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„Ablehnen kann man Fracking dann immer noch.“

Antwort auf den Kommentar von Stefan Sauer „Fracking: Fracking ist nicht gleich Fracking“, Frankfurter Rundschau, 27.09.2014

Straßenschild "Irrweg", Marmsdorf Fracking in näherer Zukunft für eine Option zu halten, ist ein Irrweg[/caption]Lieber Kollege Sauer,

mit großem Interesse habe ich Ihre formallogisch stringenten Überlegungen zum „Fracking ist nicht gleich Fracking“ in der FR online vom letzten Sonnabend gelesen. Sie fordern darin, Nutzen und Risiko von Fracking zu prüfen und es ggf. erst dann abzulehnen. Keine Frage: Etwas Neues von vornherein zu verdammen und abzulehnen, ohne zu wissen, was dahintersteckt, ist irrational, unwissenschaftlich und zeugt möglicherweise von Angst oder anderen negativen Gefühlen, auf deren Grundlage keine vernünftige Debatte möglich ist.

Ihr Hinweis „Fracking ist nicht gleich Fracking“ ist goldrichtig und auch nötig, denn sowohl von Befürworter- als auch von Ablehnerseite wird der Begriff „Fracking“ nur allzuoft undifferenziert gebraucht. Fracking ist nicht gleich Fracking, weil die technische Weiterentwicklung, die die Methode des hydraulischen Aufreißens von Gesteinen seit ihrer Einführung im Jahr 1949 genommen hat, enorm ist. Mit der anfänglichen „Stimulation“ weniger Meter um ein vertikales Bohrloch herum hat das heute eingesetzte, hydraulische Frakturieren in Horizontalbohrungen nur noch das Prinzip der Risserzeugung gemein. Alle anderen Parameter sind mittlerweile um Potenzen extremer – der eingesetzte Druck (bis zu 1600 bar), der Wasserverbrauch (bis über 1000 Kubikmeter pro Frack), die Risslängen (bis zu mehreren Hundert Metern), das frakturierte Gebirgsvolumen (z. B. in Saal, Vorpommern (Bohrung Barth 11) rechnerisch rund 180 Tausend Kubikmeter bei 70 Metern Risshalblänge und 10 Fracks im Abstand von rund 100 Metern), die Mengen an mitgeförderter „Chemie aus der Erde“ (Lagerstättenwasser), die ausgestoßene Menge von Treibhausgasen wie CO2 und Methan etc.

Ihre Schlussfolgerung „Es bedarf einer gründlichen Prüfung, um Nutzen und Risiken abzuwägen.“ ist logisch konsequent und entspricht der erforderlichen, wissenschaftlich objektiven Herangehensweise an neue Fragestellungen.

Ihr Fazit „Ablehnen kann man Fracking dann immer noch.“ kann ich allerdings nicht unterschreiben. Einfach deshalb, weil eine gründliche Prüfung schon lange stattgefunden hat und eine Nutzen-Risiko/Schaden-Abwägung längst erfolgt ist.

In der Kritik steht aktuell die „moderne“ Form des Fracking, besser bekannt unter der Bezeichnung high volume hydraulic fracturing – Fracking mit großen Mengen an Wasser und Sand und mehr oder weniger großen Mengen an chemischen Zusätzen, durchgeführt zumeist in Horizontalbohrungen. Sie wird nicht nur in den USA und nicht nur in Schiefer angewandt, sondern, beginnend Mitte der 1990er-Jahre, auch in Deutschland, und zwar überwiegend in Sandstein, in sogenannten tight-Gaslagerstätten. Das Pilotprojekt in Deutschland dafür war ExxonMobils Bohrung „Söhlingen Z10“ im Jahr 1995. Mithin gibt es nicht nur aus Amerika, sondern auch schon aus dem eigenen Land ausreichend Erfahrungen für eine fundierte Analyse.

Die wirtschafts- und klimapolitische Prüfung hat ergeben, dass u. a. der immense Wasser- und Flächenverbrauch sowie der nicht unerhebliche Ausstoß von Klimagasen in keinem günstigen Verhältnis zum Nutzen des Fracking steht. Erdgas, das in Deutschland mit Fracking bisher gewonnen wurde und zukünftig theoretisch gewinnbar ist, kann nur einen winzigen Beitrag zum Primärenergiemix liefern, nämlich 2 bis 3 Prozent. Übertragen auf den Endverbrauch in Deutschland würde der Anteil von gefracktem Erdgas aus Deutschland sogar nur rund 0,6666 Prozent ausmachen. Neue Arbeitsplätze würden in Deutschland nur wenige geschaffen – es sei denn, Sie zählen die indirekten Arbeitsplätze dazu, beispielsweise in Hotels, Pensionen oder auch Prostituierte, oder jene Arbeitsplätze, die aufgrund von erwartbaren Langzeitfolgen entstehen müssten, vor allem im Gesundheitswesen .
Auch aus finanzwirtschaftlicher Sicht wäre die baldige Ausbeutung von Gas und Öl durch Fracking Unsinn. Diese Ressourcen liegen jetzt noch auf der Haben-Seite auf dem Konto Deutschlands und werden an Wert gewinnen, wenn sie da zunächst einmal liegen bleiben. Sie jetzt ohne Not zu fördern und zu verpulvern, würde bedeuten, Deutschland ärmer als nötig zu machen.

Die technische Prüfung hat ergeben, dass der Einsatz der Fracking-Methode jetzt schon bei Weitem nicht so folgenlos ist, wie behauptet. In Deutschland werde seit 1961 gefrackt und nie sei ein Umweltschaden zu beobachten gewesen, heißt es sowohl von Industrie- als auch von Behördenseite. Dabei ist klar: Wenn nicht beobachtet (monitoriert und dokumentiert) wird, dann sind eingetretene Schäden auch nicht zu verzeichnen. Wenn Sie einmal die Liste der Störfälle anschauen möchten, sehen Sie dort auch Schäden, die im Zusammenhang mit Fracking eingetreten sind. Erst seit Kurzem gibt es, auf Drängen besorgter Bürger, punktuell erste Untersuchungen möglicher Auswirkungen der Erdgasförderung auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Langsam erhärtet sich der Verdacht, dass in Deutschland genau wie in Nordamerika Umwelt und Gesundheit massiv beeinträchtigt werden. In Nordamerika gibt es mittlerweile unumstößliche, wissenschaftlich belegte negative Folgen für Wasser, Boden, Luft und Gesundheit; in Deutschland noch nicht, weil hier die Forschung eben erst anfängt.
Technische Weiterentwicklungen, die Umweltbelastungen begrenzen oder gar beseitigen könnten, sind bisher eher nicht bekannt. ExxonMobils jüngste Errungenschaft – ein Fluid zum Fracken von Schiefergaslagerstätten mit nur noch zwei, etwas weniger bedenklichen Chemikalien – erinnert an die Ringelnatz’schen Ameisen, die von Altona nach Australien auswandern wollten: Aber auf der Elbchaussee / taten ihnen die Füße weh. Ungiftige Frackfluide können die verbleibenden Probleme nicht lösen. Die unbeherrschbaren Probleme, die das massenhafte Herumstochern in der und hektoliterweise Injizieren von Flüssigkeiten in die und Aussaugen von Kohlenwasserstoffen aus der Erdkruste mit sich bringt, sind nicht einmal ansatzweise kontrollierbar.

Ich nehme an, wir sind uns einig, dass wir unter Fracking nicht nur den eigentlichen Frackvorgang verstehen, sondern die gesamte Prozesskette inklusive der notwendigen Infrastruktur für Fracking und seine kurz-, mittel- und langfristigen Folgen meinen. Der erhebliche Verbrauch von Wasser, das für die Trinkwasserversorgung und die Landwirtschaft gebraucht wird; die Verwüstung ganzer Landstriche durch neue Straßen, Betriebsplätze und Pipelines; der erhebliche Eintrag von Klimagasen in die ohnehin schon aufgeheizte Atmosphäre; der riesige Anfall von flüssigem Sondermüll, für den es bis heute keine andere Entsorgungspraxis als die unterirdische Verklappung mit all ihren Gefahren für das Grundwasser gibt; zunehmende Beeinträchtigung der Volksgesundheit mit den damit verbundenen Kosten (abgesehen von dem unermesslichen Leid, die Krankheiten und verfrühter Tod über die betroffenen Menschen bringen) – all dies sind Aspekte, die in die Abwägung mit einfließen müssen.

Der Nutzen von gefrackten Produkten für die Gemeinschaft – und damit meine ich nicht die Konzerne und ihre politischen Adlaten! – kann die Gefahren, Gefährdungen und Risiken von Fracking in seinem heutigen Entwicklungsstand nicht aufwiegen. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, braucht man nicht von Angst getrieben zu sein. Dazu reicht kühles Kalkulieren. Nichts anderes tun die Fachleute im Widerstand gegen Fracking, denen aus dem pro-Fracking-Lager von „namhaften“ Geologen „Urängste“ und Unwissenschaftlichkeit unterstellt werden und denen z. B. der Energieexperte Steffen Bukold „beeindruckenden Sachverstand“ bescheinigt.

Wenn sich irgendwann, in naher oder ferner Zukunft, tatsächlich eine Notwendigkeit zeigen sollte, dass die Menschheit auf dieses schwer erreichbare Gas oder Öl zurückgreifen muss, und wenn die technischen Möglichkeiten es dann erlauben, diese Bodenschätze ohne nennenswerte Gefährdung von Umwelt und Gesundheit zu heben, dann kann in der Tat neu über Fracking nachgedacht werden. Heute aber hat Fracking nach Öl oder Gas überhaupt keinen Sinn – jedenfalls nicht für die Gemeinschaft der Menschen, die hier leben – und ist daher nichts als grober Unfug.

Schöne Grüße
Carin Schomann, Freie Journalistin und aktiv im Widerstand gegen Fracking

Signifikant erhöhte Blutkrebsrate bei Männern in Bothel: Ist die Erdgasförderung schuld?

Ist die Heide mit krebserregenden Stoffen kontaminiert?
Ist die Heide mit krebserregenden Stoffen kontaminiert?

Epidemiologische Untersuchung der Samtgemeinde Bothel veröffentlicht:
Männer zweimal so häufig wie erwartet an Blutkrebs erkrankt

Gestern wurden in Rotenburg an der Wümme die Ergebnisse einer kleinen Krebsstudie vorgestellt. Auf Initiative von besorgten Bürgerinnen und Bürgern waren die Diagnosehäufigkeiten fast aller Krebsarten bei der Bevölkerung der Samtgemeinde Bothel, mitten im niedersächsischen Gasland, anhand des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen untersucht worden. Herausragendes Ergebnis ist eine statistisch signifikant erhöhte Erkrankungsrate an Blutkrebs bei Männern. Die zweite meistbetroffene Gruppe sind Kinder bis 14 Jahre, ebenfalls mit Blutkrebs. Signifikant erhöhte Blutkrebsrate bei Männern in Bothel: Ist die Erdgasförderung schuld? weiterlesen

Ölindustrie versenkt fast 1 Million Kubikmeter Giftmüll unter Hamburger Wohngebiet

Oberflächlich unscheinbar: Flurstück 1619 am Sinstorfer Weg. Hier wird hochgiftiger Flüssigmüll in den Untergrund eingepresst.
Oberflächlich unscheinbar: Flurstück 1619 am Sinstorfer Weg. Hier wird hochgiftiger Flüssigmüll in den Untergrund eingepresst.
Ölindustrie versenkt fast 1 Million Kubikmeter Giftmüll unter Hamburger Wohngebiet

Schon seit 1995 wird in dem beschaulichen Hamburger Vorort Sinstorf gesundheitsgefährlicher Flüssigmüll, nämlich Lagerstättenwasser aus der niedersächsischen Erdölproduktion verklappt. Bis Ende August 2014 wurden hier, in der ehemaligen Erdölförderbohrung Groß-Hamburg-2 (GH2), 951187 Kubikmeter des Problemstoffes im Untergrund endgelagert, so der Hamburger Senat in seiner Antwort auf eine Schriftliche Kleine Anfrage[PDF] des Grünen Bürgerschaftsabgeordneten Jens Kerstan. Diese Maßnahme sei erforderlich, »um den Lagerstättendruck aufrecht zu erhalten«, gibt der Senat die Auskunft der Technokraten in den Bergbehörden weiter. Damit wird eine technische Notwendigkeit in den Vordergrund gestellt, die über einen möglichen Umweltskandal hinwegtäuscht. Nicht unumstritten ist die wasserrechtliche Zulassungsfähigkeit derartiger Bohrungen. Kritische Experten bezeichnen solche Einpressbohrungen wie in Sinstorf aus geochemischer Sicht als »tickende Zeitbomben«.
Ölindustrie versenkt fast 1 Million Kubikmeter Giftmüll unter Hamburger Wohngebiet weiterlesen

Schluss mit dem Weglächeln: Fracking verschmutzt Trinkwasserressourcen

Brennender Wasserhahn (gesehen in "Gasland I" by Josh Fox)
Brennender Wasserhahn (gesehen in „Gasland I“ by Josh Fox)
Umweltbehörde musste die Hosen runterlassen: Öl- und Gasproduktion in Pennsylvania hat Hunderte Trinkwasserbrunnen verschmutzt

Tatsachen jahrelang verschwiegen

Am 24. Dezember 2007 erhielt ein geschädigter Brunnenbesitzer in Venango County, Pennsylvania, USA, ein Schreiben von der Umweltbehörde: „The Department’s preliminary investigation has determined that Great Lakes Resources (a.k.a. Range Resouces-Appalachia) has affected your water supply during the drilling of their [Name geschwärzt] well.“[1]

Am 4. April 2008 schrieb dieselbe Behörde einem Beschwerdeführer aus Foster im Nordwesten des Landes: „After reviewing the results of your spring water analysis, the Department has concluded that recent oil and gas activity has caused your water supply to become contaminated.“[2]

20071224_complaint250746Dies sind die ersten beiden dokumentierten Fälle, die die Umweltbehörde von Pennsylvania seit Jahren in der Schublade hatte und jetzt offenlegte. Endlich kommt ans Licht, was Industrie, Verwaltung, Wissenschaft und Politik stets in Abrede gestellt hatten: Zahlreiche Fälle von Hausbrunnen-Verschmutzungen, die eindeutig auf das Konto der Öl- und Gasförderung gehen. Erst auf monatelangen, massiven Druck von Bürgern und Journalisten hat die Umweltbehörde jetzt eine Liste offengelegt, die belegt, dass tatsächlich die Öl- und Gasförderung zahlreiche Brunnen verschmutzt und unbrauchbar gemacht hat. In dieser Liste führt die Behörde 206 Brunnen auf, für die es 243 Vorgänge gibt – sei es die Feststellung einer Verschmutzung, sei es eine nachfolgende, alternative Wasserversorgung für die betroffenen Brunnenbesitzer.

Bereits zu Jahresbeginn 2014 hatten Journalisten von Associated Press Ungeheuerliches entdeckt. Damals wurden in Pennsylvania mindestens 106 Kontaminationen von Hausbrunnen behördlicherseits bestätigt, die seit dem Beginn des Fracking-Booms im Jahr 2005 aufgetreten waren. In den US-Bundesstaaten Ohio, West Virginia und Texas lagen Tausende von Beschwerden über verschmutztes Brunnenwasser vor, wovon jedoch nur sechs in Ohio als durch Fracking verursacht anerkannt wurden. Später im Frühjahr konnten Wissenschaftler anhand der texanischen Behördendaten in mehreren Fällen Fracking als Verursacher der Kontamination nachweisen.

Trotzdem wird diese unumstößliche Tatsache, dass Fracking das Trinkwasser nicht nur bedroht, sondern auch tatsächlich beeinträchtigt, von einigen Ewiggestrigen bis heute negiert. Milde lächelnd werfen diese Fracking-Befürworter denen, die auf die Gefahr hinweisen, Panikmache vor. So zuletzt im panorama3-Beitrag des NDR, der bekannte Fakten schlicht ignorierte und unter anderem behauptete, dass es stets nur Sumpfgas sei, das für Methan im Grund- oder Trinkwasser verantwortlich sei.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die verantwortlichen Entscheider, die zum Beispiel heute in Berlin über die geplanten Fracking-Gesetze beraten, nicht von solch plumper Bauernfängerei übertölpeln lassen.

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[1] Übersetzung: „Die vorläufigen Untersuchungen der Umweltbehörde haben ergeben, dass Great Lakes Energy (a.k.a. Range Resources-Appalachia) Ihre Wasserversorgung während des Bohrens und Frackens ihrer [Name geschwärzt]-Bohrung beschädigt hat.“

[2] Übersetzung: „Nach Überprüfung der Analyseergebnisse Ihres Brunnenwassers sind wir [die Umweltbehörde] zu dem Schluss gekommen, das eine kürzlich stattgefundene Maßnahme im Bereich der Öl-/Gasförderung eine Kontamination Ihrer Wasserversorgung verursacht hat.“

Verwaltung muss sich fragen lassen: Ist diese Sondermüllverklappung auf Hamburger Stadtgebiet zulässig?

Einpressbohrung Groß-Hamburg 2 in Sinstorf GH2 vom Nachbarn aus gesehen. Unter dem Edelstahlkasten verbirgt sich der Bohrlochskopf.
Einpressbohrung Groß-Hamburg 2 in Sinstorf
GH2 vom Nachbarn aus gesehen. Unter dem Edelstahlkasten verbirgt sich der Bohrlochskopf.
»Die Bohrung Groß-Hamburg 2 wird noch als Einpressbohrung betrieben.« Aufgrund dieser Information aus dem Landesbergamt (LBEG) wurden Umweltschützer im vergangenen Monat auf eine bisher unbekannte Praxis bei Bergbehörden und Öl-/Gaskonzernen in Deutschland aufmerksam. Denn besagte Bohrung Groß-Hamburg 2 (GH2) liegt mitten in einem Wohngebiet – in Sinstorf in der Freien und Hansestadt Hamburg. Bekannte Ein- oder Verpressbohrungen waren bisher nur außerhalb von Ortschaften bekannt.

Das der GH2 nächstgelegene Haus steht in 35 Metern Entfernung, der erste von mehreren Dauerkleingärten gegenüber liegt etwa genauso dicht an der Bohrung. Erstaunt stellten die Aktivisten dann auch noch fest, das auf der gegenüberliegenden Straßenseite, in ca. 50 Metern Entfernung, just in diesem Moment der B-Plan für ein Neubaugebiet heranreift. Hier soll Lebensraum für Familien geschaffen werden, damit sie nicht ins Umland ziehen müssen. Verwaltung muss sich fragen lassen: Ist diese Sondermüllverklappung auf Hamburger Stadtgebiet zulässig? weiterlesen

Hamburg immer mehr von Fracking-Feldern umzingelt

Erlaubnisfelder zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen rund um Hamburg (rot: Erlaubnisfelder; blau: Einzugsgebiete zur Trinkwassergewinnung) Erlaubnisfelder zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen rund um Hamburg (rot: Erlaubnisfelder; blau: Einzugsgebiete zur Trinkwassergewinnung) Genauer Feldumriss Leezen ist noch nicht bekannt
Erlaubnisfelder zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen rund um Hamburg (rot: Erlaubnisfelder; blau: Einzugsgebiete zur Trinkwassergewinnung)
Erlaubnisfelder zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen rund um Hamburg
(rot: Erlaubnisfelder; blau: Einzugsgebiete zur Trinkwassergewinnung)
Genauer Feldumriss Leezen ist noch nicht bekannt

Aufsuchungserlaubnis Leezen beantragt
Zunehmende Bedrohung der Trinkwasserressourcen

Im Nordosten von Hamburg ist ein weiteres Feld »zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen zu gewerblichen Zwecken« beantragt worden – das Feld Leezen. Dies berichteten die Lübecker Nachrichten am vergangenen Dienstag. Das norwegische Ein-Mann-Unternehmen Central Anglia SA möchte hier förderbares Erdöl bzw. Erdgas aufsuchen und natürlich auch gern finden. Das Erlaubnisfeld Leezen reicht laut der Zeitung von Malente und Plön im Norden bis nach Bad Oldesloe, Bargfeld-Stegen und Bargteheide in der südlichsten Ausdehnung, also bis an die nördliche Stadtgrenze von Hamburg heran.

Sollte die Erlaubnis Leezen erteilt werden, schließt sich der Kordon der Aufsuchungsgebiete um Hamburg weiter. Hamburg immer mehr von Fracking-Feldern umzingelt weiterlesen

Skandalöse Verstöße gegen Bundesberggesetz: BUND Baden-Württemberg fordert Widerruf der Lizenzen Konstanz und Biberach

BW-Aufkleber, erweitertSchwere Vorwürfe erhebt der Umweltverband BUND Baden-Württemberg gegen die Landesbergbehörde LGRB. Sowohl beim Verkauf der Inhaberin der Fracking-Aufsuchungserlaubnisse am Bodensee und in Oberschwaben, die Parkyn Energy Germany Ltd. (PEG), inklusive der Aufsuchungserlaubnisse Konstanz und Biberach als auch durch mangelnde Kontrolle der Bergbauunternehmen habe die Behörde Verstöße gegen das Bundesberggesetz toleriert, die den Widerruf dieser Lizenzen erforderlich mache. Der BUND-Ortsverband Konstanz hat daher zwei Einspruchsverfahren bei der Bergbehörde in Freiburg eröffnet, wie dessen Vorsitzende Dr. Antje Boll gestern in Stuttgart mitteilte.


Video: Rolf Heinemann, fluegel.tv

Zocken mit Fracking-Lizenzen unter den Augen von Bergbehörde und Landesregierung?

Boll erinnerte daran, dass das LGRB bereits im Oktober 2013 zu zurückhaltend in Sachen Fracking vorgegangen war. Damals hatte der BUND der Behörde mitgeteilt, dass die Lizenzinhaberin PEG von ihrem Mutterkonzern 3Legs an die Firma Rose Petroleum veräußert werden sollte. „Dies wäre laut Bergrecht genehmigungspflichtig gewesen, aber das LGRB reagierte nicht, sondern verlängerte die Lizenzen. Als wir nach dem vollzogenen Verkauf der PEG im Februar 2014 noch einmal anfragten, hieß es aus dem LGRB, dass ihm der Verkauf nicht bekannt sei, es aber den Sachverhalt prüfen würde. Diese Prüfung dauert bis heute an.“

Der BUND-Landesverband Baden-Württemberg hatte damals zusätzlich per Rechtsgutachten nachgewiesen, dass eine Versagung der Erlaubnisverlängerungen rechtssicher möglich wäre. Dennoch erteilte das Freiburger Bergamt am 19. Dezember 2013 die Erlaubnisverlängerungen für die Felder Konstanz und Biberach. Und zwar mit ausdrücklicher Billigung des Grünen Umweltministers Franz Untersteller, der zuvor und auch seitdem stets betont hat, total ernsthaft gegen Fracking einzutreten.

Vom erst geplanten und dann vollzogenen Verkauf der PEG hatte der BUND durch Pressemitteilungen der beteiligten Unternehmen erfahren, die für jedermann auf den Internetseiten von 3Legs und Rose Petroleum zugänglich sind. Diese Vorgänge sind auch dem obersten Dienstherrn des Landesbergamtes, Umweltminister Franz Untersteller bekannt, wie aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Reuther vom 26. Mai 2014 hervorgeht.

Fracking-Lizenzen für unzuverlässige, unfähige Unternehmen?

Berggesetz - was ist das? Der lockere Dreizeiler der Bergbehörde zeigt Unglaubliches
Berggesetz – was ist das? Der lockere Dreizeiler der Bergbehörde zeigt Unglaubliches
Am 7. Juli hatte Boll die Bergbehörde um Zusendung der Arbeitsberichte gebeten, die entsprechend der Zulassungsbedingungen zum 1. April hätten vorliegen müssen. Doch die Bergbehörde räumte am 11. Juli ein, dass diese dem LGRB noch nicht vorlägen. Außerdem hat BUND aufgedeckt, dass PEG die ebenfalls erforderlichen, konkretisierten Arbeitspläne für das kommende Jahr immer noch nicht vorgelegt hat. „Die Lizenzen sind unter der Bedingung verlängert worden, dass die Berichte und Pläne bis zum 1.4.2014 vorgelegt werden müssen. Das ist nach Auskunft des LGRB bis heute nicht geschehen. Das LGRB muss sich fragen lassen, warum es diesen Verstoß gegen das Bergrecht stillschweigend duldet“, so Boll.

Von einer „Unzuverlässigkeit“ wird gesprochen, wenn sich ein Unternehmen dahingehend verhält, dass nicht zu erwarten ist, dass es zukünftig sein Gewerbe ordnungsgemäß ausüben wird. Eine solche Unzuverlässigkeit liegt beispielsweise vor, wenn der Betreffende seinen Erklärungspflichten über einen längeren Zeitraum nicht nachgekommen ist. Die BUND-Landesgeschäftsführerin Sylvia Pilarsky-Grosch dazu: „Wir sind der Auffassung, dass Zweifel an der nach dem Bundesberggesetz erforderlichen Zuverlässigkeit von PEG bestehen, „daher sind die Fracking-Lizenzen der PEG zurückzunehmen.“

Fachaufsicht sieht die Dinge locker

Der Grüne Umweltminister Franz Untersteller hat lt. Stuttgarter Zeitung bestätigt, dass das Unternehmen die Frist am 1. April verstreichen ließ, ohne ein konkretisiertes Arbeitsprogramm vorzulegen. „Eine Fristversäumnis dieser Art bietet allerdings keine Grundlage für den Konzessionsentzug“, habe der Chef der Obersten Bergbehörde der Zeitung gesagt. Dass das LBRG aber erst an die Fristversäumnis erinnert werden musste, entspreche nicht seinem Verständnis von Sensibilität. In die fachliche Kompetenz der Behörde habe er aber vollstes Vertrauen.

Skandalöse Ignoranz

Nachdem der BUND die eklatanten Versäumnisse der Bergbehörde aufgedeckt hatte, setzte dieses dem Unternehmen eine neue Frist bis Mitte August. Auf welcher Rechtsgrundlage es meint, die Versäumnisse einfach wegwischen zu können, statt entsprechend der gesetzlichen Vorschriften zu handeln, bleibt dabei unklar. „Es handelt sich bei den Bedingungen in den Aufsuchungslizenzen nicht um Auflagen, die man erfüllt oder nicht, sondern um Bedingungen. Wenn diese nicht erfüllt werden, sind die Erlaubnisse erloschen.“ erklärt Antje Boll mit Verweis auf das Bundesberggesetz. In ihrem Schreiben an Axel Brasse, Leiter der Landesbergdirektion, vom 14. Juli 2014 macht sie unmissverständlich klar:

Die PEG hat eindeutig gegen die von Ihnen in der Verlängerung der Aufsuchungserlaubnis festgelegte Nebenbestimmung verstoßen. Somit ist der Versagungsgrund des § 11 Nr. 3 BBergG weiterhin gegeben.

Die Nichtbeachtung der Nebenbestimmung durch den Erlaubnisinhaber rechtfertigt außerdem die Annahme, dass die nach § 11 Nr. 6 BBergG geforderte Zuverlässigkeit nicht vorliegt.

Deshalb fordern wir Sie auf, die erteilten Erlaubnisse zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen in den Feldern Konstanz und Biberach gemäß § 18 Abs. 1 BBergG unverzüglich zu widerrufen.

Eine Antwort von Herrn Brasse ist noch nicht eingetroffen.

Rotenburg wacht langsam auf

Betriebsplatz Bötersen Z10(2) im 1. Halbjahr 2008, 2 Fracks am 1. Nov. 2008: Damals haben Politik und Verwaltung in Rotenburg noch tief und fest geschlafen
Betriebsplatz Bötersen Z10(2) im 1. Halbjahr 2008, 2 Fracks am 1. Nov. 2008: Damals haben Politik und Verwaltung in Rotenburg noch tief und fest geschlafen
Rotenburger Ortspolitiker fordern Ausweitung der Kontrollen von Erdgasförderplätzen, ein Verbot von offenen Gasfackeln und einen 1000-Meter-Abstand für Fracking von allen schutzwürdigen Gebieten
Fracking selbst bleibt aber unangetastet


 
Seit über 110 Jahren werden im Landkreis Rotenburg an der Wümme Öl und Gas gefördert. Diese Industrie gehört hier zum Alltag, ist nichts Besonderes, gibt vielen Lohn und Brot. Der erste Frack fand hier laut der offiziellen Frac-Liste des LBEG [PDF] im Jahre 1982 statt, im Gasfeld Söhlingen, in der Bohrung Z4. Nach der offiziellen Frac-Liste gab es insgesamt 69 Fracks allein in diesem Landkreis – es muss allerdings bezweifelt werden, dass diese Liste vollständig ist, denn in der Bohrung Wittorf Z1(2) ist Zeitzeugen zufolge auch wenigstens einmal gefrackt worden. Dieser Frack fehlt aber auf der LBEG-Liste.

Am Anfang wurde diese „neue Technologie aus Amerika“ bestaunt und imponierte nur, kaum jemand hat sich etwas dabei gedacht außer dem damals zeitgemäßen Motto „Das ist Fortschritt, das bringt Wachstum und Wohlstand“.

Inzwischen hat sich das grundlegend geändert. Seit Frühjahr 2014 fördern Anwohner und Umweltschützer mehr und mehr konkrete Hinweise auf die negativen Umwelt- und Gesundheitsfolgen der gängigen Erdgasförderung zu Tage. Die bringen mittlerweile sämtliche Ebenen der niedersächsischen Verwaltung auf Trab. Eilige Pressestatements aus dem Wirtschaftsministerium, mit heißer Nadel genähte Pressemitteilungen vom Landesbergamt, Krisensitzungen mit kommunaler Verwaltung, Landesbergamt, Unternehmen und Bürgern, das Unternehmen ExxonMobil, das seine Praktiken scheibchenweise preisgibt – was ist hier im Landkreis all die Jahre vor sich gegangen?

„Verdachtsmomente und Gefährdungsvermutungen“
„Verdachtsmomente und Gefährdungsvermutungen haben ein Ausmaß erreicht, dass nicht länger ignoriert werden darf“, begründet Bernd Wölbern (SPD) den gemeinsamen Antrag der SPD-, Grünen- und WFB-Fraktion im Rotenburger Kreistag, der am 10. Juli in der Kreistagssitzung in Bremervörde diskutiert werden soll. Es drängt sich die Frage auf, was wäre, wenn Anwohner und Umweltschützer jetzt nicht mit dem Finger auf die Missstände gezeigt hätten, wenn sie keine „Verdachtsmomente“ auf den Tisch gelegt und keine „Gefährdungsvermutungen“ provoziert hätten. Würde Rotenburg dann weiterschlafen und den jüngst installierten „Arbeitskreis Fracking“ weiter als Feigenblattveranstaltung vor sich hindümpeln lassen? Würden die Verschmutzungen weiter passieren und die Gasindustrie weiter so praktizieren, während die zuständigen Behörden wegschauen?

Am 10. Juli wird also im Rotenburger Kreistag diskutiert, wie das Unheil abgestellt werden kann. Die Beschlussvorlage des Kreisrats Lühring gibt die Richtung vor. Von einer Ablehnung des Fracking oder gar einer Verbotsforderung steht da nichts. Die Vorlage berücksichtigt die Anträge der CDU/FDP-Fraktion und des Linken-Abgeordneten Damberg. Während Damberg die „zügige Offenlegung aller über die Gasförderplätze vorliegenden Gutachten und Messwerte und sonstige Erkenntnisse über die Ausbreitung von Schadstoffen über Boden , Luft und Wasser bei den Frackingmaßnahmen im LK ROW und eine Diskussion im Umweltausschuss mit unabhängigen Experten“ fordert, wünscht sich Willi Bargfrede im Namen seiner Fraktion das sofortige Verbot von offenen Fackeln (außer in Notfällen) und deren Ersatz durch enclosed burners, welche Licht- und Schallemissionen sowie den Ausstoß von Stickoxiden mindern. Warum die Fraktion nicht den sofortigen Stopp des nutzlosen Abfackelns anregt, wird sie eventuell in der Sitzung erläutern.

Kasperletheater
Dem Abgeordneten Damberg dauert das alles schon viel zu lange. Ist er doch schon seit Jahren dabei, mit Anfragen und Anträgen auf die Gefahren der unkontrollierten Erdgassuche und -förderung hinzuweisen und auf ein Ende des Laissez-faire zu dringen. Schon vor über einem Jahr ist der Kreisverwaltung auf sein Betreiben hin ein Information des LBEG und ein Gutachten zur Kenntnis gekommen, nach dem zum Beispiel immer noch unzulässige Kunststoffleitungen für Lagerstättenwasser im Einsatz sind. „Wir werden zur Kreistagssitzung in Bremervörde die Besucher mit Kasperle-Mützen erwarten, um auf die Situation beim Fracking aufmerksam zu machen“, kündigt Damberg an.

Sitzung des Rotenburger Kreistages
10. Juli 2014, ab 9:00 Uhr
Bremervörde, Bremervörde, Kreishaus, großer Sitzungssaal

Zum Foto:
Die Bohrung Bötersen Z10(1) ist eine von Hunderten im Landkreis Rotenburg und liegt nördlich von Unterstedt, zwischen der Verdener Landstraße und dem Kleinen Bullensee. Sie stammt aus dem Jahr 1900 und soll der Ölförderung gedient haben.
Die Bohrung Bötersen Z10(2) wurde von 20.01. bis 08.06.2008 für RWE Dea niedergebracht. Sie hat eine Endteufe („Gesamtlänge“) von 5090 Metern, davon knapp 1000 Meter in südwestlicher horizontaler Ablenkung. Am 1. November 2008 ist die Bohrung lt. LBEG-Frac-Liste zweimal gefrackt worden. Das LBEG meldete die Bohrung 2009 als „gasfündig“. Im März 2014 ging die RWE Dea und damit auch diese Bohrung in das Konsortium LetterOne des russischen Oligarchen German Khan über.

Quecksilberfunde im Oberboden nahe von Söhlinger Erdgasbohrungen

Workover an der Förderbohrung Söhlingen Z1
Workover an der Förderbohrung Söhlingen Z1 (Foto: Battenbrook/wikimedia
Bodenproben im Erdgasfeld Söhlingen zeigen stellenweise starke Belastung mit Quecksilber

Bodenanalysen im Gasfeld Söhlingen, die der Rotenburger NABU durchgeführt hat, haben aktuell gezeigt, dass der Boden stellenweise weit über dem Grenzwert der Harmlosigkeit mit Quecksilber belastet ist. „In der Nähe der Plätze Z6 und Ost Z1 seien die Naturschützer mit ihren wenigen Stichproben eindeutig fündig geworden: Mit 4,2 und 6,7 Milligramm Quecksilber je Kilogramm Boden lägen die gemessenen Werte etwa um die Faktoren 40 und 70 über dem Gehalt unbelasteten Bodens aus der Region.“, berichtet die Rotenburger Kreiszeitung.

Jetzt sind die zuständigen Behörden am Zug: Das Umweltministerium sei informiert, so die Zeitung, ebenso die Unteren Wasserbehörden im Heidekreis und in Rotenburg/Wümme. Der Sprecher der UWB im Heidekreis hat lt. Soltauer Nachrichten [PDF] weitere Untersuchungen angekündigt, in Rotenburg hält sich der Leiter der UWB, Gert Engelhardt, noch bedeckt. Auch ExxonMobil, eins der hier fördernden Unternehmen, möchte die aktuellen Quecksilberfunde laut Zeitung nicht kommentieren.

Das Erdgasfeld Söhlingen gehört, zusammen mit dem benachbarten Erdgasfeld Hemslingen, zu den weltweit am stärksten quecksilberhaltigen Lagerstätten. Einige Erdgaslagerstätten im norddeutschen Becken, darunter Hemslingen/Söhlingen, weisen mit 700–4400 µg/m³ Rohgas (Zettlitzer 1997) die weltweit höchsten Quecksilbergehalte auf.

In der Vergangenheit hatte es bereits Quecksilberfunde in der freien Natur im Umfeld von Förderanlagen gegeben (siehe hier und hier und beim damaligen Umweltminister in spe).

Anwohner fürchten schon lange, dass durch das Abfackeln von Rohgas Quecksilber in Oberboden und Gewässer und damit in die Nahrungskette eingetragen wird. Ein Anwohner berichtete:

Von jeder Erdgasbohrstelle [Hemslingen-Söhlingen] führt eine eigene Gasleitung zu der Entquickungsanlage in Bellen. Mittels Durchleitung durch Aktivkohlefilter wird [dort] das Quecksilber aus dem Erdgas entfernt…

Bei allen Bohrstellen wird ein Abfackelvorgang erforderlich, der ca. 2 Wochen andauert. Während dieses Abfackelns wird mit großem Druck, hoher Geräuschentwicklung, sehr hohen Temperaturen und großer Flamme jeweils eine große Menge Erdgas verbrannt, die noch nicht von Quecksilber befreit wurde. — Welche chemischen Vorgänge passieren? — Entstehen dabei Quecksilberoxide oder andere Schadstoffe, die in die Umwelt gelangen?

Wo bleiben diese Schadstoffe beim Abfackeln? — Werden sie gemessen? — Wird der Vorgang überwacht? — Wie groß sind die Mengen verbrannten Gases, ausgestoßenen CO2, zerstäubten Quecksilbers oder -oxids?

In den Bohrwässern, von den Einzelbohrstellen mit 40-Tonnern TLW abgefahren, befindet sich neben den üblichen Schadstoffen aus dem Feld Hemslingen-Söhlingen zusätzlich noch der ungefilterte Anteil Quecksilber. Diese Bohrwässer, nun Lagerstättenwasser genannt, werden nach dem Versiegen der Gasförderung und nach dem dort praktizierten Fracking in Grapenmühlen Z1 und anderen Altbohrungen versenkt.

Sofern es keine andere, von der Erdgasförderung unabhängige Ursache für die Quecksilberkontamination der Böden gibt, die jetzt sowie 2011 im Gasfeld Söhlingen gefunden wurden, zeigen diese Funde ein weiteres Mal, dass Erdgas in seiner Gesamtbilanz bei Weitem nicht so sauber dasteht, wie es Industrie und Politik nicht müde werden zu betonen.

Es liegt allerdings nahe, dass das Quecksilber in den Söhlinger Böden unmittelbar mit der Gasförderung zusammenhängt. Die zunehmende öffentliche Kritik an der Praxis der Öl-/Gasindustrie, der Bergbehörden und der Politik veranlasst Industrie und Politik, auf Abhilfe zu sinnen – um die Rohstoffe weiterhin fördern und zu Geld machen zu können. Parolen wie „Fracking ohne umwelttoxische Chemikalien“ und „obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung“ werden ausgegeben, als könnten diese Maßnahmen die existenten Probleme lösen. Doch auch ein Fracking ohne „umwelttoxische“ Chemikalien kann Probleme des Gasbohrens mit und ohne Fracking nicht aus der Welt schaffen: Giftige Stoffe wie z. B. Quecksilber kommen unvermeidlich mit dem Gas aus der Erde. Umweltverträglichkeitsprüfungen, würden sie all diesen „naturgegebenen“ Problemen Rechnung tragen, müssten diese gefährliche Gasförderung entweder konsequent verbieten oder aber derart hohe Auflagen machen, dass den Managern die Köpfe rauchen würden auf der Suche nach Profit und shareholder value.

Im Lauenburgischen nichts Neues

Ausschnitte aus den jetzt veröffentlichten Antragsunterlagen und der Präsentation von PRD im August 2013
Ausschnitte aus den jetzt veröffentlichten Antragsunterlagen und der Präsentation von PRD im August 2013: Offensichtlich hat die Bergbehörde weniger Information herausgegeben als geboten.
Jahrelange seismische Untersuchungen und zwei, eventuell drei Erkundungsbohrungen plant das Unternehmen Pacific Rodera energy GmbH (PRD) bis März 2018 im Aufsuchungsgebiet Schwarzenbek (südliches Schleswig-Holstein). Sofern sie zugelassen wird, könnte die erste Bohrung schon nächstes Jahr stattfinden. Diese Information gaben Mark Hornett, Präsident der kanadischen Muttergesellschaft, und Dr. Jan Messer, das Unternehmen vertretender Rechtsanwalt bei der Hamburger Kanzlei CMS Hasche Sigle, am 7. August 2013 im Kieler Wirtschaftsausschuss, wo sie anlässlich einer Anhörung die Arbeitsprogramme präsentierten [PDF], die sie für die fünf Erlaubnisse Schwarzenbek, Bramstedt, Elmshorn, Gettorf und Ostrohe beantragt hatten.

Aus der Akte Schwarzenbek, die vor wenigen Wochen veröffentlicht wurde und die auch Teile des Erlaubnisantrags enthält, geht hervor, dass eine Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und/oder Erdgas mit Hilfe von Fracking nicht ausgeschlossen ist. Das Amt Hohe Elbgeest hat jetzt Widerspruch gegen den Erlaubnisbescheid eingelegt.

Von Anbeginn alarmierte das Ansinnen, im südlichen Teil des Kreises Herzogtum Lauenburg nach Öl und Gas zu suchen, ohne dass Fracking ausdrücklich ausgeschlossen wurde, die Bevölkerung, aber auch die örtlichen Verwaltungen. Erste Zusammenkünfte besorgter Bürger fanden bereits im Oktober/November 2012 in Gülzow und Kuddewörde statt, unmmittelbar nachdem die Nachricht durchgesickert war. Umgehend bildeten sich Bürgerinitiativen, die Fracking in jedem Fall verhindern wollen.

Klar ist: Weder die Bundesregierung noch die Landesregierung wollen oder können Fracking auf der bestehenden gesetzlichen Grundlage wirklich verhindern. Solange das Bundesberggesetz kein Fracking-Verbot enthält und auch die Landesgesetze der gefährlichen Bergbautechnik auf Dauer keinen Riegel vorschieben, ist Fracking möglich und wird auch gemacht. Der neueste Fall spielt sich in diesen Tagen in Mecklenburg-Vorpommern ab, wo aktuell am Saaler Bodden gefrackt wird oder in wenigen Tagen gefrackt werden soll.

Unzulässig späte und zu knappe Antworten auf Informationsbegehren der Öffentlichkeit
Am 17. April 2013 wurde die Erlaubnis Schwarzenbek erteilt. Mehrere Bürger stellten Anträge auf Akteneinsicht beim LBEG. Der älteste Antrag stammt aus dem Mai 2013 und war zum Jahresende immer noch anhängig. Die gesetzlich vorgeschriebene Frist von maximal zwei Monaten schien die Behörde nicht daran zu hindern, sich mit der Antwort sehr viel Zeit zu lassen. Ein weiterer Informationsantrag führte schließlich zur Herausgabe der Akte Schwarzenbek Mitte März 2014. Den hatte Dr. Reinhard Knof von der Bürgerinitative „Kein CO2-Endlager SH“ im Oktober 2013 gestellt. Es bedurfte nach Ablauf der Maximalfrist mehrerer Mahnungen – bis hin zu mehrfachen öffentlichen Aufforderungen an Minister Habeck, das ihm untergeordneten LBEG anzuweisen, die Akten herauszugeben – bis die Behörde tätig wurde.

Dabei ist es nicht neu, dass das LBEG oft nur widerwillig die Informationsanfragen beantwortet und dabei nicht selten die Fristen verstreichen lässt. In einem Fall führte das zu einer öffentlichen Beschwerde in der Presse, in einem anderen Fall reichte es gerade noch, mit einer Untätigkeitsklage zu drohen, um die Information nach nur sieben Wochen Verspätung zu erhalten. In einem weiteren Fall sah sich das Niedersächsische Umweltministerium genötigt, dem Wirtschaftsministerium als Dienstaufsicht des LBEG folgende Sätze zu schreiben:

Soweit ein Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen besteht, sieht § 3 NUIG i.V.m. § 3 UIG vor, dass die Umweltinfomrationen dem Antragsteller grundsätzlich binnen eines Monats zugänglich zu machen sind. … Diese Frist kann um einen weiteren Monat verlängert werden, wenn die Informationen derart umfangreich und komplex sind, dass die Monatsfrist nicht eingehalten werden kann. … Auch die Anhörung etwaiger Betroffener, z.B. in Bezug auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind binnen dieser Fristen einzuholen. Das (N)UIG sieht insoweit keine Verlängerungsoption vor. Der Antragstellerin steht unbenommen der Frist des § 75 VwGO nunmehr die Möglichkeit einer Untätigkeitslage gegen die informationspflichtige Stelle zu.

Auch die Qualität der Akten ist fragwürdig. Wie oben schon aufgezeigt, wurden in der Akte Schwarzenbek Informationen gelöscht, die längst publik waren. Doch auch an vielen anderen Stellen muss gefragt werden, ob die Geheimhaltung der gelöschten Information tatsächlich rechtmäßig ist, ob sie also das öffentliche Informationsinteresse überwiegt. Dass sich das LBEG mit der Transparenz schwertut, hat es früher schon im Fall der Erlaubnisakte Vierlande bewiesen. Daraufhin musste es sich vom Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit sagen lassen:

Die begehrten Informationen über die Aufsuchung von Bodenschätzen im Gebiet der Freien- und Hansestadt Hamburg berühren öffentliche Belange von besonders hohem Gewicht. Dies ist insbesondere deshalb der Fall, weil es sich um ein Aufsuchungsvorhaben handelt, dessen Ergebnisse darüber Aufschluss bieten können, ob die Gewinnung von Bodenschätzen mittels Hydraulic Fracturing (sog. Fracking) im Genehmigungsgebiet in Frage kommt. Durch derartige Fördermaßnahmen können Belange des Natur-, Grundwasser- und Siedlungsschutzes betroffen werden. Dies erkennt auch der Senat in seiner Antwort auf eine schriftliche kleine Anfrage an (Bürgerschafts-Drs. 20/7714). Inwieweit Hydraulic Fracturing diese Belange tatsächlich beeinträchtigen kann, ist eine in der Öffentlichkeit umstrittene Frage, zu der momentan ein politischer Meinungs- und Willensbildungsprozess stattfindet. Insoweit betrifft der Zugang zu diesbezüglichen Information auch über privatwirtschaftliche Tätigkeit auch einen – in der Demokratie – für die politische Willensbildung gewichtigen Bereich. Das bergrechtliche Genehmigungsverfahren ist deshalb ein Vorgang, der sich grundsätzlich unter den Augen der Öffentlichkeit zu vollziehen hat. Dies muss gerade angesichts des derzeit stattfindenden öffentlichen Meinungsbildungsprozesses auch Vorerkundungen und Aufsuchungen umfassen.

Auch Knof ist es nicht besser ergangen: »Die Herausgabe der Akten fand erst statt, nachdem ich einen Anwalt eingeschaltet hatte. Zudem kamen die Akten mit rechtswidriger Verzögerung und sind offenkundig übermäßig geschwärzt. Die im Vorwege angekündigte Bearbeitungsgebühr hat das LBEG nach dem Einlegen eines Widerspruchs und der Hinzuziehung eines Anwalts mehr als halbiert, was ich als Beweis werte, dass die Hinzuziehung eines Anwalts notwendig und das Vorgehen des LBEG rechtswidrig war. Dennoch hat mir das LBEG die Anwaltskosten bis heute nicht ersetzt.“, so Knof.

Die bisher von allen Anfragen in SH erhaltenen Erlaubnis- und Bewilligungsakten hier abrufbar:
Bramstedt, Elmshorn, Ostrohe, Plön-Ost, Prasdorf, Preetz, Rosenkranz-Nord, Schwarzenbek und Schwedeneck-See [veralteter Link!]
NEU:
Schwedeneck-See

Rechtswidrige Erteilung der Erlaubnis Schwarzenbek?
Bereits Ende 2012 hatten das Amt Hohe Elbgeest, die Gemeinde Aumühle und der Kreis Herzogtum Lauenburg in Stellungnahmen gefordert [PDF], die Erlaubnis nicht zu erteilen, wenn Fracking damit erlaubt würde, und dies mit öffentlichen Interessen begründet. Das Umweltministerium (MELUR), als einzige Behörde direkt vom LBEG in das bergrechtlich vorgeschriebene Beteiligungsverfahren der Träger öffentlicher Belange einbezogen, hatte im Januar keine schwerwiegenden Einwände gegen die Erlaubniserteilung geäußert, obwohl es von den negativen Stellungnahmen Kenntnis hatte und obwohl es in seiner eigenen Stellungnahme zahlreiche natur- und wasserschutzrechtliche Belange aufzählt, die einem Fracking-Vorhaben entgegenstehen. Das LBEG stützte seine Entscheidung, die Erlaubnis zu erteilen, ausschließlich auf die Stellungnahme des MELUR und erklärte sich für nicht zuständig, was die Bedenken von Kreis, Amt und Gemeinde angeht:

Aus der Stellungnahme des MELUR ist zu entnehmen, dass keine gegenüber den volkswirtschaftlich-bergbaulichen Interessen vorgehenden öffentlichen Interessen vorliegen, die einen Bezug zu dem in Betracht kommenden Feld selbst haben, sich auf das gesamte zuzuteilende Feld erstrecken und somit die Aufsuchung im gesamten Erlaubnisfeld auszuschließen. Dem Antrag auf Erteilung der Erlaubnis für den Zeitraum von fünf Jahren ist somit stattzugeben.
Für vorgelegte Resolutionen/Aufforderungen der Kreise/Gemeinden zu Förderverfahren, Gesetzesänderungen, Verfahrensverzögerungen etc. ist das LBEG nicht zuständig bzw. sind in diesem Verfahren nicht zu behandeln.

Gemäß der Norm (§ 15 Bundesberggesetz) sind die Gemeinden als Behörden an bergrechtlichen Verfahren zu beteiligen. Umweltminister Robert Habeck hat nach langer Diskussion am 21. Januar 2014 Weisung an das LBEG erteilt, dass Gemeinden in Schleswig-Holstein über die Ämter bzw. direkt gemäß der o. a. Norm zu beteiligen sind. Die Rechtmäßigkeit der davor ohne Gemeindebeteiligung erteilten Bergbauberechtigungen – etwa 10 allein im Jahr 2013 – bleibt bis heute offen.

Ausschnitte aus der Erlaubnisakte Schwarzenbek
Ausschnitte aus der Erlaubnisakte Schwarzenbek
Auf der Anhörung des Wirtschaftsausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtages am 7. August 2013 erläuterte PRDs Anwalt Messer den anwesenden Abgeordneten und Vertretern von Verbänden und Initiativen, dass bei der Neuerschließung alter Ölfelder Fracking nicht nötig sei, weil mit neuer Bohrtechnik nun auch horizontal gebohrt werden könne. Man würde umweltfreundliche Arbeitsmethoden und ausschließlich „geprüfte und sichere Technologien“ einsetzen. Bei den bekannten Lagerstätten würde man nicht auf Schiefergas oder unkonventionelle Lagerstätten fokussieren. Aussagen, die offensichtlich dem Widerstand gegen Fracking geschuldet waren.

Undeutlich blieb dabei die Tatsache, dass zu den im Antrag benannten Zielhorizonten beispielsweise der Posidonienschiefer gehört. Posidonienschiefer ist so hart und hält die in ihm sitzenden Kohlenwasserstoffe (Erdöl, Erdgas) so fest, dass sie, wenn überhaupt, nur mit Fracking gewinnbar sind. Der Umstand, dass das Wort »Posidonienschiefer« nur im ersten, Anfang 2011 gestellten Antrag auftaucht und später, in einem überarbeiteten Antrag in der Formulierung »… aber auch alle anderen Formationen auf Erdöl- und Gasvorkommen untersuchen, einschließlich Zonen geringer Porosität und Permeabilität…« versteckt wird, ändert nichts daran, dass das Unternehmen nötigenfalls auch Fracking einsetzen will.

Die Tatsache, dass »Zonen geringer Porosität und Permeabilität« im Erlaubnisbescheid für die Erkundung und Gewinnung nicht ausgeschlossen wurden, ermöglicht es dem Unternehmen, eine Zulassung zum Erbohren und Testen dieser Gesteinsformation zu beantragen. Mit der Erlaubnis, so, wie sie erteilt wurde, besitzt das Unternehmen eine Rechtsposition, die es unter den Umständen des bestehenden Rechts schwierig macht, eine solche Zulassung zu versagen. Daran ändert auch die landesplanerische Veränderungssperre nichts, die Anfang des Jahres von der Landesregierung installiert wurde: Ihre Lebensdauer ist endlich, danach »stehen wir auf verdammt dünnem Eis«, wie der Umweltminister es unlängst ausdrückte.

Vielleicht vermag der Widerstand der Gemeinden im Aufsuchungsgebiet Schwarzenbek dem Spuk Einhalt gebieten. Wenn sich herausstellen sollte, dass die Erlaubnis rechtswidrig erteilt wurde, dann könnten sie ihr Einvernehmen in einem Zulassungsverfahren für seismische Untersuchungen oder eine Tiefbohrung verweigern, mit dem einfachen Argument: Wo keine Erlaubnis, da keine Berechtigung für einen Betriebsplan-Zulassungsantrag.

Crossposting von vierlaender.de