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„Ablehnen kann man Fracking dann immer noch.“

Antwort auf den Kommentar von Stefan Sauer „Fracking: Fracking ist nicht gleich Fracking“, Frankfurter Rundschau, 27.09.2014

Straßenschild "Irrweg", Marmsdorf Fracking in näherer Zukunft für eine Option zu halten, ist ein Irrweg[/caption]Lieber Kollege Sauer,

mit großem Interesse habe ich Ihre formallogisch stringenten Überlegungen zum „Fracking ist nicht gleich Fracking“ in der FR online vom letzten Sonnabend gelesen. Sie fordern darin, Nutzen und Risiko von Fracking zu prüfen und es ggf. erst dann abzulehnen. Keine Frage: Etwas Neues von vornherein zu verdammen und abzulehnen, ohne zu wissen, was dahintersteckt, ist irrational, unwissenschaftlich und zeugt möglicherweise von Angst oder anderen negativen Gefühlen, auf deren Grundlage keine vernünftige Debatte möglich ist.

Ihr Hinweis „Fracking ist nicht gleich Fracking“ ist goldrichtig und auch nötig, denn sowohl von Befürworter- als auch von Ablehnerseite wird der Begriff „Fracking“ nur allzuoft undifferenziert gebraucht. Fracking ist nicht gleich Fracking, weil die technische Weiterentwicklung, die die Methode des hydraulischen Aufreißens von Gesteinen seit ihrer Einführung im Jahr 1949 genommen hat, enorm ist. Mit der anfänglichen „Stimulation“ weniger Meter um ein vertikales Bohrloch herum hat das heute eingesetzte, hydraulische Frakturieren in Horizontalbohrungen nur noch das Prinzip der Risserzeugung gemein. Alle anderen Parameter sind mittlerweile um Potenzen extremer – der eingesetzte Druck (bis zu 1600 bar), der Wasserverbrauch (bis über 1000 Kubikmeter pro Frack), die Risslängen (bis zu mehreren Hundert Metern), das frakturierte Gebirgsvolumen (z. B. in Saal, Vorpommern (Bohrung Barth 11) rechnerisch rund 180 Tausend Kubikmeter bei 70 Metern Risshalblänge und 10 Fracks im Abstand von rund 100 Metern), die Mengen an mitgeförderter „Chemie aus der Erde“ (Lagerstättenwasser), die ausgestoßene Menge von Treibhausgasen wie CO2 und Methan etc.

Ihre Schlussfolgerung „Es bedarf einer gründlichen Prüfung, um Nutzen und Risiken abzuwägen.“ ist logisch konsequent und entspricht der erforderlichen, wissenschaftlich objektiven Herangehensweise an neue Fragestellungen.

Ihr Fazit „Ablehnen kann man Fracking dann immer noch.“ kann ich allerdings nicht unterschreiben. Einfach deshalb, weil eine gründliche Prüfung schon lange stattgefunden hat und eine Nutzen-Risiko/Schaden-Abwägung längst erfolgt ist.

In der Kritik steht aktuell die „moderne“ Form des Fracking, besser bekannt unter der Bezeichnung high volume hydraulic fracturing – Fracking mit großen Mengen an Wasser und Sand und mehr oder weniger großen Mengen an chemischen Zusätzen, durchgeführt zumeist in Horizontalbohrungen. Sie wird nicht nur in den USA und nicht nur in Schiefer angewandt, sondern, beginnend Mitte der 1990er-Jahre, auch in Deutschland, und zwar überwiegend in Sandstein, in sogenannten tight-Gaslagerstätten. Das Pilotprojekt in Deutschland dafür war ExxonMobils Bohrung „Söhlingen Z10“ im Jahr 1995. Mithin gibt es nicht nur aus Amerika, sondern auch schon aus dem eigenen Land ausreichend Erfahrungen für eine fundierte Analyse.

Die wirtschafts- und klimapolitische Prüfung hat ergeben, dass u. a. der immense Wasser- und Flächenverbrauch sowie der nicht unerhebliche Ausstoß von Klimagasen in keinem günstigen Verhältnis zum Nutzen des Fracking steht. Erdgas, das in Deutschland mit Fracking bisher gewonnen wurde und zukünftig theoretisch gewinnbar ist, kann nur einen winzigen Beitrag zum Primärenergiemix liefern, nämlich 2 bis 3 Prozent. Übertragen auf den Endverbrauch in Deutschland würde der Anteil von gefracktem Erdgas aus Deutschland sogar nur rund 0,6666 Prozent ausmachen. Neue Arbeitsplätze würden in Deutschland nur wenige geschaffen – es sei denn, Sie zählen die indirekten Arbeitsplätze dazu, beispielsweise in Hotels, Pensionen oder auch Prostituierte, oder jene Arbeitsplätze, die aufgrund von erwartbaren Langzeitfolgen entstehen müssten, vor allem im Gesundheitswesen .
Auch aus finanzwirtschaftlicher Sicht wäre die baldige Ausbeutung von Gas und Öl durch Fracking Unsinn. Diese Ressourcen liegen jetzt noch auf der Haben-Seite auf dem Konto Deutschlands und werden an Wert gewinnen, wenn sie da zunächst einmal liegen bleiben. Sie jetzt ohne Not zu fördern und zu verpulvern, würde bedeuten, Deutschland ärmer als nötig zu machen.

Die technische Prüfung hat ergeben, dass der Einsatz der Fracking-Methode jetzt schon bei Weitem nicht so folgenlos ist, wie behauptet. In Deutschland werde seit 1961 gefrackt und nie sei ein Umweltschaden zu beobachten gewesen, heißt es sowohl von Industrie- als auch von Behördenseite. Dabei ist klar: Wenn nicht beobachtet (monitoriert und dokumentiert) wird, dann sind eingetretene Schäden auch nicht zu verzeichnen. Wenn Sie einmal die Liste der Störfälle anschauen möchten, sehen Sie dort auch Schäden, die im Zusammenhang mit Fracking eingetreten sind. Erst seit Kurzem gibt es, auf Drängen besorgter Bürger, punktuell erste Untersuchungen möglicher Auswirkungen der Erdgasförderung auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Langsam erhärtet sich der Verdacht, dass in Deutschland genau wie in Nordamerika Umwelt und Gesundheit massiv beeinträchtigt werden. In Nordamerika gibt es mittlerweile unumstößliche, wissenschaftlich belegte negative Folgen für Wasser, Boden, Luft und Gesundheit; in Deutschland noch nicht, weil hier die Forschung eben erst anfängt.
Technische Weiterentwicklungen, die Umweltbelastungen begrenzen oder gar beseitigen könnten, sind bisher eher nicht bekannt. ExxonMobils jüngste Errungenschaft – ein Fluid zum Fracken von Schiefergaslagerstätten mit nur noch zwei, etwas weniger bedenklichen Chemikalien – erinnert an die Ringelnatz’schen Ameisen, die von Altona nach Australien auswandern wollten: Aber auf der Elbchaussee / taten ihnen die Füße weh. Ungiftige Frackfluide können die verbleibenden Probleme nicht lösen. Die unbeherrschbaren Probleme, die das massenhafte Herumstochern in der und hektoliterweise Injizieren von Flüssigkeiten in die und Aussaugen von Kohlenwasserstoffen aus der Erdkruste mit sich bringt, sind nicht einmal ansatzweise kontrollierbar.

Ich nehme an, wir sind uns einig, dass wir unter Fracking nicht nur den eigentlichen Frackvorgang verstehen, sondern die gesamte Prozesskette inklusive der notwendigen Infrastruktur für Fracking und seine kurz-, mittel- und langfristigen Folgen meinen. Der erhebliche Verbrauch von Wasser, das für die Trinkwasserversorgung und die Landwirtschaft gebraucht wird; die Verwüstung ganzer Landstriche durch neue Straßen, Betriebsplätze und Pipelines; der erhebliche Eintrag von Klimagasen in die ohnehin schon aufgeheizte Atmosphäre; der riesige Anfall von flüssigem Sondermüll, für den es bis heute keine andere Entsorgungspraxis als die unterirdische Verklappung mit all ihren Gefahren für das Grundwasser gibt; zunehmende Beeinträchtigung der Volksgesundheit mit den damit verbundenen Kosten (abgesehen von dem unermesslichen Leid, die Krankheiten und verfrühter Tod über die betroffenen Menschen bringen) – all dies sind Aspekte, die in die Abwägung mit einfließen müssen.

Der Nutzen von gefrackten Produkten für die Gemeinschaft – und damit meine ich nicht die Konzerne und ihre politischen Adlaten! – kann die Gefahren, Gefährdungen und Risiken von Fracking in seinem heutigen Entwicklungsstand nicht aufwiegen. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, braucht man nicht von Angst getrieben zu sein. Dazu reicht kühles Kalkulieren. Nichts anderes tun die Fachleute im Widerstand gegen Fracking, denen aus dem pro-Fracking-Lager von „namhaften“ Geologen „Urängste“ und Unwissenschaftlichkeit unterstellt werden und denen z. B. der Energieexperte Steffen Bukold „beeindruckenden Sachverstand“ bescheinigt.

Wenn sich irgendwann, in naher oder ferner Zukunft, tatsächlich eine Notwendigkeit zeigen sollte, dass die Menschheit auf dieses schwer erreichbare Gas oder Öl zurückgreifen muss, und wenn die technischen Möglichkeiten es dann erlauben, diese Bodenschätze ohne nennenswerte Gefährdung von Umwelt und Gesundheit zu heben, dann kann in der Tat neu über Fracking nachgedacht werden. Heute aber hat Fracking nach Öl oder Gas überhaupt keinen Sinn – jedenfalls nicht für die Gemeinschaft der Menschen, die hier leben – und ist daher nichts als grober Unfug.

Schöne Grüße
Carin Schomann, Freie Journalistin und aktiv im Widerstand gegen Fracking

Die Gasindustrie will was vom Fracking-Pferd erzählen

Exxons Anzeigenkampagne, Sept. 2014Dann und wann mal eine Doppelseite im Spiegel, mal eine WEG-Lobhudelbroschüre über „umweltschonende Erdgasförderung“, Landtagsabgeordneten ungebeten in die Postfächer gelegt, oder auch mal eine solitäre Plakataktion eines blau-gelben Tochterunternehmens der ex-IG Farben in Kassel: Die kleinen Versuche der Erdgasindustrie in den vergangenen eineinhalb Jahren, öffentliche Meinung und Politik für das Fracking zu gewinnen, sind allesamt kläglich fehlgeschlagen: Die öffentliche Ablehnung von Fracking als Extremisierung der Erdgasgewinnung ist weiter angewachsen, es gibt nur wenige Politiker, die offen für Fracking eintreten, und die Bundesregierung hat bislang davon abgesehen, Fracking-Gesetze zu bringen, die die Konzerne zufriedenstellen würden.

Dann werden also andere Saiten aufgezogen!
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Signifikant erhöhte Blutkrebsrate bei Männern in Bothel: Ist die Erdgasförderung schuld?

Ist die Heide mit krebserregenden Stoffen kontaminiert?
Ist die Heide mit krebserregenden Stoffen kontaminiert?

Epidemiologische Untersuchung der Samtgemeinde Bothel veröffentlicht:
Männer zweimal so häufig wie erwartet an Blutkrebs erkrankt

Gestern wurden in Rotenburg an der Wümme die Ergebnisse einer kleinen Krebsstudie vorgestellt. Auf Initiative von besorgten Bürgerinnen und Bürgern waren die Diagnosehäufigkeiten fast aller Krebsarten bei der Bevölkerung der Samtgemeinde Bothel, mitten im niedersächsischen Gasland, anhand des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen untersucht worden. Herausragendes Ergebnis ist eine statistisch signifikant erhöhte Erkrankungsrate an Blutkrebs bei Männern. Die zweite meistbetroffene Gruppe sind Kinder bis 14 Jahre, ebenfalls mit Blutkrebs. Signifikant erhöhte Blutkrebsrate bei Männern in Bothel: Ist die Erdgasförderung schuld? weiterlesen

Ölindustrie versenkt fast 1 Million Kubikmeter Giftmüll unter Hamburger Wohngebiet

Oberflächlich unscheinbar: Flurstück 1619 am Sinstorfer Weg. Hier wird hochgiftiger Flüssigmüll in den Untergrund eingepresst.
Oberflächlich unscheinbar: Flurstück 1619 am Sinstorfer Weg. Hier wird hochgiftiger Flüssigmüll in den Untergrund eingepresst.
Ölindustrie versenkt fast 1 Million Kubikmeter Giftmüll unter Hamburger Wohngebiet

Schon seit 1995 wird in dem beschaulichen Hamburger Vorort Sinstorf gesundheitsgefährlicher Flüssigmüll, nämlich Lagerstättenwasser aus der niedersächsischen Erdölproduktion verklappt. Bis Ende August 2014 wurden hier, in der ehemaligen Erdölförderbohrung Groß-Hamburg-2 (GH2), 951187 Kubikmeter des Problemstoffes im Untergrund endgelagert, so der Hamburger Senat in seiner Antwort auf eine Schriftliche Kleine Anfrage[PDF] des Grünen Bürgerschaftsabgeordneten Jens Kerstan. Diese Maßnahme sei erforderlich, »um den Lagerstättendruck aufrecht zu erhalten«, gibt der Senat die Auskunft der Technokraten in den Bergbehörden weiter. Damit wird eine technische Notwendigkeit in den Vordergrund gestellt, die über einen möglichen Umweltskandal hinwegtäuscht. Nicht unumstritten ist die wasserrechtliche Zulassungsfähigkeit derartiger Bohrungen. Kritische Experten bezeichnen solche Einpressbohrungen wie in Sinstorf aus geochemischer Sicht als »tickende Zeitbomben«.
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Schluss mit dem Weglächeln: Fracking verschmutzt Trinkwasserressourcen

Brennender Wasserhahn (gesehen in "Gasland I" by Josh Fox)
Brennender Wasserhahn (gesehen in „Gasland I“ by Josh Fox)
Umweltbehörde musste die Hosen runterlassen: Öl- und Gasproduktion in Pennsylvania hat Hunderte Trinkwasserbrunnen verschmutzt

Tatsachen jahrelang verschwiegen

Am 24. Dezember 2007 erhielt ein geschädigter Brunnenbesitzer in Venango County, Pennsylvania, USA, ein Schreiben von der Umweltbehörde: „The Department’s preliminary investigation has determined that Great Lakes Resources (a.k.a. Range Resouces-Appalachia) has affected your water supply during the drilling of their [Name geschwärzt] well.“[1]

Am 4. April 2008 schrieb dieselbe Behörde einem Beschwerdeführer aus Foster im Nordwesten des Landes: „After reviewing the results of your spring water analysis, the Department has concluded that recent oil and gas activity has caused your water supply to become contaminated.“[2]

20071224_complaint250746Dies sind die ersten beiden dokumentierten Fälle, die die Umweltbehörde von Pennsylvania seit Jahren in der Schublade hatte und jetzt offenlegte. Endlich kommt ans Licht, was Industrie, Verwaltung, Wissenschaft und Politik stets in Abrede gestellt hatten: Zahlreiche Fälle von Hausbrunnen-Verschmutzungen, die eindeutig auf das Konto der Öl- und Gasförderung gehen. Erst auf monatelangen, massiven Druck von Bürgern und Journalisten hat die Umweltbehörde jetzt eine Liste offengelegt, die belegt, dass tatsächlich die Öl- und Gasförderung zahlreiche Brunnen verschmutzt und unbrauchbar gemacht hat. In dieser Liste führt die Behörde 206 Brunnen auf, für die es 243 Vorgänge gibt – sei es die Feststellung einer Verschmutzung, sei es eine nachfolgende, alternative Wasserversorgung für die betroffenen Brunnenbesitzer.

Bereits zu Jahresbeginn 2014 hatten Journalisten von Associated Press Ungeheuerliches entdeckt. Damals wurden in Pennsylvania mindestens 106 Kontaminationen von Hausbrunnen behördlicherseits bestätigt, die seit dem Beginn des Fracking-Booms im Jahr 2005 aufgetreten waren. In den US-Bundesstaaten Ohio, West Virginia und Texas lagen Tausende von Beschwerden über verschmutztes Brunnenwasser vor, wovon jedoch nur sechs in Ohio als durch Fracking verursacht anerkannt wurden. Später im Frühjahr konnten Wissenschaftler anhand der texanischen Behördendaten in mehreren Fällen Fracking als Verursacher der Kontamination nachweisen.

Trotzdem wird diese unumstößliche Tatsache, dass Fracking das Trinkwasser nicht nur bedroht, sondern auch tatsächlich beeinträchtigt, von einigen Ewiggestrigen bis heute negiert. Milde lächelnd werfen diese Fracking-Befürworter denen, die auf die Gefahr hinweisen, Panikmache vor. So zuletzt im panorama3-Beitrag des NDR, der bekannte Fakten schlicht ignorierte und unter anderem behauptete, dass es stets nur Sumpfgas sei, das für Methan im Grund- oder Trinkwasser verantwortlich sei.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die verantwortlichen Entscheider, die zum Beispiel heute in Berlin über die geplanten Fracking-Gesetze beraten, nicht von solch plumper Bauernfängerei übertölpeln lassen.

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[1] Übersetzung: „Die vorläufigen Untersuchungen der Umweltbehörde haben ergeben, dass Great Lakes Energy (a.k.a. Range Resources-Appalachia) Ihre Wasserversorgung während des Bohrens und Frackens ihrer [Name geschwärzt]-Bohrung beschädigt hat.“

[2] Übersetzung: „Nach Überprüfung der Analyseergebnisse Ihres Brunnenwassers sind wir [die Umweltbehörde] zu dem Schluss gekommen, das eine kürzlich stattgefundene Maßnahme im Bereich der Öl-/Gasförderung eine Kontamination Ihrer Wasserversorgung verursacht hat.“

Bezkow, Brandenburg: Bayerngas plant Fracking nicht

Betriebsplatz Reudnitz Z2 am 15. August 2014
Betriebsplatz Reudnitz Z2 am 15. August 2014
Im letzten Monat hat Bayerngas nahe der Stadt Beeskow begonnen, die Aufsuchungsbohrung „Reudnitz Z2“ niederzubringen. Die ersten tausend Meter auf dem Weg nach unten hatten die Bohrköpfe am 15. August zurückgelegt. Ihr Ziel sind „Rotliegendsandsteine“ in 2700 Metern Tiefe. Teile der Bevölkerung sind unruhig, da das Unternehmen Fracking hier nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat – obwohl die geologischen Parameter der Zielformation „rein konventionellen Bedingungen“ entspricht, wie Unternehmenssprecherin Verena Schöttl aus der Konzernzentrale in München bekräftigte. Die örtliche Bürgerinitiative lädt zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung am 4. September ein, während Bayerngas aktuell eine weitere Seismik-Kampagne im Explorationsfeld Reudnitz vorbereitet.

Die Bohrung zwischen den idyllischen Hügeln der Gemarkung Krügersdorf bei Beeskow soll im Oktober 2014 fertiggestellt sein. Sie werde zunächst senkrecht in den Untergrund gebohrt, darüber hinaus habe Bayerngas die Option für eine horizontale Ablenkung zwecks Ermittlung geeigneter Förderraten; die Horizontalstrecke solle maximal 1000 Meter betragen, wie Schöttl weiter informierte. (Das vollständige Original-Interview mit Bayerngas findet man unter „Weiterlesen“ am Ende dieses Artikels.)
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Verwaltung muss sich fragen lassen: Ist diese Sondermüllverklappung auf Hamburger Stadtgebiet zulässig?

Einpressbohrung Groß-Hamburg 2 in Sinstorf GH2 vom Nachbarn aus gesehen. Unter dem Edelstahlkasten verbirgt sich der Bohrlochskopf.
Einpressbohrung Groß-Hamburg 2 in Sinstorf
GH2 vom Nachbarn aus gesehen. Unter dem Edelstahlkasten verbirgt sich der Bohrlochskopf.
»Die Bohrung Groß-Hamburg 2 wird noch als Einpressbohrung betrieben.« Aufgrund dieser Information aus dem Landesbergamt (LBEG) wurden Umweltschützer im vergangenen Monat auf eine bisher unbekannte Praxis bei Bergbehörden und Öl-/Gaskonzernen in Deutschland aufmerksam. Denn besagte Bohrung Groß-Hamburg 2 (GH2) liegt mitten in einem Wohngebiet – in Sinstorf in der Freien und Hansestadt Hamburg. Bekannte Ein- oder Verpressbohrungen waren bisher nur außerhalb von Ortschaften bekannt.

Das der GH2 nächstgelegene Haus steht in 35 Metern Entfernung, der erste von mehreren Dauerkleingärten gegenüber liegt etwa genauso dicht an der Bohrung. Erstaunt stellten die Aktivisten dann auch noch fest, das auf der gegenüberliegenden Straßenseite, in ca. 50 Metern Entfernung, just in diesem Moment der B-Plan für ein Neubaugebiet heranreift. Hier soll Lebensraum für Familien geschaffen werden, damit sie nicht ins Umland ziehen müssen. Verwaltung muss sich fragen lassen: Ist diese Sondermüllverklappung auf Hamburger Stadtgebiet zulässig? weiterlesen

Hamburg immer mehr von Fracking-Feldern umzingelt

Erlaubnisfelder zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen rund um Hamburg (rot: Erlaubnisfelder; blau: Einzugsgebiete zur Trinkwassergewinnung) Erlaubnisfelder zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen rund um Hamburg (rot: Erlaubnisfelder; blau: Einzugsgebiete zur Trinkwassergewinnung) Genauer Feldumriss Leezen ist noch nicht bekannt
Erlaubnisfelder zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen rund um Hamburg (rot: Erlaubnisfelder; blau: Einzugsgebiete zur Trinkwassergewinnung)
Erlaubnisfelder zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen rund um Hamburg
(rot: Erlaubnisfelder; blau: Einzugsgebiete zur Trinkwassergewinnung)
Genauer Feldumriss Leezen ist noch nicht bekannt

Aufsuchungserlaubnis Leezen beantragt
Zunehmende Bedrohung der Trinkwasserressourcen

Im Nordosten von Hamburg ist ein weiteres Feld »zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen zu gewerblichen Zwecken« beantragt worden – das Feld Leezen. Dies berichteten die Lübecker Nachrichten am vergangenen Dienstag. Das norwegische Ein-Mann-Unternehmen Central Anglia SA möchte hier förderbares Erdöl bzw. Erdgas aufsuchen und natürlich auch gern finden. Das Erlaubnisfeld Leezen reicht laut der Zeitung von Malente und Plön im Norden bis nach Bad Oldesloe, Bargfeld-Stegen und Bargteheide in der südlichsten Ausdehnung, also bis an die nördliche Stadtgrenze von Hamburg heran.

Sollte die Erlaubnis Leezen erteilt werden, schließt sich der Kordon der Aufsuchungsgebiete um Hamburg weiter. Hamburg immer mehr von Fracking-Feldern umzingelt weiterlesen

Etzel, Söhlingen, Sinstorf: Sicherheit? Welche Sicherheit?

Betriebsplatz Sinstorf der GDF Suez
Sperrangelweit offen: Der Betriebsplatz Sinstorf der GDF Suez
Ein weiteres Mal wurde ein nicht abgeschlossener Betriebsplatz der Öl- und Gasindustrie angetroffen. Am letzten Dienstag fanden Mitglieder der anti-Fracking-Bürgerinitiativen in Buchholz und Hamburg bei einem Spaziergang offene Tore des Betriebsplatzes Sinstorf am Postweg im niedersächsischen Seevetal vor. Beide Tore dieses im Eingangsbereich doppelt umzäunten Geländes standen sperrangelweit offen.

Hinter dem ersten Tor die Tankstelle, an der die TKWs das hier aufgereinigte Erdöl aufnehmen und zur Raffinerie bringen. Frei zugänglich und auch für kleine Menschen leicht zu erreichen sind Schalttafeln und Hebel an dieser Tankstelle. Hinter dem zweiten Tor die Nassölaufbereitungsanlage sowie die Produktionsbohrung Sottorf 3a mit allem, was dazu gehört, einschließlich Behältern mit Methanol, Säuren und Laugen und jeder Menge Knöpfe und Hebel zum Regeln der Abläufe. Einen Hinweis auf ein Zutrittsverbot für Betriebsfremde gab es nicht, auch keine Warnschilder, wie sie sonst an derartigen Betriebsplätzen üblich sind, und auch keinen Pförtner. Nirgendwo auf dem weitläufigen Platz war Personal zu entdecken – der Platz war offenkundig verwaist.

Eine große Tafel an der Einfahrt nennt die Besitzerin dieses Betriebsplatzes: Gaz des France Suez. Die Hamburger Telefonnummer auf der Tafel führt zur Leitwarte in der Bergedorfer Randersweide. Von dort werde der Platz per Kameras überwacht, heißt es. Die offenen Tore habe man auf dem Schirm, hieß es, der Kollege vor Ort sei wohl mal eben zu einer der umliegenden Stationen unterwegs. Natürlich sei das nicht in Ordnung, wenn der Platz unbeaufsichtigt offen stünde

Zu der Frage, wie es zu diesem Sicherheitsmangel kommen konnte, hält man sich in der GdF Suez-Zentrale in Lingen noch bedeckt. „Wir prüfen derzeit den von Ihnen dargestellten Sachverhalt“, sagte der Leiter der Unternehmenskommunikation, Dr. Stefan Brieske, am Mittwoch. In der zuständigen Bergaufsicht, dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Hannover, war am Mittwoch niemand zu erreichen, der kompetent Auskunft geben konnte, weshalb Unternehmen sich trotz der erst vor wenigen Wochen erfolgten behördlichen Ermahnung nicht an die gesetzliche Vorschrift halten, ihre Betriebsplätze abzusichern.

Die Tiefbohrverordnungen der Bundesländer (Bsp. Niedersachsen) schreiben klipp und klar vor, dass die Unternehmen den unbefugten Zutritt von Betriebsfremden zu verhindern haben und dazu Verbotsschilder an allen Zugängen angebracht und die Plätze durch Zäune, Mauern o. dgl. umschlossen werden müssen.

Erst im April 2014 hatte das LBEG alle Erdöl- und Erdgasbetriebe sowie die Untergrundspeicherbetreiber in Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein in einem Rundschreiben aufgefordert, ihre Betriebsplätze im Hinblick auf die gültigen Sicherheitsvorschriften zu überprüfen und festgestellte Sicherheitsmängel zu beseitigen. Das Rundschreiben enthielt den expliziten Hinweis, die gesetzlichen Regelungen zum Öffnen und Schließen der Türen und Tore zu beachten. Besonders bei fernüberwachten Einrichtungen und Anlagen sei sicherzustellen, dass keine unbefugten Personen das Gelände betreten können. Bei der Sicherung von Betriebsplätzen und technischen Anlagen müssen die Vorgaben der Allgemeinen Bundesbergverordnung und der Tiefbohrverordnung eingehalten werden. Sollte dies nicht der Fall sein, drohe den Unternehmen ein Ordnungswidrigkeiten-Verfahren mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 Euro.

Stolze Angabe auf dem Sinstorfer Betriebsplatz
Stolze Angabe auf dem Sinstorfer Betriebsplatz
Konkreter Anlass des Rundschreibens waren Vorfälle gewesen, bei denen Sicherheitsmängel offenkundig wurden. So war auf dem Verteilerplatz 10 des Geländes der IVG Caverns GmbH in Etzel eine Tür nicht abgeschlossen sowie auf dem Erdgasförderplatz Söhlingen Z5 der ExxonMobil Production Deutschland GmbH (EMPG) ein Tor nicht verschlossen. Auch Fluchttüren ließen sich von außen öffnen, so dass ein Zutritt durch Unbefugte möglich gewesen wäre. Das LBEG hatte deswegen Bußgeldverfahren eingeleitet.

„Was bleibt, ist eine erneute Erfahrung mit dem Schlendrian der Öl- und Gasindustrie. Man müsste denen viel Vertrauen entgegen bringen bei all den Risiken ihrer Tätigkeit. Sie verspielen es aber schon im Alltag mit derartigen Kleinigkeiten.“, so der lakonische Kommentar von Ingo Engelmann am Abend nach dem Spaziergang im Seevetal.

Skandalöse Verstöße gegen Bundesberggesetz: BUND Baden-Württemberg fordert Widerruf der Lizenzen Konstanz und Biberach

BW-Aufkleber, erweitertSchwere Vorwürfe erhebt der Umweltverband BUND Baden-Württemberg gegen die Landesbergbehörde LGRB. Sowohl beim Verkauf der Inhaberin der Fracking-Aufsuchungserlaubnisse am Bodensee und in Oberschwaben, die Parkyn Energy Germany Ltd. (PEG), inklusive der Aufsuchungserlaubnisse Konstanz und Biberach als auch durch mangelnde Kontrolle der Bergbauunternehmen habe die Behörde Verstöße gegen das Bundesberggesetz toleriert, die den Widerruf dieser Lizenzen erforderlich mache. Der BUND-Ortsverband Konstanz hat daher zwei Einspruchsverfahren bei der Bergbehörde in Freiburg eröffnet, wie dessen Vorsitzende Dr. Antje Boll gestern in Stuttgart mitteilte.


Video: Rolf Heinemann, fluegel.tv

Zocken mit Fracking-Lizenzen unter den Augen von Bergbehörde und Landesregierung?

Boll erinnerte daran, dass das LGRB bereits im Oktober 2013 zu zurückhaltend in Sachen Fracking vorgegangen war. Damals hatte der BUND der Behörde mitgeteilt, dass die Lizenzinhaberin PEG von ihrem Mutterkonzern 3Legs an die Firma Rose Petroleum veräußert werden sollte. „Dies wäre laut Bergrecht genehmigungspflichtig gewesen, aber das LGRB reagierte nicht, sondern verlängerte die Lizenzen. Als wir nach dem vollzogenen Verkauf der PEG im Februar 2014 noch einmal anfragten, hieß es aus dem LGRB, dass ihm der Verkauf nicht bekannt sei, es aber den Sachverhalt prüfen würde. Diese Prüfung dauert bis heute an.“

Der BUND-Landesverband Baden-Württemberg hatte damals zusätzlich per Rechtsgutachten nachgewiesen, dass eine Versagung der Erlaubnisverlängerungen rechtssicher möglich wäre. Dennoch erteilte das Freiburger Bergamt am 19. Dezember 2013 die Erlaubnisverlängerungen für die Felder Konstanz und Biberach. Und zwar mit ausdrücklicher Billigung des Grünen Umweltministers Franz Untersteller, der zuvor und auch seitdem stets betont hat, total ernsthaft gegen Fracking einzutreten.

Vom erst geplanten und dann vollzogenen Verkauf der PEG hatte der BUND durch Pressemitteilungen der beteiligten Unternehmen erfahren, die für jedermann auf den Internetseiten von 3Legs und Rose Petroleum zugänglich sind. Diese Vorgänge sind auch dem obersten Dienstherrn des Landesbergamtes, Umweltminister Franz Untersteller bekannt, wie aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Reuther vom 26. Mai 2014 hervorgeht.

Fracking-Lizenzen für unzuverlässige, unfähige Unternehmen?

Berggesetz - was ist das? Der lockere Dreizeiler der Bergbehörde zeigt Unglaubliches
Berggesetz – was ist das? Der lockere Dreizeiler der Bergbehörde zeigt Unglaubliches
Am 7. Juli hatte Boll die Bergbehörde um Zusendung der Arbeitsberichte gebeten, die entsprechend der Zulassungsbedingungen zum 1. April hätten vorliegen müssen. Doch die Bergbehörde räumte am 11. Juli ein, dass diese dem LGRB noch nicht vorlägen. Außerdem hat BUND aufgedeckt, dass PEG die ebenfalls erforderlichen, konkretisierten Arbeitspläne für das kommende Jahr immer noch nicht vorgelegt hat. „Die Lizenzen sind unter der Bedingung verlängert worden, dass die Berichte und Pläne bis zum 1.4.2014 vorgelegt werden müssen. Das ist nach Auskunft des LGRB bis heute nicht geschehen. Das LGRB muss sich fragen lassen, warum es diesen Verstoß gegen das Bergrecht stillschweigend duldet“, so Boll.

Von einer „Unzuverlässigkeit“ wird gesprochen, wenn sich ein Unternehmen dahingehend verhält, dass nicht zu erwarten ist, dass es zukünftig sein Gewerbe ordnungsgemäß ausüben wird. Eine solche Unzuverlässigkeit liegt beispielsweise vor, wenn der Betreffende seinen Erklärungspflichten über einen längeren Zeitraum nicht nachgekommen ist. Die BUND-Landesgeschäftsführerin Sylvia Pilarsky-Grosch dazu: „Wir sind der Auffassung, dass Zweifel an der nach dem Bundesberggesetz erforderlichen Zuverlässigkeit von PEG bestehen, „daher sind die Fracking-Lizenzen der PEG zurückzunehmen.“

Fachaufsicht sieht die Dinge locker

Der Grüne Umweltminister Franz Untersteller hat lt. Stuttgarter Zeitung bestätigt, dass das Unternehmen die Frist am 1. April verstreichen ließ, ohne ein konkretisiertes Arbeitsprogramm vorzulegen. „Eine Fristversäumnis dieser Art bietet allerdings keine Grundlage für den Konzessionsentzug“, habe der Chef der Obersten Bergbehörde der Zeitung gesagt. Dass das LBRG aber erst an die Fristversäumnis erinnert werden musste, entspreche nicht seinem Verständnis von Sensibilität. In die fachliche Kompetenz der Behörde habe er aber vollstes Vertrauen.

Skandalöse Ignoranz

Nachdem der BUND die eklatanten Versäumnisse der Bergbehörde aufgedeckt hatte, setzte dieses dem Unternehmen eine neue Frist bis Mitte August. Auf welcher Rechtsgrundlage es meint, die Versäumnisse einfach wegwischen zu können, statt entsprechend der gesetzlichen Vorschriften zu handeln, bleibt dabei unklar. „Es handelt sich bei den Bedingungen in den Aufsuchungslizenzen nicht um Auflagen, die man erfüllt oder nicht, sondern um Bedingungen. Wenn diese nicht erfüllt werden, sind die Erlaubnisse erloschen.“ erklärt Antje Boll mit Verweis auf das Bundesberggesetz. In ihrem Schreiben an Axel Brasse, Leiter der Landesbergdirektion, vom 14. Juli 2014 macht sie unmissverständlich klar:

Die PEG hat eindeutig gegen die von Ihnen in der Verlängerung der Aufsuchungserlaubnis festgelegte Nebenbestimmung verstoßen. Somit ist der Versagungsgrund des § 11 Nr. 3 BBergG weiterhin gegeben.

Die Nichtbeachtung der Nebenbestimmung durch den Erlaubnisinhaber rechtfertigt außerdem die Annahme, dass die nach § 11 Nr. 6 BBergG geforderte Zuverlässigkeit nicht vorliegt.

Deshalb fordern wir Sie auf, die erteilten Erlaubnisse zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen in den Feldern Konstanz und Biberach gemäß § 18 Abs. 1 BBergG unverzüglich zu widerrufen.

Eine Antwort von Herrn Brasse ist noch nicht eingetroffen.