaturFreunde Deutschlands, Robin Wood, UnternehmensGrün und Campact, waren es die Demonstranten selbst, die sodann in Potsdams Innenstadt, von der Staatskanzlei bis zum Landtag und dem Luisenplatz eindrucksvoll für ein Gelingen der Energiewende eintraten.
Wer so viel Herzblut vergießt, der meint es stets ernst. Mit nur geringem Aufwand hätte das auch die brandenburgische Landesregierung mitkriegen können, deren Mitglieder hätten nur die Fenster öffnen und rausgucken müssen. Alle Informationen zum Gelingen der Energiewende lagen gratis sogar mit Volksfestcharakter vor ihren Füßen.
Hier in Potsdam regnete es übrigens, das Wetter war stellenweise sehr unangenehm. Deshalb begegnete man auch oft Demonstranten mit Regenschirmen.
Trotzdem war es eine der größten Demonstrationen, die Potsdam nach der Wendezeit erlebt hat, sagte Axel Kruschat vom BUND am Rande der Demo. Nicht auszudenken, was los gewesen wäre, wenn zudem das Wetter auch noch mitgespielt hätte.
Bundesweit, so berichtete RBB-aktuell, seien zeitgleich 30.000 Menschen in Deutschland für die Energiewenderettung auf die Straße gegangen.
Wenn sich die Vorplätze der Parlamente, wie hier in Potsdam, vor dem neuen Stadtschloss und der Nikolaikirche, mit Menschen füllen, die hinreichend über Sachverstand verfügen, kann das keinesfalls ein gesellschaftspolitischer Nachteil sein. Ganz im Gegenteil: Die Politik ist in Deutschland doch darauf spezialisiert, fortwährend auf Sachverstand zu setzen. Der Weg vom Plenarsaal bis zum Vorplatz ist nicht weit. Dann also los.
Text und Fotos:
Peter Müller-Maas
Mitglied der Bürgerinitiative CO2-Endlager stoppen e.V.
Über die Kohlenwasserstoffproduktion in Brandenburg (kleine Auswahl):
Über 32.500 Menschen demonstrierten gestern bundesweit in Düsseldorf, Kiel, Hannover, Potsdam, Kassel, Wiesbaden, Mainz, Stuttgart, Freiburg, München… für das Vorankommen der Energiewende, für Wind-, Sonnen- und Wasserkraft, gegen Kohle, gegen Fracking von Öl und Gas, gegen den verschleppten Atomausstieg, gegen CCS, für ein weitaus beherzteres Eintreten der Politik gegen den drohenden, verheerenden Klimawandel.
Überall waren auch die markanten roten Hände der Fracking-Gegner zu sehen. Vertreter der anti-Fracking-Bewegung hielten gepfefferte Reden und bliesen Politik wie Industrie den Marsch. Bernd Ebeling von der BI Uelzen stand in Hannover auf dem Podium und ging mit Politik und Behörden hart ins Gericht. Den Konzernen rief er zu: „Exxon Mobil, RWE und Co. Hört genau zu. Wir werden es nicht hinnehmen, dass Ihr geldgeilen Konzerne unsere Umwelt verschandelt.“
Bundesweit brachten Fracking-Gegner erneut die Forderungen der Korbacher Resolution vor. So auch Bernd Ebeling, der damit seine Rede abschloss:
Folgende Forderungen richten wir an Bund, Länder und die Europäische Union:
Ein sofortiges ausnahmsloses Verbot sämtlicher Formen von Fracking bei der Erforschung, Aufsuchung und Gewinnung fossiler Energieträger. Dies ist unabhängig davon, ob die Rissbildung mit oder ohne den Einsatz giftiger Chemikalien, hydraulisch oder andersartig erzeugt wird.
Ein generelles Import- und Handelsverbot von „gefrackten“ fossilen Energieträgern.
Ein generelles Verbot der Verpressung von Lagerstättenwasser.
Eine Novellierung des Bergrechts. Die höchsten Umweltstandards und Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit haben im Fokus der Novellierung zu stehen.
Ein konsequentes Umsetzen der politisch beschlossenen Energiewende, d.h. Abkehr von fossilen Brennstoffen, Ausbau der erneuerbaren Energien und Steigerung der Energieeffizienz.
Grüne Propaganda für „konventionelles Fracking“
Wie viele großartige Aktionen hatte auch die Rettet-die-Energiewende-Demo in Hannover Trittbrettfahrer. Hier Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen, die das Event nutzten und versuchten, die neueste Regierungslinie vom „konventionellen Fracking“ zu vermarkten. Sie verteilten die nebenstehend abgebildeten Flugblätter.
Als Erstes liest man dort, dass beim Fracking Risse in Poren erzeugt werden. Eine niedliche Erklärung dafür, dass beim Fracking großvolumig feste Gesteinsformationen zerbröselt werden. Sodann wird der verwunderte Leser darüber aufgeklärt, dass es „konventionelles Fracking“ geben soll. Das ist sonderbar, da bis vor Kurzem „Fracking“ niemals mit „konventionell“, sondern immer mit „unkonventionell“ gleichgesetzt wurde. Die Industrie tut das auch nach wie vor: ExxonMobil z. B. bringt bis heute die althergebrachte, geowissenschaftliche Definition.
Offenbar macht es einigen Niedersachsen Angst, dass die bisherige Förderung von tight gas in ihrem Land in Verruf geraten ist. Sie funktioniert ohne Fracking nämlich nicht. Darum hat der Thinktank der beiden hannöverschen Grünen- und SPD-geführten Ministerien und des LBEG den Angstbegriff „unkonventionell“ kurzerhand umdefiniert und will ihn fortan nur auf Lagerstätten in Schiefer und Tongesteinen verwendet wissen.
Und jetzt gehen die Grünen-Vertreter mit dieser Botschaft auf die Öffentlichkeit los: „Im Bereich der konventionellen Erdgasförderung … wird Fracking ebenfalls eingesetzt… Die Fracks werden zur „hydraulischen Stimulation“ verwendet, um die zur Neige gehenden Vorräte besser erschließen zu können.“
„Stimulation“ klingt zwar geradezu erotisch, dennoch geht es um nichts anderes als high volume high pressure fracturing, vulgo: total unerotisches Fracking. Offenkundig eine sprachakrobatische Liebesgabe der niedersächsischen Minister Lies und Wenzel an die Gasindustrie, mit denen sie Fracking in Niedersachsen salonfähig machen wollen.
Auch die Ausführungen zur rechtlichen Lage, die den Grünen Adlaten mitgegeben wurden, erstaunen den geneigten Leser. Da heißt es: „Anträge zur Erdgasförderung müssen nach dem Bundesberggesetz genehmigt werden. … Das Land kann Fracking nach der geltenden Rechtslage nicht verbieten … Das Umwelt- und das Wirtschaftministerium arbeiten jedoch an Maßnahmen, um trotz der schwierigen Rechtslage dem unkontrollierten Einsatz von Fracking Einhalt zu gebieten.“
Wäre es richtig, was dort behauptet wird, dann könnte das Landesbergamt als Genehmigungsbehörde sofort abgeschafft und jegliche Anträge zur Gasförderung könnten vom Pförtner des Wirtschaftsministeriums positiv beschieden werden.
Es stünde den niedersächsischen Grünen gut zu Gesicht, zunächst einmal zu verstehen, was sie da sagen. Keineswegs müssen Anträge zur Erdgasförderung ausnahmslos genehmigt werden. Das vielgescholtene Bundesberggesetz hat da so einige Regeln, die dem entgegenstehen. Diese Regeln kommen sogar gelegentlich zur Anwendung, wie das Beispiel in Nordhessen zeigt: Dort wurde eine Erlaubnis zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen mittels Fracking versagt. Es gibt zu denken, dass diese Versagung nicht von einer Grünen Ministerin verfügt wurde.
Zu Tage Gefördertes aus dem Untergrund, den Behörden und der Politik