Europäische Wasserrahmenrichtlinie wird konsequent durchgesetzt – in Spanien
Die Rückstandshalden von Kali- und Salz-Bergwerken sind illegal. Das verlautbarte heute die Werra-Weser Anrainerkonferenz e. V. in einer Pressemitteilung und wies damit auf die konsequente Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in Spanien hin. Dort hat der oberste Gerichtshof Kataloniens in letzter Instanz erklärt, dass die Aufhaldung von Rückstandssalzen durch den spanischen Kalihersteller Iberpotash illegal war, und die erteilten Genehmigungen widerrufen. Gegen Deutschland läuft bereits seit 2012 ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission wegen der Versalzung von Grund- und Oberflächengewässern u. a. durch Salzhalden – was die hiesigen Behörden allerdings nicht davon abhält, Zulassungen neuer oder erweiterter Halden bzw. die Abdeckung alter Halden mit belasteten Böden und Bauschutt zu prüfen oder zuzulassen.
Inzwischen erhöht die EU-Kommission den Druck auf die spanische Regierung, weil sie Zweifel hat, dass die nötigen Maßnahmen unternommen werden, um die Verletzung der Wasserrahmenrichtlinie zu beenden.
Die Iberpotash S.A. hatte im katalonischen Kalirevier mehrere Halden für Rückstandssalze angelegt. Weil deren Abwässer nun das Grundwasser und den Rio Llobregat versalzen und die Trinkwasserversorgung der Stadt Barcelona bedrohen, haben Anwohner und Naturschutzverbände mehrere Urteile gegen diesen Entsorgungsweg erwirkt. Die Richter forderten daraufhin die Behörden auf, die Salzaufhaldung zu untersagen und den Rückbau der Halden sowie die Sanierung der Aufstandsflächen anzuordnen. Darüber hinaus wurde gegen zwei Manager von Iberpotash sowie drei Behördenmitarbeiter, die für den Betrieb der Halden mitverantwortlich waren, wegen Umweltstraftaten Anklage erhoben.
Weil die Behörden die Urteile nicht umsetzten, war ihnen in der spanischen Presse „institutionelle Kumpanei“ mir dem Kalihersteller vorgeworfen worden. Sie reagierten erst, als die EU-Kommission 2014 mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof drohte. Nach Ansicht der Kommission sind die Kaliabwässer schädlich für die menschliche Gesundheit und das Grundwasser. Iberpotash muss die Salzaufhaldung bis 2017 einstellen und die Halden zurückbauen.
Das Unternehmen will dazu zwei Vakuumkristallisationsanlegen errichten und 2016 bzw. 2018 in Betrieb nehmen. Damit sollen Wertstoffe – jährlich 50.000 Tonnen Kaliumchloriddünger und 1,5 Mio. Tonnen hochreines Kochsalz für Industriezwecke – aus den Rückstandshalden gewonnen werden. Die Salzhalden sollen dadurch in 25 Jahren komplett zurückgebaut sein.
Ist Spanien europäischer als Deutschland?
K+S, der Kali- und Salz-Monopolist in Deutschland, hat in dem so genannten »Vierphasenplan« angekündigt, einen kleinen Teil seiner Abwässer aus dem hessischen Revier mit einer so genannten »KKF-Anlage« aufbereiten zu wollen. Die Anlage soll aber nicht dazu dienen, den Hauptbestandteil der Rückstände, nämlich Kochsalz, als hochreines Industriesalz abzuscheiden. Deshalb müsste das Unternehmen, allein bedingt durch die Abwässer, jährlich mehr als 2 Mio. Tonnen an verunreinigtem Kochsalz an die Umwelt abstoßen.
Die Methode, die in Spanien angewendet wird und zeigt, dass die Kali- und Salzproduktion auch ohne die Errichtung von Halden wirtschaftlich machbar ist, nimmt K+S – genau wie bestimmte Politiker und zuständige Behörden – offenbar nicht ernst. Aktuell hat K+S eine massive Erweiterung der Halde Hattorf beantragt. Und in Kürze will das Unternehmen dann auch eine Erweiterung des »Monte Kali« bei Heringen beantragen.
In Niedersachsen will K+S das so genannte Reserve-Bergwerk Siegfried-Giesen wieder in Betrieb nehmen und hat dafür im Februar des Jahres den Antrag gestellt. Im Zuge dessen soll bei Giesen, Lk. Hildesheim, eine zweite Rückstandshalde errichtet werden, was zu heftigem Widerstand von Anwohnern und Umweltschützern führt. Im derzeit laufenden Planfeststellungsverfahren sind derart viele Einwendungen erhoben worden, dass die verfahrensführende Behörde LBEG den für Ende September geplanten Erörterungstermin verschieben musste. Gleichwohl beharrt Niedersachsens oberster Bergmann, der Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), auf der zweiten Halde in Giesen, weil sonst angeblich Arbeitsplätze in Gefahr seien. In Gefahr wäre allerdings der Maximalgewinn für K+S und seine Aktionäre, wenn sie auf die billige Variante der Rückstandsentsorgung verzichten müssten.
Ohnehin hat Niedersachsen enorme Ewigkeitslasten in Form von alten Rückstandshalden. Die stehen teilweise schon über hundert Jahre in der Landschaft und geben seitdem Salze in den Untergrund und das Grundwasser ab, versalzen Vorfluter und Flüsse und verschlechtern Ackerböden. Die beiden Alt-Halden des Bergwerks »Niedersachsen-Riedel« (bei Wathlingen/Hänigsen, Lk. Celle), gehören zu den zahlreichen Beispielen im Hannöverschen Revier, wie hierzulande mit diesen umweltschädlichen Altlasten umgegangen wird. Auf der 83 oder 110 Meter hohen Halde sollen noch rund 22 Mio. Tonnen Rückstände liegen. Niederschlagswasser, das jetzt ein neu hergestellter Ringgraben auffängt, wird – wie bei vielen aufgelassenen Salzbergwerken – zur Flutung der noch offenen Stollen verwendet. Der darin abgelagerte Müll – in Wathlingen Rüstungsaltlasten, darunter mehr Arsen, als es bräuchte, um die gesamte Erdbevölkerung zu töten, und Rauchgas-Rückstände aus der Müllverbrennung, oder radioaktive Flüssigkeiten aus der Asse in der nahe gelegenen Grube Marienglück bei Höfer, Lk. Celle -, der sich durch die Flutungen ausbreiten und gefährlich werden könnte, scheint dem verantwortlichen Unternehmen wie den Genehmigungsbehörden kein Kopfzerbrechen zu bereiten.
Dass bei der Wathlinger Halde auch ein »Versickern von Haldenwasser derzeit nicht vollständig ausgeschlossen werden kann«, hatte LBEG-Sprecher Andreas Beuge auf Nachfrage der Celleschen Zeitung eingeräumt. Jetzt, nach Jahren des Hinhaltens, soll das Aussalzen angeblich beendet und die Halde abgedeckt werden – anscheinend mit Bauschutt der Klasse Z2 und quecksilber- und cadmiumbelasteten Böden.
Kritiker dieser Methode haben allerdings längst nachgewiesen, dass eine Abdeckung die Standzeit der Halden nur verlängert, die Auswaschung von Salzen in den Untergrund nur verlangsamt, aber nicht verhindert. Zudem muss davon ausgegangen werden, dass eine Abdeckung mit kontaminierten Böden und Bauschutt den Austrag von Schadstoffen in die Umwelt erhöht.
Ob derartige Verfahren mit dem Verschlechterungsverbot der europäischen Wasserrahmenrichtlinie vereinbar sind, muss bezweifelt werden. Laut EU-Kommission sind bereits die Salzhalden an sich illegal – jedenfalls in Spanien. Die billige Entsorgung von Problemstoffen als Haldenabdeckung könnte zusätzlich dem Schutzziel der Wasserrahmenrichtlinie entgegenstehen. Jedenfalls auch in Deutschland. Alles andere müsste jedem denkenden Menschen eigentlich spanisch vorkommen.