Ausdehnung von Flüssig-Abfall im Untergrund führt zu ausgedehnten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen
Die Durchsuchung von Geschäfts- und Privaträumen der K+S AG Anfang September durch die thüringer Staatsanwaltschaft wegen möglicher illegaler Abfallentsorgung im Untergrund schlug bereits hohe Wellen. Jetzt haben die Ermittler des Freistaats Thüringen ihre Untersuchungen auf hessisches Gebiet ausgedehnt, wie Der Spiegel berichtete. Es sei nicht auszuschließen, heißt es, dass die Abfälle aus der Kali- und Salzgewinnung, die K+S auch im hessischen Philippstal, unweit der Grenze zu Thüringen, verpresst, unterirdisch ihren Weg nach Thüringen finden und dort Trinkwassergewinnung und Kläranlagen gefährden.
Die Werra-Weser-Anrainerkonferenz e. V. begrüßt die Ausdehnung der Ermittlungen der thüringer Staatsanwaltschaft. Dabei prangert sie ein weiteres Mal die Genehmigungspraxis insbesondere der hessischen Behörden und die Politik der grünen Umweltministerin an, weil sie nach ihrer Auffassung permanent gegen nationale und europäische wasserrechtliche Vorschriften verstoßen.
Der Vorsitzende der Werra-Weser-Anrainerkonferenz e. V., Dr. Walter Hölzel, ist zufrieden, dass Thüringen »keine halben Sachen mit der Lauge« macht. »Die Werra-Weser-Anrainerkonferenz (WWA) begrüßt, dass die Thüringischen Strafverfolgungsbehörden nun auch wegen der K+S-Entsorgungsaktivitäten in Hessen ermitteln. Damit scheint eher sicher gestellt zu sein, dass gegen eventuelle Gesetzesverstöße des Düngemittelherstellers und der Genehmigungsbehörden vorgegangen wird«, teilte Hölzel heute der Presse mit.
Thüringer Staatsanwaltschaft dehnt Ermittlungen auf hessisches Gebiet aus
Bisher war nur bekannt, dass wegen der Laugenverpressung in der Gerstunger Mulde, also auf thüringischem Gebiet ermittelt wird. Auslöser war der Verdacht, dass die von den Behörden des Freistaates erteilte Erlaubnis rechtswidrig war und dass den Beteiligten dies bewusst gewesen ist. Wie Der Spiegel berichtete, haben die thüringischen Strafverfolger ihre Ermittlungen auch auf die von K+S praktizierte Laugenversenkung im hessischen Teil des Werrareviers ausgedehnt. Hier besteht der Verdacht, dass sich die direkt an der Landesgrenze versenkten Abwässer im Untergrund unkontrolliert ausbreiten und somit das Wasserhaushaltsgesetz und das Verschlechterungsverbot der Wasserrahmenrichtlinie verletzen.
Da es keine Möglichkeit gibt, einmal verpresste Abwässer in ihrer unterirdischen Ausbreitung zu lenken oder gar zu kontrollieren, muss wohl davon ausgegangen werden, dass sich der Verdacht der »unkontrollierten Ausbreitung« bestätigen wird. Damit wird »die Lauge zum Problemfall«.
Schuld für versagende öffentliche Infrastruktur soll von Verantwortlichen abgewälzt werden
Auch der Bürgermeister der nordhessischen Stadt Heringen, Hans Ries, hat damit gedroht, »alle aufgefundenen Akten in dieser Sache an die Staatsanwaltschaft« zu geben. Das Abwassersystem der Stadt, die direkt neben einer K+S-Salzhalde und in der Nähe der K+S-Versenkstellen liegt, werde durch eindringende »gewaltige kontaminierte Wassermassen« zerstört und die Funktionsfähigkeit der Kläranlage bedroht. Der Bürgermeister, dem anscheinend von einem Ministeriumsvertreter die Schuld für ein Versagen der Kläranlage zugewiesen werden sollte, will sich »nicht nochmals für die Fehler und Verantwortungslosigkeiten anderer vor Gericht zerren« lassen. »Nicht die Verursacher der Chlorideinträge oder die Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden sollen bei Schäden demnach verantwortlich gemacht werden können, sondern ich als Bürgermeister«, empört sich Ries.
Verpresserlaubnis für Millionen Kubikmeter Flüssigabfall: Korrupte Genehmigungen?
K+S stützt sich hier auf eine Erlaubnis des Regierungspräsidiums Kassel, die von Beginn an umstritten war. Das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie (HLUG) hatte 2014 die Ergebnisse eines Gutachtens vorgestellt und dabei mitgeteilt, dass die verpressten Abwässer unkontrollierbar in die Grundwasserstockwerke aufsteigen. Es könne somit nicht ausgeschlossen werden, dass noch mehr als ohnehin schon betroffene Trinkwassergewinnungsanlagen beeinflusst werden. »Unter diesen Voraussetzungen lässt das Wasserhaushaltsgesetz den Behörden keinen Ermessensspielraum: Die bestehende Erlaubnis muss widerrufen werden«, erklärte Hölzel.
Die Behörden und K+S haben aber nicht die notwendigen Schritte unternommen, hier für Abhilfe zu sorgen. Die Mitteilung des HLUG und weitere belastende Unterlagen waren von K+S und dem Hessischen Umweltministerium zunächst geheim gehalten worden, ihre Veröffentlichung musste gerichtlich erzwungen werden. Eine Befragung von HLUG-Mitarbeitern im Umweltausschuss des Hessischen Landtags hat die Ministerin Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen) nicht zugelassen.
Vom HLUG und anderen Experten stammt auch der Hinweis, dass K+S den bis Dezember 2013 geforderten Nachweis der Unbedenklichkeit der Laugenversenkung nicht erbracht hat. Damit sind die letzten Genehmigungsvoraussetzungen für die Laugenversenkung weggefallen. Hölzel: »Trotzdem haben die hessischen Behörden die Erlaubnis nicht widerrufen. Auch hier muss davon ausgegangen werden, dass den Beteiligten die strafrechtliche Relevanz dieses Entsorgungswegs bekannt gewesen ist. Sie wird auch seit Jahren öffentlich diskutiert.«
Wegen der K+S-Entsorgungsaktivitäten sind in Hessen mehrfach Strafanzeigen bei den Staatsanwaltschaften Kassel und Fulda eingegangen. Sie sind jedoch überwiegend niedergeschlagen worden und haben bisher in keinem Fall zu einem Ergebnis geführt. »Was in Thüringen verboten ist, das darf auch in Hessen nicht erlaubt werden. Die Thüringischen Behörden scheinen ihre Arbeit aber konsequenter zu machen als ihre hessischen Kollegen“, so Dr. Walter Hölzel.