Im Lauenburgischen nichts Neues

Ausschnitte aus den jetzt veröffentlichten Antragsunterlagen und der Präsentation von PRD im August 2013
Ausschnitte aus den jetzt veröffentlichten Antragsunterlagen und der Präsentation von PRD im August 2013: Offensichtlich hat die Bergbehörde weniger Information herausgegeben als geboten.
Jahrelange seismische Untersuchungen und zwei, eventuell drei Erkundungsbohrungen plant das Unternehmen Pacific Rodera energy GmbH (PRD) bis März 2018 im Aufsuchungsgebiet Schwarzenbek (südliches Schleswig-Holstein). Sofern sie zugelassen wird, könnte die erste Bohrung schon nächstes Jahr stattfinden. Diese Information gaben Mark Hornett, Präsident der kanadischen Muttergesellschaft, und Dr. Jan Messer, das Unternehmen vertretender Rechtsanwalt bei der Hamburger Kanzlei CMS Hasche Sigle, am 7. August 2013 im Kieler Wirtschaftsausschuss, wo sie anlässlich einer Anhörung die Arbeitsprogramme präsentierten [PDF], die sie für die fünf Erlaubnisse Schwarzenbek, Bramstedt, Elmshorn, Gettorf und Ostrohe beantragt hatten.

Aus der Akte Schwarzenbek, die vor wenigen Wochen veröffentlicht wurde und die auch Teile des Erlaubnisantrags enthält, geht hervor, dass eine Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und/oder Erdgas mit Hilfe von Fracking nicht ausgeschlossen ist. Das Amt Hohe Elbgeest hat jetzt Widerspruch gegen den Erlaubnisbescheid eingelegt.

Von Anbeginn alarmierte das Ansinnen, im südlichen Teil des Kreises Herzogtum Lauenburg nach Öl und Gas zu suchen, ohne dass Fracking ausdrücklich ausgeschlossen wurde, die Bevölkerung, aber auch die örtlichen Verwaltungen. Erste Zusammenkünfte besorgter Bürger fanden bereits im Oktober/November 2012 in Gülzow und Kuddewörde statt, unmmittelbar nachdem die Nachricht durchgesickert war. Umgehend bildeten sich Bürgerinitiativen, die Fracking in jedem Fall verhindern wollen.

Klar ist: Weder die Bundesregierung noch die Landesregierung wollen oder können Fracking auf der bestehenden gesetzlichen Grundlage wirklich verhindern. Solange das Bundesberggesetz kein Fracking-Verbot enthält und auch die Landesgesetze der gefährlichen Bergbautechnik auf Dauer keinen Riegel vorschieben, ist Fracking möglich und wird auch gemacht. Der neueste Fall spielt sich in diesen Tagen in Mecklenburg-Vorpommern ab, wo aktuell am Saaler Bodden gefrackt wird oder in wenigen Tagen gefrackt werden soll.

Unzulässig späte und zu knappe Antworten auf Informationsbegehren der Öffentlichkeit
Am 17. April 2013 wurde die Erlaubnis Schwarzenbek erteilt. Mehrere Bürger stellten Anträge auf Akteneinsicht beim LBEG. Der älteste Antrag stammt aus dem Mai 2013 und war zum Jahresende immer noch anhängig. Die gesetzlich vorgeschriebene Frist von maximal zwei Monaten schien die Behörde nicht daran zu hindern, sich mit der Antwort sehr viel Zeit zu lassen. Ein weiterer Informationsantrag führte schließlich zur Herausgabe der Akte Schwarzenbek Mitte März 2014. Den hatte Dr. Reinhard Knof von der Bürgerinitative „Kein CO2-Endlager SH“ im Oktober 2013 gestellt. Es bedurfte nach Ablauf der Maximalfrist mehrerer Mahnungen – bis hin zu mehrfachen öffentlichen Aufforderungen an Minister Habeck, das ihm untergeordneten LBEG anzuweisen, die Akten herauszugeben – bis die Behörde tätig wurde.

Dabei ist es nicht neu, dass das LBEG oft nur widerwillig die Informationsanfragen beantwortet und dabei nicht selten die Fristen verstreichen lässt. In einem Fall führte das zu einer öffentlichen Beschwerde in der Presse, in einem anderen Fall reichte es gerade noch, mit einer Untätigkeitsklage zu drohen, um die Information nach nur sieben Wochen Verspätung zu erhalten. In einem weiteren Fall sah sich das Niedersächsische Umweltministerium genötigt, dem Wirtschaftsministerium als Dienstaufsicht des LBEG folgende Sätze zu schreiben:

Soweit ein Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen besteht, sieht § 3 NUIG i.V.m. § 3 UIG vor, dass die Umweltinfomrationen dem Antragsteller grundsätzlich binnen eines Monats zugänglich zu machen sind. … Diese Frist kann um einen weiteren Monat verlängert werden, wenn die Informationen derart umfangreich und komplex sind, dass die Monatsfrist nicht eingehalten werden kann. … Auch die Anhörung etwaiger Betroffener, z.B. in Bezug auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind binnen dieser Fristen einzuholen. Das (N)UIG sieht insoweit keine Verlängerungsoption vor. Der Antragstellerin steht unbenommen der Frist des § 75 VwGO nunmehr die Möglichkeit einer Untätigkeitslage gegen die informationspflichtige Stelle zu.

Auch die Qualität der Akten ist fragwürdig. Wie oben schon aufgezeigt, wurden in der Akte Schwarzenbek Informationen gelöscht, die längst publik waren. Doch auch an vielen anderen Stellen muss gefragt werden, ob die Geheimhaltung der gelöschten Information tatsächlich rechtmäßig ist, ob sie also das öffentliche Informationsinteresse überwiegt. Dass sich das LBEG mit der Transparenz schwertut, hat es früher schon im Fall der Erlaubnisakte Vierlande bewiesen. Daraufhin musste es sich vom Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit sagen lassen:

Die begehrten Informationen über die Aufsuchung von Bodenschätzen im Gebiet der Freien- und Hansestadt Hamburg berühren öffentliche Belange von besonders hohem Gewicht. Dies ist insbesondere deshalb der Fall, weil es sich um ein Aufsuchungsvorhaben handelt, dessen Ergebnisse darüber Aufschluss bieten können, ob die Gewinnung von Bodenschätzen mittels Hydraulic Fracturing (sog. Fracking) im Genehmigungsgebiet in Frage kommt. Durch derartige Fördermaßnahmen können Belange des Natur-, Grundwasser- und Siedlungsschutzes betroffen werden. Dies erkennt auch der Senat in seiner Antwort auf eine schriftliche kleine Anfrage an (Bürgerschafts-Drs. 20/7714). Inwieweit Hydraulic Fracturing diese Belange tatsächlich beeinträchtigen kann, ist eine in der Öffentlichkeit umstrittene Frage, zu der momentan ein politischer Meinungs- und Willensbildungsprozess stattfindet. Insoweit betrifft der Zugang zu diesbezüglichen Information auch über privatwirtschaftliche Tätigkeit auch einen – in der Demokratie – für die politische Willensbildung gewichtigen Bereich. Das bergrechtliche Genehmigungsverfahren ist deshalb ein Vorgang, der sich grundsätzlich unter den Augen der Öffentlichkeit zu vollziehen hat. Dies muss gerade angesichts des derzeit stattfindenden öffentlichen Meinungsbildungsprozesses auch Vorerkundungen und Aufsuchungen umfassen.

Auch Knof ist es nicht besser ergangen: »Die Herausgabe der Akten fand erst statt, nachdem ich einen Anwalt eingeschaltet hatte. Zudem kamen die Akten mit rechtswidriger Verzögerung und sind offenkundig übermäßig geschwärzt. Die im Vorwege angekündigte Bearbeitungsgebühr hat das LBEG nach dem Einlegen eines Widerspruchs und der Hinzuziehung eines Anwalts mehr als halbiert, was ich als Beweis werte, dass die Hinzuziehung eines Anwalts notwendig und das Vorgehen des LBEG rechtswidrig war. Dennoch hat mir das LBEG die Anwaltskosten bis heute nicht ersetzt.“, so Knof.

Die bisher von allen Anfragen in SH erhaltenen Erlaubnis- und Bewilligungsakten hier abrufbar:
Bramstedt, Elmshorn, Ostrohe, Plön-Ost, Prasdorf, Preetz, Rosenkranz-Nord, Schwarzenbek und Schwedeneck-See [veralteter Link!]
NEU:
Schwedeneck-See

Rechtswidrige Erteilung der Erlaubnis Schwarzenbek?
Bereits Ende 2012 hatten das Amt Hohe Elbgeest, die Gemeinde Aumühle und der Kreis Herzogtum Lauenburg in Stellungnahmen gefordert [PDF], die Erlaubnis nicht zu erteilen, wenn Fracking damit erlaubt würde, und dies mit öffentlichen Interessen begründet. Das Umweltministerium (MELUR), als einzige Behörde direkt vom LBEG in das bergrechtlich vorgeschriebene Beteiligungsverfahren der Träger öffentlicher Belange einbezogen, hatte im Januar keine schwerwiegenden Einwände gegen die Erlaubniserteilung geäußert, obwohl es von den negativen Stellungnahmen Kenntnis hatte und obwohl es in seiner eigenen Stellungnahme zahlreiche natur- und wasserschutzrechtliche Belange aufzählt, die einem Fracking-Vorhaben entgegenstehen. Das LBEG stützte seine Entscheidung, die Erlaubnis zu erteilen, ausschließlich auf die Stellungnahme des MELUR und erklärte sich für nicht zuständig, was die Bedenken von Kreis, Amt und Gemeinde angeht:

Aus der Stellungnahme des MELUR ist zu entnehmen, dass keine gegenüber den volkswirtschaftlich-bergbaulichen Interessen vorgehenden öffentlichen Interessen vorliegen, die einen Bezug zu dem in Betracht kommenden Feld selbst haben, sich auf das gesamte zuzuteilende Feld erstrecken und somit die Aufsuchung im gesamten Erlaubnisfeld auszuschließen. Dem Antrag auf Erteilung der Erlaubnis für den Zeitraum von fünf Jahren ist somit stattzugeben.
Für vorgelegte Resolutionen/Aufforderungen der Kreise/Gemeinden zu Förderverfahren, Gesetzesänderungen, Verfahrensverzögerungen etc. ist das LBEG nicht zuständig bzw. sind in diesem Verfahren nicht zu behandeln.

Gemäß der Norm (§ 15 Bundesberggesetz) sind die Gemeinden als Behörden an bergrechtlichen Verfahren zu beteiligen. Umweltminister Robert Habeck hat nach langer Diskussion am 21. Januar 2014 Weisung an das LBEG erteilt, dass Gemeinden in Schleswig-Holstein über die Ämter bzw. direkt gemäß der o. a. Norm zu beteiligen sind. Die Rechtmäßigkeit der davor ohne Gemeindebeteiligung erteilten Bergbauberechtigungen – etwa 10 allein im Jahr 2013 – bleibt bis heute offen.

Ausschnitte aus der Erlaubnisakte Schwarzenbek
Ausschnitte aus der Erlaubnisakte Schwarzenbek
Auf der Anhörung des Wirtschaftsausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtages am 7. August 2013 erläuterte PRDs Anwalt Messer den anwesenden Abgeordneten und Vertretern von Verbänden und Initiativen, dass bei der Neuerschließung alter Ölfelder Fracking nicht nötig sei, weil mit neuer Bohrtechnik nun auch horizontal gebohrt werden könne. Man würde umweltfreundliche Arbeitsmethoden und ausschließlich „geprüfte und sichere Technologien“ einsetzen. Bei den bekannten Lagerstätten würde man nicht auf Schiefergas oder unkonventionelle Lagerstätten fokussieren. Aussagen, die offensichtlich dem Widerstand gegen Fracking geschuldet waren.

Undeutlich blieb dabei die Tatsache, dass zu den im Antrag benannten Zielhorizonten beispielsweise der Posidonienschiefer gehört. Posidonienschiefer ist so hart und hält die in ihm sitzenden Kohlenwasserstoffe (Erdöl, Erdgas) so fest, dass sie, wenn überhaupt, nur mit Fracking gewinnbar sind. Der Umstand, dass das Wort »Posidonienschiefer« nur im ersten, Anfang 2011 gestellten Antrag auftaucht und später, in einem überarbeiteten Antrag in der Formulierung »… aber auch alle anderen Formationen auf Erdöl- und Gasvorkommen untersuchen, einschließlich Zonen geringer Porosität und Permeabilität…« versteckt wird, ändert nichts daran, dass das Unternehmen nötigenfalls auch Fracking einsetzen will.

Die Tatsache, dass »Zonen geringer Porosität und Permeabilität« im Erlaubnisbescheid für die Erkundung und Gewinnung nicht ausgeschlossen wurden, ermöglicht es dem Unternehmen, eine Zulassung zum Erbohren und Testen dieser Gesteinsformation zu beantragen. Mit der Erlaubnis, so, wie sie erteilt wurde, besitzt das Unternehmen eine Rechtsposition, die es unter den Umständen des bestehenden Rechts schwierig macht, eine solche Zulassung zu versagen. Daran ändert auch die landesplanerische Veränderungssperre nichts, die Anfang des Jahres von der Landesregierung installiert wurde: Ihre Lebensdauer ist endlich, danach »stehen wir auf verdammt dünnem Eis«, wie der Umweltminister es unlängst ausdrückte.

Vielleicht vermag der Widerstand der Gemeinden im Aufsuchungsgebiet Schwarzenbek dem Spuk Einhalt gebieten. Wenn sich herausstellen sollte, dass die Erlaubnis rechtswidrig erteilt wurde, dann könnten sie ihr Einvernehmen in einem Zulassungsverfahren für seismische Untersuchungen oder eine Tiefbohrung verweigern, mit dem einfachen Argument: Wo keine Erlaubnis, da keine Berechtigung für einen Betriebsplan-Zulassungsantrag.

Crossposting von vierlaender.de

Warum sich die US-Fracking-Firmen wegen der Ukraine die Lippen lecken

Links: Victoria Nuland bringt den Ukrainern Goodies aus dem Land der begrenzten Unmöglichkeiten. Rechts: Schon abgesteckte bzw. angestrebte Claims bekannter Öl-/Gaskonzerne in der Ukraine. (Screenshots aus MONITOR v. 13.03.2014)
Links: Victoria Nuland bringt den Ukrainern Goodies aus dem Land der begrenzten Unmöglichkeiten. Rechts: Schon abgesteckte bzw. angestrebte Claims bekannter Öl-/Gaskonzerne in der Ukraine. (Screenshots aus MONITOR v. 13.03.2014)
Vom Klimawandel bis zur Krim-Krise: Die Erdgasindustrie ist perfekt darin, Krisen für den eigenen Profit auszunutzen – was ich die Schock-Strategie (shock doctrine) nenne.
Ein Beitrag von Naomi Klein in The Guardian, 10. April 2014

Der Weg, um Vladimir Putin zu schlagen, ist, den europäischen Markt mit gefracktem Erdgas aus den USA zu überfluten. So ungefähr will es uns die Industrie weismachen. Im Rahmen der eskalierenden antirussischen Hysterie sind zwei Gesetzentwürfe im US-Kongress vorgelegt worden – einer im Parlament (H.R. 6), einer im Senat (S. 2083) –, die beide darauf ausgerichtet sind, den Export von flüssigem Erdgas (LNG) im Schnellverfahren zuzulassen. Alles im Namen der Hilfe für Europa, sich aus der Abhängigkeit von Putins fossilen Brennstoffen zu befreien, und um die nationale Sicherheit der USA zu verbessern.

Cory Gardner, der republikanische Kongressabgeordnete, der den Gesetzentwurf ins Parlament einbrachte, ist überzeugt: Gegen seinen Entwurf zu opponieren wäre wie das Telefon auflegen, wenn ein Notruf von Freunden oder Verbündeten käme. Das kann sogar stimmen – solange diese Freunde und Verbündeten bei Chevron und Shell arbeiten und der Notfall darin besteht, die Profite hoch zu halten, während die Vorräte von konventionellem Öl und Gas zur Neige gehen.

Damit dieses abgekartete Spiel funktioniert, darf man die Details nicht zu intensiv betrachten. Wie zum Beispiel die Tatsache, dass viel von dem Gas gar nicht den Weg nach Europa findet – weil das Gesetz erlaubt, dass das Gas auf dem Weltmarkt verkauft wird, an jedes beliebige Land, das der Welthandelsorganisation WTO angehört.

Oder die Tatsache, dass die Industrie uns seit Jahren verkündet, die Amerikaner müssten die Risiken des Fracking für ihr Land, das Wasser und die Luft akzeptieren, um ihrem Land zu helfen, die „Energieunabhängigkeit“ zu erreichen. Und jetzt wurde das Ziel, plötzlich und heimlich, auf „Energiesicherheit“ umgemünzt, was offensichtlich bedeutet, eine zeitweilige Schwemme von gefracktem Gas auf dem Weltmarkt zu verkaufen und dort Energieabhängigkeiten zu schaffen.

Und vor allem ist es wichtig, dass niemand bemerkt, dass die Infrastruktur, die für den Export in diesem Ausmaß erforderlich ist, viele Jahre für Zulassungen und Aufbau benötigen würde – ein einziges LNG-Terminal kann 7 Milliarden US-Dollar kosten, ist abhängig von einem riesigen Netz von Pipelines und Kompressorstationen und braucht sein eigenes Kraftwerk, nur um die Energie zu produzieren, die für die Verflüssigung des Erdgases durch Unterkühlung nötig ist. Bis diese gigantischen Industrieprojekte zum Laufen kommen, sind Deutschland und Russland längst beste Freunde geworden. Aber bis dahin wird kaum noch jemand erinnern, dass es die Krim-Krise war, derer sich die Gasindustrie als Ausrede bedient hat, um ihre lange gehegten Exportträume endlich wahrzumachen, egal, welche Konsequenzen es für die Gemeinden hat, wenn sie gefrackt werden, oder ob der Planet gekocht wird.

Ich nenne diesen Dreh, die Krise für den eigenen Gewinn auszubeuten, die Schock-Strategie (shock doctrine), und sie zeigt keine Anzeichen der Schwäche. Wir wissen alle, wie die Schock-Strategie funktioniert: In Krisenzeiten, egal, ob real oder konstruiert, sind unsere Eliten in der Lage, unter dem Deckmantel der Notsituation unpopuläre Maßnahmen durchzuziehen, die für die Mehrheit Verschlechterungen bringen. Natürlich gibt es Widerstand – von Klimawissenschaftlern, die vor dem starken Klimaerwärmungspotential von Methan warnen, oder von lokalen Gemeinschaften, die diese Hochrisiko-Exportterminals an ihren geliebten Küsten nicht haben wollen. Aber wer hat Zeit zum Diskutieren? Es ist ein Notfall! Ein Notruf, der da klingelt! Erstmal die Gesetze erlassen, über sie nachdenken kann man später.

Viele Industrien sind gut in solchen Machenschaften, aber keiner ist geschickter, die die Rationalität gefangennehmenden Eigenschaften der Krise für sich zu nutzen als der globale Erdgassektor.
In den letzten vier Jahren hat die Gaslobby die Wirtschaftskrise in Europa dazu genutzt, Ländern wie Griechenland weiszumachen, dass der Weg aus Schulden und Verzweiflung darin besteht, ihr wunderschönes und empfindliches Meer fürs Öl- und Gasbohren zu öffnen. Ähnliche Argumente hat diese Lobby dafür benutzt, um Fracking quer durch Nordamerika und England salonfähig zu machen.

Jetzt ist der Ukraine-Konflikt die Krise des Tages. Sie wird als Rammbock benutzt, um die vernünftigen Regulierungen des Gasexports niederzuschlagen und ein umstrittenes Freihandelsabkommen mit Europa durchzudrücken. Und was für ein Deal: Mehr konzerngetriebene, freihandelsautorisierte, umweltverschmutzende Sparmaßnahmen und mehr Treibhausgase, die die Atmosphäre verschmutzen – und all das als Antwort auf eine Energiekrise, die im Großen und Ganzen künstlich fabriziert ist.
Vor dieser Kulisse lohnt es sich zu erinnern – Ironie aller Ironien – dass die Krise, die die Erdgasindustrie am allerbesten ausschlachtet, der Klimawandel selbst ist.

Macht nichts, dass die einzige Lösung, die die Industrie im Angesicht der Klimakrise zu bieten hat, die dramatische Ausweitung des Fracking ist, was irrsinnige Mengen des Klima destabilisierenden Methans in unsere Atmosphäre entlässt. Methan ist eines der stärksten Klimagase – es hält die Wärme 34-mal stärker zurück als Kohlendioxid, wie die jüngsten Schätzungen des Weltklimarat (IPCC; Intergovernmental Panel on Climate Change) ergeben haben. Und das gilt für eine Periode von 100 Jahren, während der die Potenz des Methans abnimmt.

Viel wichtiger ist, so Robert Howarth von der Cornell-Universität, Biochemiker und einer der weltweit führenden Experten für Methan-Emissionen, den Zeitraum von 15 bis 20 Jahren anzuschauen: Hier hat Methan ein atemberaubendes, 86- bis 100-fach stärkeres klimaerwärmendes Potential als Kohlendioxid. „In diesem Zeitraum riskieren wir, uns selbst in einer sehr raschen Erwärmung gefangen zu setzen“, sagte Howard letzten Mittwoch.

Und denkt daran: Niemand baut eine millionenschwere Infrastruktur auf, der nicht plant, sie mindestens die nächsten 40 Jahre auch zu benutzen. Also, ist das unsere Antwort auf die globale Erwärmung, dass wir ein Netzwerk aus ultra-starken atmosphärischen Öfen bauen? Sind wir wahnsinnig?

Es ist nicht so, dass wir wissen, wieviel Methan tatsächlich beim Bohren und Fracken und von der ganzen daran hängenden Infrastruktur freigesetzt wird. Obwohl die Erdgasindustrie ihr „weniger Kohlendioxidausstoß als Kohle“ ertönen lässt, hat sie ihre Methanleckagen niemals systematisch gemessen. Die wabern über jeder Phase der Gasproduktion, -verarbeitung und -verteilung – von undichten Bohrlöchern und undichten Ventilen an Kondensatoren bis hin zu den brüchigen Pipelines unter den Wohnblocks von Harlem. 1981 kam die Gasindustrie auf die brilliante Idee, Erdgas als Brücke in eine Zukunft der sauberen Energie zu bezeichnen. Das ist 33 Jahre her. Eine lange Brücke. Und das andere Ufer ist noch nicht einmal in Sicht.

Und 1988 – dem Jahr, in dem der Klimaforscher James Hansen den Kongress in einer historischen Darlegung vor dem dringenden Problem der Erderwärmung gewarnt hatte – begann die American Gas Association, ihr Produkt ausdrücklich als Antwort auf den „Treibhauseffekt“ zu bezeichnen. Mit anderen Worten, sie verschwendete keine Zeit und verkaufte sich selbst als die Lösung der globalen Krise, die sie selbst mit verschuldet hat.

Der Gebrauch, den die Industrie von der Krise in der Ukraine macht, um seinen Weltmarkt unter dem Motto „Energiesicherheit“ zu erweitern, muss im Kontext ihres unablässigen Kriseopportunismus gesehen werden. Nur dieses Mal wissen viel mehr von uns, worin die wahre Energiesicherheit besteht. Dank der Arbeit von erstklassigen Forschern wie Mark Jacobson und seinem Team in Stanford wissen wir, dass die Welt sich bis 2030 vollständig mit erneuerbarer Energie versorgen kann. Und dank des jüngsten, alarmierenden Berichts des IPCC wissen wir auch, dass dies ein existentieller Imperativ ist.

Das ist die Infrastruktur, die wir schleunigst bauen müssen – keine gigantischen Industrieprojekte, die uns auch noch die kommenden Jahrzehnte von fossilen Brennstoffen abhängig machen. Klar, diese Brennstoffe werden noch gebraucht, bis der Übergang geschafft ist, aber es sind noch mehr als genug konventionelle Brennstoffe vorhanden, damit wir bis dahin kommen. Besonders dreckige Extraktionsmethoden wie die Produktion von Öl aus Teersand und Fracking sind schlicht nicht notwendig. Wie Jacobson es in einem Interview diese Woche sagte: „Wir brauchen keine unkonventionellen Brennstoffe, um die Infrastruktur herzustellen, die wir brauchen, damit wir vollständig saubere und erneuerbare Wind-, Wasser- und Sonnenenergie erhalten, die für alle Zwecke eingesetzt werden kann. Die existierende Infrastruktur plus die neue Infrastruktur [für die Erneuerbaren] ist vollkommen ausreichend für die Herstellung der restlichen sauberen Infrastruktur, die wir noch brauchen werden. Konventionelles Öl und Gas sind in weit größeren Mengen vorhanden, als wir sie benötigen.“

Vor diesem Hintergrund ist es an den Europäern, ihren Wunsch nach mehr Unabhängigkeit von Russland umzulenken in eine beschleunigte Energiewende. Diese Energiewende – zu der sich die europäischen Nationen nach dem Kyoto-Protokoll verpflichtet haben – kann sehr leicht sabotiert werden, wenn der Markt mit billigem Öl und Gas geflutet wird, die aus dem Untergrund der USA gefrackt wurden. Nicht von Ungefähr arbeitet die NGO Americans Against Fracking, die gegen die Schnellgesetzgebung in Sachen LNG-Export Klage erhoben hat, eng mit ihren Mitstreitern in Europa zusammen, damit genau das nicht passiert.

Der Bedrohung der katastrophalen Erderwärmung entgegen zu steuern, ist unser allerdringendster Energie-Imperativ. Und wir können es uns einfach nicht leisten, uns vom neuesten, von der Krise befeuerten Marketingtrick der Erdgasindustrie ablenken zu lassen.

Warum sich die US-Fracking-Firmen wegen der Ukraine die Lippen lecken
Naomi Klein in: The Guardian, 10. April 2014

Übersetzt von Carin Schomann

Siehe auch: Gegen-Gasbohren.de: Ukraine explained

Die Schätze von Saal

Ortsausgang Saal/VP, CEP-Betriebsplatz
Keine 300 Meter vom Saaler Ortsrand entfernt liegt der Frac-Platz "Barth 11h/2011"
„Hier in Saal ist der Hund begraben.“, sagt die Frau auf dem Friedhof. Sie mag es nicht, dass hier jetzt wieder nach Öl gebohrt werden soll, sagt sie. „Aber was soll man machen.“ Sie zuckt mit den Schultern und geht weiter, Gräber pflegen im Schatten der Kirche. Backsteingotik, erbaut im 13. Jahrhundert, mit massiven Stützmauern, damit sie nicht im weichen Boddenboden einsinkt. Im Krieg, den sie hier den Großen nennen (1914-18), mussten die Saaler Orgelpfeifen aus ihrer Kirche abgeben: Das Blei war damals ein besonders begehrter Rohstoff.
 
Seitdem hat der Backsteinbau wieder bessere Zeiten gesehen. Die Orgelpfeifen sind längst ersetzt worden. In die Kirche kommt trotzdem kaum noch jemand; es werden immer weniger hier im 1000-Seelen-Dorf Saal, Kreis Vorpommern-Rügen. Das Haus an der Hauptstraße, das einst den Konsum beherbergte, steht leer und zum Verkauf, wie so einige Häuser hier in diesem stillen Ort, die leise vor sich hin verfallen.
 
Betriebsplatz Barth11 mit Bohrlochskopf
Bohrlochkopf (blau) und diverses Equipment zum Bearbeiten der Bohrung (Panorama aus 2 Fotos montiert)
Am Ortsrand, hinter einem blühenden Rapsfeld, liegt die Bohrstelle von CEP. Hier wurde zu DDR-Zeiten schon einmal Öl gefördert, bis sich das nicht mehr gelohnt hat. 2011 kamen die Kanadier und bohrten ein Loch bis in 2700 Meter Tiefe und fanden ein wenig Öl. Danach war erstmal nichts. Jetzt sind sie wieder hier und füllen den Platz mit Hightech. Seit letzten Montag kommt täglich mehr schweres Gerät dazu, allmählich sieht es hier aus wie auf einem Spielplatz für große Jungs: Die roten Halliburton-Fahrzeuge mit der wireline-Rolle coiled tubing-Rolle (danke für den Hinweis, Herr Adler) und einem Kompressor, LKWs mit flüssigem Stickstoff und anderen Zutaten, Tanks, Behälter, Rohre in allerlei Farben und Formen verschiedener Subunternehmen, Container mit Chemikalien, eine mobile Gasfackel und der Schwerlastkran zur Einrichtung des Bohrplatzes und später zur Unterstützung des Frackings. Mittendrin der blaue wellhead auf der Bohrung. Ein Stück daneben ein weiterer, in Halliburton-Rot, der noch auf seine Montage wartet. Wenn er montiert ist und die Druckschläuche angeschlossen sind, sieht er ungefähr so aus.
 
Testförderung - Unverfängliche Beschreibung eines Frac-Vorhabens (Info-Tafel am Betriebsplatz Barth 11)
Testförderung – Unverfängliche Beschreibung eines Frac-Vorhabens (Info-Tafel am Betriebsplatz Barth 11)
Zwei, vielleicht auch drei Handvoll Männer arbeiten auf dem Platz oder stehen da und schauen. Unter anderem der Wachschutz, der darauf achtet, dass keine Neugierigen aufs umzäunte Betriebsgelände gelangen. Natürlich nur zur Sicherheit. Zwei, drei der PKWs, die hinter dem Wachhäuschen an der Einfahrt parken, haben lokale Kennzeichen, der Rest kommt aus Celle und Soltau-Fallingbostel, einer ist in Düren angemeldet.
 
Weite Wege haben teilweise auch die Chemikalien hinter sich, die am hinteren Ende des rund 40 mal 60 Meter großen Platzes am Zaun stehen. „Völkersen“ steht auf dem grünen Anhänger an dem Metallkorb, in dem sich ein Container mit rosa Flüssigkeit befindet. „50 % Antifreeze“ lautet der Zusatz auf dem grünen Anhänger. Ob es sich dabei um Ethylenglykol handelt, eine Substanz, die beim hydraulischen Frakturieren häufig zum Einsatz kommt und giftig ist, ist ebenso wenig ersichtlich, wie der Inhalt anderer 1000-Liter-Container, die auf dem Platz herumstehen.
 
6 Flaschen mit künstlicher Luft zu Atemschutzzwecken am Notausgang des Betriebsplatzes
6 Flaschen mit künstlicher Luft zu Atemschutzzwecken am Notausgang des Betriebsplatzes
Klar erkennbar als Behälter für künstliche Luft für Atemschutzzwecke sind dagegen die 6 Gasflaschen mit der schwarzweißen Schulter, die direkt neben dem rückwärtigen Notausgang stehen. Falls bei der hochtechnischen Operation an der Bohrung giftige Gase austreten, kann das Personal hier Zuflucht nehmen. Wenn der Wind nicht aus ungünstigen Richtungen kommt, etwa von Westen oder Norden, dann haben die Bewohner in den nahegelegenen Häusern wahrscheinlich nichts zu befürchten.
 
CEPetro hat nach eigener Information am 10. März 2014 die Zulassung erhalten, die Bohrung „an das umliegende Gestein anzuschließen“. Dazu sollen insgesamt 10 „hydraulische Stimulationen“ auf einer Horizontalstrecke von rund 1000 Metern vorgenommen werden, eine jede von ihnen mit bis zu 150 Kubikmetern (150 Tausend Liter) Wasser, Sand und chemischen Zusatzstoffen. Die Risse, die damit erzeugt werden, sind Modellrechnungen zufolge 70 Meter lang, horizontal wie vertikal, so CEP-Pressesprecher Jens D. Müller.
 
Obwohl es alles andere als plausibel ist, das Bohrloch mit 70-Meter-Rissen ans Gestein „anzuschließen“ — immerhin hat CEP-Deutschland-Chef Dr. Thomas Schröter selbst angegeben, das Gestein habe nur im Umkreis von maximal 2 Metern um die Bohrung durch Verschlammung und Zerrüttung beim Bohren an Durchlässigkeit eingebüßt — bemüht sich CEP verzweifelt, das Projekt nicht als Fracking darzustellen. „Das ist kein Schiefergasfracking“, so tönt es seit Monaten aus dem Unternehmen. Natürlich gibt es in Saal kein Schiefergasfracking, weil es kein Schiefer ist, den CEP in der Bohrung Barth 11 fracken will, sondern ein anderes, wenig durchlässiges Gestein (Zechsteinkarbonat lt. Landesregierung), das das Öl ohne Fracking nicht freigibt.

Kirchturm in Saal/VP
Kirchturm in Saal/VP
Unter dem Turm Dorfkirche von Saal ist der Sage nach ein Templer-Schatz vergraben[/caption]Weil CEP auch klar wurde, dass sie die Kritik mit einem solch dämlichen Argument nicht aus der Welt bekommen, verlegt sich das Unternehmen jetzt auf eine neue Linie und versucht damit gar, die Deutungshoheit über die Fracking-Debatte an sich zu ziehen: „Die umstrittene Fracking-Debatte betreffe die Förderung von Schiefergas, sagte Müller.“, zitiert Greenpeace eine dpa-Meldung. Es dürfte nicht lange dauern, bis auch dieser Trick nicht mehr zieht: Der Widerstand gegen Fracking richtet sich nicht nur gegen Schiefergasfracking, sondern gegen jegliches Fracking zur Aufsuchung und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Korbacher Resolution mittlerweile Hunderte von Institutionen, Gemeinden, Verbänden, Parteigruppen etc. als Unterstützer gefunden hat. Ihr erste Forderung lautet völlig unabhängig von der Gesteinsart:
„Ein sofortiges ausnahmsloses Verbot sämtlicher Formen von Fracking bei der Erforschung, Aufsuchung und Gewinnung fossiler Energieträger. Dies ist unabhängig davon, ob die Rissbildung mit oder ohne den Einsatz giftiger Chemikalien, hydraulisch oder andersartig erzeugt wird.“
 
Denen, die in Saal auf dem Friedhof ihre letzte Ruhe gefunden haben, ist dieser Streit egal. Der Frau, die dort die Gräber pflegt, ist es nicht egal, aber sie sagt, sie sei alt und müde. Im Krieg das Blei, vor einigen Jahren jemand auf der Suche nach dem Heiligen Gral, jetzt die Ölbohrer — Saal hat Schätze oder auch nicht. Sie würde die Probleme, die mit dem Fracking kämen, wohl nicht mehr erleben. Die Jungen, die müssen sich wehren, sagt sie und meint damit die, die es der Politik überlassen, ihr Geschick zu lenken.