Nach der Protestaktion in Hannover übergaben Fracking-Kritiker gestern in Hamburg auch der deutschen Exxon-Zentrale ihren Appell, die Finger vom Fracking zu lassen. Exxon gab sich zunächst schüchtern, nahm dann aber die von mittlerweile 28.413 Mitzeichnungen gestützte Petition doch in Empfang. Der Bundesverband der Fracking-Industrie reagierte indes betont gelangweilt – Zeichen einer zunehmenden Nervosität?
ExxonMobil habe es zunächst abgelehnt, mit den Demonstranten überhaupt in Kontakt zu treten, so Linda Neddermann, Campaignerin bei CAMPACT, in ihrem Bericht. Erst nachdem die rund 70 Demonstranten rund um die riesige Bohrturm-Attrappe von CAMPACT laut geworden waren mit ihren andauernden Rufen »Fracking Nein – Lasst das sein!«, habe der Konzern den Organisatoren durch die Polizei mitteilen lassen, dass man eine kleine Delegation empfange. Offenkundig scheute das Unternehmen den spontanen, zumal nicht von ihm selbst gesteuerten Dialog mit Fracking-Kritikern.
Diese hatten jede Menge Argumente dabei, die Fracking wegen seiner Risiken, Gefahren und Gefährdungen in Frage stellen. Teilnehmer aus dem Rotenburger Raum, einem der Schwerpunkte bisheriger und eventueller zukünftiger Frac-Aktivitäten, prangerten erneut tatsächliche und mögliche Folgen der gefährlichen Technik an. Insbesondere die auffällig hohen Krebsraten, als deren Ursache die Erdgasförderung zumindest nahe liegt, wurden erneut ins Feld geführt.
Renate Maaß von der Buchholzer Bürgerinitiative »Kein Fracking in der Heide« wies auf brandneue wissenschaftliche Ergebnisse hin, nach denen durch Fracking diverse neue Stoffe entstehen können, die äußerst umwelt- bzw. gesundheitsgefährlich sind.
Werner Diedrichs von der Hamburger Bürgerinitiative »FrackingFreies Hamburg« beklagte die mangelnde Sensibilität der Politik, besonders des Hamburger Senats, angemessen auf die Problematik zu reagieren und Hamburg ausdrücklich zur Fracking-freien Zone auszurufen. Die beiden GroKo-Bundestagsabgeordneten aus dem Hamburger Wahlkreis, der potentiell von Fracking betroffen ist, Dr. Herlind Gundelach (CDU) und Metin Hakverdi (SPD), hatten Ende Juni 2016 für das »Fracking-Gesetz« gestimmt, statt es abzulehnen.
Während ExxonMobil die gestrige Kundgebung nicht öffentlich kommentierte, fühlte sich der Bundesverband der Öl- und Gasindustrie BVEG bemüßigt, einen gelangweilt wirkenden Kommentar abzugeben. CAMPACT habe in Hamburg lediglich einen zweiten Aufguss der Demonstration in Hannover präsentiert, eine Aktion ohne Neuigkeitswert, heißt es auf der Verbandswebsite. Die Intention sei, Ängste zu schüren. Erneut unterstellt der BVEG den Fracking-Kritikern Unsachlichkeit und Emotionalität.
Die Taktik ist klar. Ernstzunehmender Kritik und der Drohung, damit nicht locker zu lassen, werden manipulative Konter entgegengesetzt. Dann kann man darüber hinwegtäuschen, dass man sich nicht tatsächlich auf der Sachebene mit den vorgebrachten Argumenten auseinandersetzen will.
Denn eine solche Sach-Diskussion dürfte für die Industrie negativ ausgehen: Immer mehr Verdachtsmomente wurden in den letzten Monaten und Jahren durch klare Untersuchungsergebnisse zu Tatsachen. Seien es gefährliche chemische Transformationsprodukte aus dem Untergrund, sei es der Ausstoß von Klimagasen, der viel höher ist als lange gedacht, sei es die drohende Kontamination nutzbaren Grundwassers durch streunendes Gas (und Chemikalien?) im Untergrund, sei es das inzwischen vielfach nachgewiesene steigende Erkrankungsrisiko im Umkreis von Frac-Bohrungen – um nur einige Beispiele zu nennen.
Nach dem Motto »Steter Tropfen höhlt den Stein« hat CAMPACT bereits Wiederholungen der Aktionen in Hannover und Hamburg angekündigt. Als Nächstes können sich Wintershall in Diepholz und die Behörde des niedersächsischen Wirtschaftsministers Olaf Lies (SPD) auf eine Begegnung mit Menschen vorbereiten, die nach einer jüngeren Meinungsumfrage 80 Prozent der Bevölkerung in Deutschland vertreten.