Hamburg immer mehr von Fracking-Feldern umzingelt

Erlaubnisfelder zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen rund um Hamburg (rot: Erlaubnisfelder; blau: Einzugsgebiete zur Trinkwassergewinnung) Erlaubnisfelder zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen rund um Hamburg (rot: Erlaubnisfelder; blau: Einzugsgebiete zur Trinkwassergewinnung) Genauer Feldumriss Leezen ist noch nicht bekannt
Erlaubnisfelder zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen rund um Hamburg (rot: Erlaubnisfelder; blau: Einzugsgebiete zur Trinkwassergewinnung)
Erlaubnisfelder zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen rund um Hamburg
(rot: Erlaubnisfelder; blau: Einzugsgebiete zur Trinkwassergewinnung)
Genauer Feldumriss Leezen ist noch nicht bekannt

Aufsuchungserlaubnis Leezen beantragt
Zunehmende Bedrohung der Trinkwasserressourcen

Im Nordosten von Hamburg ist ein weiteres Feld »zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen zu gewerblichen Zwecken« beantragt worden – das Feld Leezen. Dies berichteten die Lübecker Nachrichten am vergangenen Dienstag. Das norwegische Ein-Mann-Unternehmen Central Anglia SA möchte hier förderbares Erdöl bzw. Erdgas aufsuchen und natürlich auch gern finden. Das Erlaubnisfeld Leezen reicht laut der Zeitung von Malente und Plön im Norden bis nach Bad Oldesloe, Bargfeld-Stegen und Bargteheide in der südlichsten Ausdehnung, also bis an die nördliche Stadtgrenze von Hamburg heran.

Sollte die Erlaubnis Leezen erteilt werden, schließt sich der Kordon der Aufsuchungsgebiete um Hamburg weiter. Alle Erlaubnisfelder in und um Hamburg – die bereits erteilten wie auch das beantragte Feld Leezen – überdecken Grundwassereinzugsgebiete der Hamburger Wasserwerke (s. Karte). Die beantragte Erlaubnis Leezen berührt die Grundwassereinzugsgebiete der Wasserwerke Schnelsen, Langenhorn und Walddörfer unmittelbar. Genauso realistisch, wie davon auszugehen ist, dass die Unternehmen gefundenes Öl oder Gas auch mit Hilfe von Fracking fördern wollen, ist davon auszugehen, dass Hamburgs Grundwasservorräte von den Gefahren des Fracking bedroht sind.

Von der Besorgnis um den Trinkwasserschutz hat sich das entscheidende LBEG (Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Hannover/Clausthal-Zellerfeld und bergrechtliche Zulassungsbehörde für Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein) allerdings schon in der Vergangenheit nicht sonderlich beeindruckt gezeigt. So sind rund um Hamburg bereits die Erlaubnisfelder Elmshorn, Bramstedt, Schwarzenbek, Lüneburg und Oldendorf sowie Vierlande innerhalb Hamburgs an Ölkonzerne und kleinere Unternehmen vergeben worden. Und dies, obwohl aus den Anträgen deutlich hervorgeht, dass die Unternehmen nach Öl bzw. Gas suchen, das unter Umständen nur mit Fracking gewonnen werden kann. Dass Fracking die unterirdischen Gewässer unkontrollierbaren oder unbeherrschbaren Gefahren aussetzt, haben Fachleute unabhängig von ihrer Interessenlage zuletzt im Gutachten des Umweltbundesamtes zugegeben.

Jetzt hat die bergrechtlich vorschriebene Behördenbeteiligung auf dem prospektiven Erlaubnisfeld Leezen begonnen. Kreise, Ämter und Gemeinden haben jetzt Gelegenheit, zu dem Aufsuchungsantrag Stellung zu nehmen und entgegenstehende öffentliche Interessen geltend zu machen. Diese Behördenbeteiligung, vom Bundesberggesetz vorgeschrieben, wird in Schleswig-Holstein erstmalig in dieser Form durchgeführt. Bislang wurden bergrechtliche Erlaubnisse im nördlichsten Bundesland ohne Gemeindebeteiligung erteilt, solange, bis Umweltminister Habeck nach monatelangem öffentlichen Druck im Januar 2014 das LBEG per Erlass angewiesen hat, die Gemeinden zu beteiligen.

Die Grundlage, auf der Ämter und Gemeinden jetzt Stellung nehmen sollen, ist allerdings mager. Sie haben lediglich ein vom LBEG verfasstes, eineinhalbseitiges Kurzreferat, aber nicht die vollständigen Antragsunterlagen erhalten. Aus dem Kurzreferat geht nicht hervor, was das Unternehmen im Einzelnen plant. Vielmehr informiert das LBEG darin, dass mit der Erlaubnis lediglich Schreibtischarbeiten gestattet wären und für tatsächliche Arbeiten Betriebsplanzulassungen erforderlich seien. Damit suggeriert das LBEG, dass die Erteilung der Erlaubnis Leezen keinerlei Folgen hätte – wie beispielsweise das Risiko, dass eines Tages im Feld Leezen gefrackt wird. Dass eine einmal erteilte Erlaubnis eine Rechtsposition für das Unternehmen darstellt, auf deren Grundlage es berechtigterweise davon ausgehen kann, dass ihm schon bekannte entgegenstehende öffentliche Interessen in einem späteren Betriebsplanzulassungsverfahren nicht mehr in die Quere kommen können – welche Gemeindeverwaltung kann das schon ahnen?

… Anträge wie gewohnt mit dem Ziel der Zulassung bearbeiten…

Auszug aus der Erlaubnisakte Bramstedt
Die Verfahrensakte Bramstedt belegt die vorbildlich sachgerechte und ergebnisoffene Herangehensweise der Bergbehörde.
Die Antragsunterlagen für die Erlaubnis Leezen, die das norwegische Ein-Mann-Unternehmen Central Anglia SA beim LBEG eingereicht hat, sind noch nicht öffentlich einsehbar. Im laufenden Zulassungsverfahren werden sie sogar so geheim gehalten, dass nicht einmal die Behörden, die Stellung nehmen sollen, sie bisher einsehen konnten. So soll es offenbar wieder der Eigenregie des LBEG überlassen bleiben, ob und wie es dem Antrag stattgibt. Die Erfahrung, die sich aus inzwischen offengelegten Akten aus früheren Verfahren ergibt, lässt nichts Gutes ahnen. So ist das Prinzip der ergebnisoffenen Prüfung dem LBEG offenkundig fremd. Zu mehreren Erlaubnisanträgen, die eindeutig auf Fracking abzielen, äußerte das LBEG wörtlich (Bsp. Erlaubnisakte Bramstedt): »… dass es sich … um „konventionelle“ Anträge handelt, die wie gewohnt mit dem Ziel der Zulassung bearbeitet werden können.«

Wenn es im beantragten Aufsuchungsgebiet Areale gibt, in denen es nicht gestattet werden kann, dass dort z. B. seismische Tests durchgeführt werden, Straßen und Betriebsplätze gebaut, erhöhter LKW-Verkehr auftritt, tief gebohrt oder gefrackt wird, dann steht das alles dem Vorhaben entgegen. Das LBEG, das das Erlaubnisverfahren im Auftrag von Schleswig-Holstein durchführt, hat solche entgegenstehenden öffentlichen Interessen zu berücksichtigen und die Erlaubnis ggf. zu versagen. Entgegen der Behauptung von LBEG und grünen Umweltministern in verschiedenen Bundesländern gibt es keine Zulassungspflicht für Erlaubnisanträge. Diese können nicht nur, sie müssen sogar u. a. dann versagt werden, wenn das entgegenstehende öffentliche Interesse der Erlaubniserteilung entgegensteht. Das beste Beispiel dafür ist in Hessen zu finden, wo die Erlaubnis für das Feld Adler South Anfang Juni 2013 versagt wurde – wegen überwiegender entgegenstehender öffentlicher Interessen.

Doch trotz der vorgebrachten, teilweise massiven Bedenken und trotz der weiträumig nachgewiesenen, entgegenstehenden öffentlichen Interessen aufgrund Gewässerschutz, Naturschutz, konkurrierender Raumplanung und dergleichen mehr hat das LBEG, mit Rückendeckung des grün regierten MELUR, in den vergangenen eineinhalb Jahren mehr als 13 solcher Bergbauberechtigungen in Schleswig-Holstein erteilt, die Fracking ausdrücklich oder unausgesprochen beinhalten.

Erlaubnis Leezen – Lizenz zum Zocken?

Es wird öffentlich bezweifelt, dass das Unternehmen Central Anglia SA finanziell überhaupt in der Lage ist, wie beantragt Bodenschätze wie Erdöl oder Erdgas mittels Tiefbohrungen erfolgreich zu gewinnen. Das Unternehmen ist in Norwegen ansässig und besteht aus genau einem Mitarbeiter. Die Kapitaleinlage beträgt 110000 norwegische Kronen, umgerechnet rund 13353,59 Euro. Vier Anteilseigner hat das Unternehmen; Dammholm Energy (Inhaber Prof. Dr. Reinhard Gast) ist mit 40 % Anteil der größte Anteilseigner.

Allein die im Antrag Leezen beschriebene Tiefbohrung soll 10 Mio Euro kosten, schrieben die Lübecker Nachrichten. Wie Central Anglia SA diese Ausgaben bewältigen will, ist unklar. Möglicherweise fühlt sich das Unternehmen durch einen früheren „Erfolg“ bestärkt: Das Unternehmen erhielt bereits im Dezember 2013 vom LBEG und vom Umweltminister Habeck grünes Licht für in ähnliches Vorhaben, nämlich die Erlaubnis Sterup. Auf die Frage eines Bürgers bei einer Informationsveranstaltung in Sterup, wie das Unternehmen denn die teure Aufsuchung bezahlen wolle, hatte es geheißen, dass jetzt erstmal Investitionen eingeworben werden sollen.

Für Fälle von Unzuverlässigkeit oder Unzulänglichkeit des Bergbauunternehmens hält das Bundesberggesetz den § 11 Nr. 7 bereit: „Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn … der Antragsteller nicht glaubhaft macht, daß die für eine ordnungsgemäße Aufsuchung … erforderlichen Mittel aufgebracht werden können“.

Die zuständigen Bergbehörden pflegen auch hier gelegentlich eine eigenwillige Rechtsauffassung. Sie äußert sich nicht nur im Fall Sterup und eventuell im Fall Leezen, sondern sie war auch schon im Fall Oldendorf zu registrieren. Und im Süden der Republik, in Baden-Württemberg: Dort hatte ein ähnlich schlecht ausgestattetes Unternehmen (3Legs Resources) zwei große Erlaubnisgebiete unmittelbar nach Erhalt der Erlaubnisse an ein anderes Unternehmen verschachert – mit erheblichem Gewinn.

Kleinstaaterei im 3. Jahrtausend
Hamburg wurde noch nie und hat sich noch nie an Fracking-Erlaubnisverfahren beteiligt, die in seinen Nachbarländern liefen. Zu den Erlaubnissen, die in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen erteilt wurden und die die Hamburger Grundwasservorräte tangieren, hat Hamburg keine Stellung genommen. Was auf internationaler Ebene seit Etablierung der Arhus-Konvention und des Espoo-Abkommens gelebte Verwaltungspraxis ist – nämlich, die Nachbarländer an Entscheidungen über Großprojekte zu beteiligen -, das funktioniert zwischen deutschen Bundesländern bis heute nicht.

Deutschland ist aufgrund des Espoo-Abkommens an der niederländischen Umweltverträglichkeitsplanung zu deren »Struktuurvision Schaliegas« (Fracking in Schiefergaslagerstätten) beteiligt worden. Innerhalb Deutschlands oder auch innerhalb der Metropolregion Hamburg mit all ihren raumplanerischen Regelungen ist eine solche Beteiligung nicht vorgesehen – nicht einmal dann, wenn die Lebensgrundlage Nr. 1, das Wasser, betroffen ist. So ist es wieder einmal an den Bürgern, die Politik hier aufzurütteln und das Trinkwasser zu schützen.

Bald lückenlose Umzingelung Hamburgs?
In den Bereichen Ahrensburg/Ratzeburg/Lübeck im Osten und Stade/Bremerhaven/Buxtehude im Südwesten von Hamburg hat der Gürtel des Frackings noch Lücken. Ob auch dort Erlaubnisse beantragt sind, mochte das LBEG auf Nachfrage weder mit Ja noch mit Nein beantworten. „Aus Datenschutzgründen“, wie es hieß.

[Dieser Beitrag erschien zuerst auf vierlaender.de.]