Schluderei beim Gasbohren, Verpressen, Abfackeln

LBEG untersucht Boden an 200 ausgewählten Förder- und Verpressbohrungen in Niedersachsen

Betriebsplatz Hemsbünde Z2 (Herbst 2014)
Die Bühne für die Auftaktveranstaltung: Betriebsplatz Hemsbünde Z2 (Herbst 2014)
Nach diversen Quecksilber- und Benzol-Funden aus der Erdgasproduktion und zunehmender öffentlicher Kritik legt die Bergaufsicht jetzt ein etwas umfangreicheres Messprogramm auf, mit dem Schadstoffe aus dem tiefen Untergrund gemessen werden sollen. Das Programm startet am kommenden Montag um 11 Uhr und soll an 192 aktiven Erdgas-Förderplätzen und 8 Bohrungen in Niedersachsen stattfinden, in denen flüssiger Sondermüll verklappt wird oder wurde.

Auf die Frage, welche Bohrungen das im Einzelnen sind, hat die zuständige Behörde noch nicht geantwortet. Und warum unter den Messparametern keine Schadstoffe sind, die beim Bohren und Fracken eingesetzt wurden, bleibt bislang auch das Geheimnis der Verantwortlichen. Und warum nur der Boden, nicht aber Sicker- und Grundwasser betrachtet werden sollen, ist eine weitere offene Frage. Ob Andreas Sikorski, der am Montag auf dem Betriebsplatz Hemsbünde Z2 bei Bothel die Kampagne der Öffentlichkeit vorstellen soll, diese und weitere Fragen beantworten wird?

Mit der Messkampagne sollen mögliche Bodenbelastungen im Umfeld von Erdgasförderplätzen besser als bisher bzw. erstmalig untersucht werden. Die noch nicht näher bezeichneten 200 (von insgesamt 455) Bohrungen verteilen sich auf die Landkreise Rotenburg, Diepholz, Grafschaft Bentheim, Oldenburg, Verden, Cloppenburg, Vechta, Heidekreis, Nienburg, Emsland, Aurich, Celle, Emden, Leer und die Region Hannover.

Die Förderplätze seien so ausgewählt worden, dass in jedem Landkreis ein ungefähr gleicher Anteil der insgesamt vorhandenen Förderplätze untersucht werde (ca. 40%), teilte das LBEG auf Nachfrage mit. Im Umkreis der Samtgemeinde Bothel, wo zuletzt auffällig häufig Krebsneuerkrankungen beobachtet wurden, sollen die Untersuchungen »verdichtet« werden, so die Behörde weiter. Aus den aktiven Förderbohrungen seien die in den Feldern zuerst erstellten Bohrungen mit den potenziell längsten Förderzeiträumen ausgewählt worden, so das LBEG in einer schriftlichen Antwort (s. u.).

Die Überprüfung der vorschriftsmäßigen Förder- und Entsorgungspraxis im Bergbau ist eine der Kernaufgaben der zuständigen Bergaufsicht. Diese hat die Einhaltung der Umweltgesetze auch durch die Gasindustrie permanent zu fordern und zu überprüfen. Fälle wie ausgetretenes Lagerstättenwasser aus defizitären Rohrleitungen oder auch ein Waschplatz wie Söhlingen Ost Z1, an dem es zu massiven Kontaminationen eines Grabens in land- und forstwirtschaftlich genutztem Gebiet mit Quecksilber kam, wären auszuschließen gewesen.

Es scheint, als seien das hier zuständige LBEG und die Ministerien in der Landesregierung endlich aufgewacht und würden anfangen, ihre Hausaufgaben zu machen. Die Messkampagne, die übrigens »schon« vor elf Monaten angekündigt worden war, ist ein Anfang. Weiter muss es gehen mit den Fackeln, die wahrscheinlich nicht nur eine simple Geruchsbelästigung darstellen, mit den allgegegenwärtigen Ausbläsern, und mit der allgemeinen Überprüfung, ob Genehmigung und Betrieb von Anlagen der Gasindustrie im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften (die ja ohnehin schon legale Schlupflöcher für die Öl- und Gasindustrie enthalten) oder darüber hinaus stattfand und -findet. Ein ganz besonders heikler Punkt scheint auch die vorschriftsmäßige Anwendung des Chemikalienrechts zu sein. Davon zeugen auch zwei Anfragen von mir bzw. Abgeordneten zum möglicherweise illegalen Einsatz hochgefährlicher Stoffe, die dreieinhalb Monate anhängig waren bzw. seit 14 Monaten nicht beantwortet sind. Und auch ExxonMobil, in seinem neuen »Regionaldialog«, hat das Thema Chemikalien ganz unten auf die Agenda gesetzt und will frühestens 2016 darüber dialogisieren…

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Antwort des LEBG v. 7.7.15 auf meine Anfrage v. 24.6.15
Frage 1: An welchen der über 400 aktiven Erdgassondenplätzen in Niedersachsen sollen Untersuchungen stattfinden und nach welchen Kriterien wurden sie ausgewählt?
Antwort: Im Rahmen des aktuellen Untersuchungsprogramms werden zunächst 200 Erdgasförderplätze in Niedersachsen untersucht. Diese verteilen sich auf folgende Landkreise: Rotenburg, Diepholz, Grafschaft Bentheim, Oldenburg, Verden, Cloppenburg, Vechta, Heidekreis, Nienburg, Emsland, Aurich, Celle, Emden, Leer und die Region Hannover. Die Förderplätze wurden so ausgewählt, dass in jedem Landkreis ein ungefähr gleicher Anteil der insgesamt vorhandenen Förderplätze untersucht wird (ca. 40%). Im Gebiet, das von den Vergleichsauswertungen zur Häufigkeit von Krebsneuerkrankungen des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen (EKN) erfasst wird, werden die Untersuchungen verdichtet. Aus den aktiven Förderbohrungen wurden die in den Feldern zuerst erstellten Bohrungen mit den potenziell längsten Förderzeiträumen ausgewählt.

Frage 2: Gehören zu den ausgewählten Sondenplätzen auch solche, die nicht mehr produktiv sind? Wenn ja, welche?
Antwort: Es handelt sich um Bohrungen, die in Förderung stehen.

Frage 3: Sollen Untersuchungen auch an Versenk- bzw. Verpressbohrungen stattfinden? Wenn ja, an welchen?
Antwort: Im Zusammenhang mit der Erdöl- und Erdgasförderung wird von Versenk- und Einpressbohrungen gesprochen. Der Begriff der „Verpressbohrung“ ist hier nicht gebräuchlich.
Einpressbohrungen dienen sekundären und tertiären Fördermaßnahmen (Druckerhaltung in der Lagerstätte, Verbesserung der Entölung) und werden nur in Erdölfeldern betrieben. Diese werden vom Untersuchungsprogramm nicht erfasst. Versenkbohrungen dienen der Einleitung von Stoffen in den Untergrund. Unter den 200 ausgewählten Erdgasförderplätzen sind auch 8 Versenkbohrungen

Frage 4: Welche Parameter sollen jeweils in Grundwasser, Oberflächengewässern, Boden bzw. Luft untersucht werden?
◦ Kohlenwasserstoffe (wenn ja, welche im Einzelnen?)
◦ Schwermetalle (wenn ja, welche im Einzelnen?)
◦ radioaktive Elemente (wenn ja, welche im Einzelnen?)
◦ Substanzen, die beim Niederbringen der Bohrungen sowie ggf. beim hydraulischen Frakturieren in den Untergrund eingebracht wurden bzw. ihre bekannten Metaboliten (wenn ja, welche im Einzelnen?)
◦ Enthält der Messkanon insbesondere jene Substanzen natürlichen und künstlichen Ursprungs, die gem. CLP-VO (EG) Nr. 1272/2008 Krebs (H350/H351) oder genetische Defekte (H340/H341) oder reproduktionstoxische Effekte (H36x) verursachen können oder im Verdacht stehen, dies zu tun?

Antwort: Das Untersuchungsprogramm setzt fachlich auf der Bundesbodenschutzverordnung auf. Die Probenahme, die Analyseverfahren und der wesentliche Analysenumfang entsprechen den bodenschutzrechtlichen Vorgaben. Es handelt sich um orientierende Untersuchungen. Diesen werden bei Bedarf Detailuntersuchungen nachgeschaltet, die vom Betreiber der Bohrungen durchzuführen sind. Das Programm sieht die Untersuchung von Boden- und Sedimentproben aus dem Umfeld von Erdgasförderplätzen vor. Der Untersuchungsumfang umfasst folgende Parameter:
Arsen, Blei, Cadmium, Chrom, Kupfer, Nickel, Zink, Quecksilber, Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) als Summe und als Einzelkomponenten, Kohlenwasserstoffe mit 10 bis 40 Kohlenstoffatomen (C10 – C40), Benzol, Toluol, Ethylbenzol, Xylol, Gesamtkohlenstoff (TOC), pH-Wert.
An ca. 5% der Plätze werden zusätzlich Dioxine und Furane sowie die spezifische Radioaktivität (Pb-210, Bi-214, PB-214, Ra-226 aus der U-238 Zerfallsreihe, U-235, Ac-227 aus der U-235 Zerfallsreihe, Th-282, Ac-228, Pb-212, Bi-212, Tl-208 aus der Th-232 Zerfallsreihe) untersucht.

Frage 5: Gilt für alle 200 ausgewählten Sondenplätze dasselbe Untersuchungsregime oder gibt es Unterschiede? Wenn ja, welche und warum?
Antwort: An allen Erdgasförderplätzen werden dieselben Untersuchungen durchgeführt. Zusätzlich wird ein Teilkollektiv (an ca. 5 % der Flächen) auf Dioxine/Furane sowie die spezifische Radioaktivität untersucht. Wenn im Umfeld der Plätze entwässerungsrelevante Graben bzw. Grabensedimente vorgefunden werden, dann werden auch Untersuchungen an Sedimentproben durchgeführt.

Frage 6: Sollen auch Emissionen/Immisionen von Fackeln gemessen werden?
Antwort: Unabhängig von den Bodenuntersuchungen im Umfeld von Erdgasförderplätzen wird eine Langzeit-Immissionsmessung seitens des LBEG durchgeführt. Das Messkonzept wird derzeit abgestimmt.

Frage 7: Wann sollen die Untersuchungen beginnen und wie lange sollen sie dauern?
Antwort: Die Bodenuntersuchungen werden voraussichtlich Mitte Juli 2015 beginnen und Ende 2016 abgeschlossen werden. Die Immissionsmessungen werden voraussichtlich Ende 2015 abgeschlossen sein.

Frage 8: Wann ist mit ersten Ergebnissen zu rechnen, die auf der Internetseite des LBEG öffentlich zugänglich sein werden.
Antwort: Sobald die Untersuchungsergebnisse fachlich geprüft sind, werden sie im Internet veröffentlicht werden – voraussichtlich ab August/September 2015.

Nachfragen/weitere Fragen ans LBEG vom 13.7.15