Dann und wann mal eine Doppelseite im Spiegel, mal eine WEG-Lobhudelbroschüre über „umweltschonende Erdgasförderung“, Landtagsabgeordneten ungebeten in die Postfächer gelegt, oder auch mal eine solitäre Plakataktion eines blau-gelben Tochterunternehmens der ex-IG Farben in Kassel: Die kleinen Versuche der Erdgasindustrie in den vergangenen eineinhalb Jahren, öffentliche Meinung und Politik für das Fracking zu gewinnen, sind allesamt kläglich fehlgeschlagen: Die öffentliche Ablehnung von Fracking als Extremisierung der Erdgasgewinnung ist weiter angewachsen, es gibt nur wenige Politiker, die offen für Fracking eintreten, und die Bundesregierung hat bislang davon abgesehen, Fracking-Gesetze zu bringen, die die Konzerne zufriedenstellen würden.
Epidemiologische Untersuchung der Samtgemeinde Bothel veröffentlicht:
Männer zweimal so häufig wie erwartet an Blutkrebs erkrankt
Gestern wurden in Rotenburg an der Wümme die Ergebnisse einer kleinen Krebsstudie vorgestellt. Auf Initiative von besorgten Bürgerinnen und Bürgern waren die Diagnosehäufigkeiten fast aller Krebsarten bei der Bevölkerung der Samtgemeinde Bothel, mitten im niedersächsischen Gasland, anhand des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen untersucht worden. Herausragendes Ergebnis ist eine statistisch signifikant erhöhte Erkrankungsrate an Blutkrebs bei Männern. Die zweite meistbetroffene Gruppe sind Kinder bis 14 Jahre, ebenfalls mit Blutkrebs. Signifikant erhöhte Blutkrebsrate bei Männern in Bothel: Ist die Erdgasförderung schuld? weiterlesen →
Ölindustrie versenkt fast 1 Million Kubikmeter Giftmüll unter Hamburger Wohngebiet
Schon seit 1995 wird in dem beschaulichen Hamburger Vorort Sinstorf gesundheitsgefährlicher Flüssigmüll, nämlich Lagerstättenwasser aus der niedersächsischen Erdölproduktion verklappt. Bis Ende August 2014 wurden hier, in der ehemaligen Erdölförderbohrung Groß-Hamburg-2 (GH2), 951187 Kubikmeter des Problemstoffes im Untergrund endgelagert, so der Hamburger Senat in seiner Antwort auf eine Schriftliche Kleine Anfrage[PDF] des Grünen Bürgerschaftsabgeordneten Jens Kerstan. Diese Maßnahme sei erforderlich, »um den Lagerstättendruck aufrecht zu erhalten«, gibt der Senat die Auskunft der Technokraten in den Bergbehörden weiter. Damit wird eine technische Notwendigkeit in den Vordergrund gestellt, die über einen möglichen Umweltskandal hinwegtäuscht. Nicht unumstritten ist die wasserrechtliche Zulassungsfähigkeit derartiger Bohrungen. Kritische Experten bezeichnen solche Einpressbohrungen wie in Sinstorf aus geochemischer Sicht als »tickende Zeitbomben«. Ölindustrie versenkt fast 1 Million Kubikmeter Giftmüll unter Hamburger Wohngebiet weiterlesen →
Umweltbehörde musste die Hosen runterlassen: Öl- und Gasproduktion in Pennsylvania hat Hunderte Trinkwasserbrunnen verschmutzt
Tatsachen jahrelang verschwiegen
Am 24. Dezember 2007 erhielt ein geschädigter Brunnenbesitzer in Venango County, Pennsylvania, USA, ein Schreiben von der Umweltbehörde: „The Department’s preliminary investigation has determined that Great Lakes Resources (a.k.a. Range Resouces-Appalachia) has affected your water supply during the drilling of their [Name geschwärzt] well.“[1]
Am 4. April 2008 schrieb dieselbe Behörde einem Beschwerdeführer aus Foster im Nordwesten des Landes: „After reviewing the results of your spring water analysis, the Department has concluded that recent oil and gas activity has caused your water supply to become contaminated.“[2]
Dies sind die ersten beiden dokumentierten Fälle, die die Umweltbehörde von Pennsylvania seit Jahren in der Schublade hatte und jetzt offenlegte. Endlich kommt ans Licht, was Industrie, Verwaltung, Wissenschaft und Politik stets in Abrede gestellt hatten: Zahlreiche Fälle von Hausbrunnen-Verschmutzungen, die eindeutig auf das Konto der Öl- und Gasförderung gehen. Erst auf monatelangen, massiven Druck von Bürgern und Journalisten hat die Umweltbehörde jetzt eine Liste offengelegt, die belegt, dass tatsächlich die Öl- und Gasförderung zahlreiche Brunnen verschmutzt und unbrauchbar gemacht hat. In dieser Liste führt die Behörde 206 Brunnen auf, für die es 243 Vorgänge gibt – sei es die Feststellung einer Verschmutzung, sei es eine nachfolgende, alternative Wasserversorgung für die betroffenen Brunnenbesitzer.
Bereits zu Jahresbeginn 2014 hatten Journalisten von Associated PressUngeheuerliches entdeckt. Damals wurden in Pennsylvania mindestens 106 Kontaminationen von Hausbrunnen behördlicherseits bestätigt, die seit dem Beginn des Fracking-Booms im Jahr 2005 aufgetreten waren. In den US-Bundesstaaten Ohio, West Virginia und Texas lagen Tausende von Beschwerden über verschmutztes Brunnenwasser vor, wovon jedoch nur sechs in Ohio als durch Fracking verursacht anerkannt wurden. Später im Frühjahr konnten Wissenschaftler anhand der texanischen Behördendaten in mehreren Fällen Fracking als Verursacher der Kontamination nachweisen.
Trotzdem wird diese unumstößliche Tatsache, dass Fracking das Trinkwasser nicht nur bedroht, sondern auch tatsächlich beeinträchtigt, von einigen Ewiggestrigen bis heute negiert. Milde lächelnd werfen diese Fracking-Befürworter denen, die auf die Gefahr hinweisen, Panikmache vor. So zuletzt im panorama3-Beitrag des NDR, der bekannte Fakten schlicht ignorierte und unter anderem behauptete, dass es stets nur Sumpfgas sei, das für Methan im Grund- oder Trinkwasser verantwortlich sei.
Es bleibt zu hoffen, dass sich die verantwortlichen Entscheider, die zum Beispiel heute in Berlin über die geplanten Fracking-Gesetze beraten, nicht von solch plumper Bauernfängerei übertölpeln lassen.
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[1] Übersetzung: „Die vorläufigen Untersuchungen der Umweltbehörde haben ergeben, dass Great Lakes Energy (a.k.a. Range Resources-Appalachia) Ihre Wasserversorgung während des Bohrens und Frackens ihrer [Name geschwärzt]-Bohrung beschädigt hat.“
[2] Übersetzung: „Nach Überprüfung der Analyseergebnisse Ihres Brunnenwassers sind wir [die Umweltbehörde] zu dem Schluss gekommen, das eine kürzlich stattgefundene Maßnahme im Bereich der Öl-/Gasförderung eine Kontamination Ihrer Wasserversorgung verursacht hat.“
Im letzten Monat hat Bayerngas nahe der Stadt Beeskow begonnen, die Aufsuchungsbohrung „Reudnitz Z2“ niederzubringen. Die ersten tausend Meter auf dem Weg nach unten hatten die Bohrköpfe am 15. August zurückgelegt. Ihr Ziel sind „Rotliegendsandsteine“ in 2700 Metern Tiefe. Teile der Bevölkerung sind unruhig, da das Unternehmen Fracking hier nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat – obwohl die geologischen Parameter der Zielformation „rein konventionellen Bedingungen“ entspricht, wie Unternehmenssprecherin Verena Schöttl aus der Konzernzentrale in München bekräftigte. Die örtliche Bürgerinitiative lädt zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung am 4. September ein, während Bayerngas aktuell eine weitere Seismik-Kampagne im Explorationsfeld Reudnitz vorbereitet.
Die Bohrung zwischen den idyllischen Hügeln der Gemarkung Krügersdorf bei Beeskow soll im Oktober 2014 fertiggestellt sein. Sie werde zunächst senkrecht in den Untergrund gebohrt, darüber hinaus habe Bayerngas die Option für eine horizontale Ablenkung zwecks Ermittlung geeigneter Förderraten; die Horizontalstrecke solle maximal 1000 Meter betragen, wie Schöttl weiter informierte. (Das vollständige Original-Interview mit Bayerngas findet man unter „Weiterlesen“ am Ende dieses Artikels.) Bezkow, Brandenburg: Bayerngas plant Fracking nicht weiterlesen →
»Die Bohrung Groß-Hamburg 2 wird noch als Einpressbohrung betrieben.« Aufgrund dieser Information aus dem Landesbergamt (LBEG) wurden Umweltschützer im vergangenen Monat auf eine bisher unbekannte Praxis bei Bergbehörden und Öl-/Gaskonzernen in Deutschland aufmerksam. Denn besagte Bohrung Groß-Hamburg 2 (GH2) liegt mitten in einem Wohngebiet – in Sinstorf in der Freien und Hansestadt Hamburg. Bekannte Ein- oder Verpressbohrungen waren bisher nur außerhalb von Ortschaften bekannt.
Das der GH2 nächstgelegene Haus steht in 35 Metern Entfernung, der erste von mehreren Dauerkleingärten gegenüber liegt etwa genauso dicht an der Bohrung. Erstaunt stellten die Aktivisten dann auch noch fest, das auf der gegenüberliegenden Straßenseite, in ca. 50 Metern Entfernung, just in diesem Moment der B-Plan für ein Neubaugebiet heranreift. Hier soll Lebensraum für Familien geschaffen werden, damit sie nicht ins Umland ziehen müssen. Verwaltung muss sich fragen lassen: Ist diese Sondermüllverklappung auf Hamburger Stadtgebiet zulässig? weiterlesen →
Aufsuchungserlaubnis Leezen beantragt
Zunehmende Bedrohung der Trinkwasserressourcen
Im Nordosten von Hamburg ist ein weiteres Feld »zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen zu gewerblichen Zwecken« beantragt worden – das Feld Leezen. Dies berichteten die Lübecker Nachrichten am vergangenen Dienstag. Das norwegische Ein-Mann-Unternehmen Central Anglia SA möchte hier förderbares Erdöl bzw. Erdgas aufsuchen und natürlich auch gern finden. Das Erlaubnisfeld Leezen reicht laut der Zeitung von Malente und Plön im Norden bis nach Bad Oldesloe, Bargfeld-Stegen und Bargteheide in der südlichsten Ausdehnung, also bis an die nördliche Stadtgrenze von Hamburg heran.
Ein weiteres Mal wurde ein nicht abgeschlossener Betriebsplatz der Öl- und Gasindustrie angetroffen. Am letzten Dienstag fanden Mitglieder der anti-Fracking-Bürgerinitiativen in Buchholz und Hamburg bei einem Spaziergang offene Tore des Betriebsplatzes Sinstorf am Postweg im niedersächsischen Seevetal vor. Beide Tore dieses im Eingangsbereich doppelt umzäunten Geländes standen sperrangelweit offen.
Hinter dem ersten Tor die Tankstelle, an der die TKWs das hier aufgereinigte Erdöl aufnehmen und zur Raffinerie bringen. Frei zugänglich und auch für kleine Menschen leicht zu erreichen sind Schalttafeln und Hebel an dieser Tankstelle. Hinter dem zweiten Tor die Nassölaufbereitungsanlage sowie die Produktionsbohrung Sottorf 3a mit allem, was dazu gehört, einschließlich Behältern mit Methanol, Säuren und Laugen und jeder Menge Knöpfe und Hebel zum Regeln der Abläufe. Einen Hinweis auf ein Zutrittsverbot für Betriebsfremde gab es nicht, auch keine Warnschilder, wie sie sonst an derartigen Betriebsplätzen üblich sind, und auch keinen Pförtner. Nirgendwo auf dem weitläufigen Platz war Personal zu entdecken – der Platz war offenkundig verwaist.
Eine große Tafel an der Einfahrt nennt die Besitzerin dieses Betriebsplatzes: Gaz des France Suez. Die Hamburger Telefonnummer auf der Tafel führt zur Leitwarte in der Bergedorfer Randersweide. Von dort werde der Platz per Kameras überwacht, heißt es. Die offenen Tore habe man auf dem Schirm, hieß es, der Kollege vor Ort sei wohl mal eben zu einer der umliegenden Stationen unterwegs. Natürlich sei das nicht in Ordnung, wenn der Platz unbeaufsichtigt offen stünde
Zu der Frage, wie es zu diesem Sicherheitsmangel kommen konnte, hält man sich in der GdF Suez-Zentrale in Lingen noch bedeckt. „Wir prüfen derzeit den von Ihnen dargestellten Sachverhalt“, sagte der Leiter der Unternehmenskommunikation, Dr. Stefan Brieske, am Mittwoch. In der zuständigen Bergaufsicht, dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Hannover, war am Mittwoch niemand zu erreichen, der kompetent Auskunft geben konnte, weshalb Unternehmen sich trotz der erst vor wenigen Wochen erfolgten behördlichen Ermahnung nicht an die gesetzliche Vorschrift halten, ihre Betriebsplätze abzusichern.
Die Tiefbohrverordnungen der Bundesländer (Bsp. Niedersachsen) schreiben klipp und klar vor, dass die Unternehmen den unbefugten Zutritt von Betriebsfremden zu verhindern haben und dazu Verbotsschilder an allen Zugängen angebracht und die Plätze durch Zäune, Mauern o. dgl. umschlossen werden müssen.
Erst im April 2014 hatte das LBEG alle Erdöl- und Erdgasbetriebe sowie die Untergrundspeicherbetreiber in Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein in einem Rundschreiben aufgefordert, ihre Betriebsplätze im Hinblick auf die gültigen Sicherheitsvorschriften zu überprüfen und festgestellte Sicherheitsmängel zu beseitigen. Das Rundschreiben enthielt den expliziten Hinweis, die gesetzlichen Regelungen zum Öffnen und Schließen der Türen und Tore zu beachten. Besonders bei fernüberwachten Einrichtungen und Anlagen sei sicherzustellen, dass keine unbefugten Personen das Gelände betreten können. Bei der Sicherung von Betriebsplätzen und technischen Anlagen müssen die Vorgaben der Allgemeinen Bundesbergverordnung und der Tiefbohrverordnung eingehalten werden. Sollte dies nicht der Fall sein, drohe den Unternehmen ein Ordnungswidrigkeiten-Verfahren mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 Euro.
Konkreter Anlass des Rundschreibens waren Vorfälle gewesen, bei denen Sicherheitsmängel offenkundig wurden. So war auf dem Verteilerplatz 10 des Geländes der IVG Caverns GmbH in Etzel eine Tür nicht abgeschlossen sowie auf dem Erdgasförderplatz Söhlingen Z5 der ExxonMobil Production Deutschland GmbH (EMPG) ein Tor nicht verschlossen. Auch Fluchttüren ließen sich von außen öffnen, so dass ein Zutritt durch Unbefugte möglich gewesen wäre. Das LBEG hatte deswegen Bußgeldverfahren eingeleitet.
„Was bleibt, ist eine erneute Erfahrung mit dem Schlendrian der Öl- und Gasindustrie. Man müsste denen viel Vertrauen entgegen bringen bei all den Risiken ihrer Tätigkeit. Sie verspielen es aber schon im Alltag mit derartigen Kleinigkeiten.“, so der lakonische Kommentar von Ingo Engelmann am Abend nach dem Spaziergang im Seevetal.
Schwere Vorwürfe erhebt der Umweltverband BUND Baden-Württemberg gegen die Landesbergbehörde LGRB. Sowohl beim Verkauf der Inhaberin der Fracking-Aufsuchungserlaubnisse am Bodensee und in Oberschwaben, die Parkyn Energy Germany Ltd. (PEG), inklusive der Aufsuchungserlaubnisse Konstanz und Biberach als auch durch mangelnde Kontrolle der Bergbauunternehmen habe die Behörde Verstöße gegen das Bundesberggesetz toleriert, die den Widerruf dieser Lizenzen erforderlich mache. Der BUND-Ortsverband Konstanz hat daher zwei Einspruchsverfahren bei der Bergbehörde in Freiburg eröffnet, wie dessen Vorsitzende Dr. Antje Boll gestern in Stuttgart mitteilte.
Zocken mit Fracking-Lizenzen unter den Augen von Bergbehörde und Landesregierung?
Boll erinnerte daran, dass das LGRB bereits im Oktober 2013 zu zurückhaltend in Sachen Fracking vorgegangen war. Damals hatte der BUND der Behörde mitgeteilt, dass die Lizenzinhaberin PEG von ihrem Mutterkonzern 3Legs an die Firma Rose Petroleum veräußert werden sollte. „Dies wäre laut Bergrecht genehmigungspflichtig gewesen, aber das LGRB reagierte nicht, sondern verlängerte die Lizenzen. Als wir nach dem vollzogenen Verkauf der PEG im Februar 2014 noch einmal anfragten, hieß es aus dem LGRB, dass ihm der Verkauf nicht bekannt sei, es aber den Sachverhalt prüfen würde. Diese Prüfung dauert bis heute an.“
Der BUND-Landesverband Baden-Württemberg hatte damals zusätzlich per Rechtsgutachten nachgewiesen, dass eine Versagung der Erlaubnisverlängerungen rechtssicher möglich wäre. Dennoch erteilte das Freiburger Bergamt am 19. Dezember 2013 die Erlaubnisverlängerungen für die Felder Konstanz und Biberach. Und zwar mit ausdrücklicher Billigung des Grünen Umweltministers Franz Untersteller, der zuvor und auch seitdem stets betont hat, total ernsthaft gegen Fracking einzutreten.
Vom erst geplanten und dann vollzogenen Verkauf der PEG hatte der BUND durch Pressemitteilungen der beteiligten Unternehmen erfahren, die für jedermann auf den Internetseiten von 3Legs und Rose Petroleum zugänglich sind. Diese Vorgänge sind auch dem obersten Dienstherrn des Landesbergamtes, Umweltminister Franz Untersteller bekannt, wie aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Reuther vom 26. Mai 2014 hervorgeht.
Fracking-Lizenzen für unzuverlässige, unfähige Unternehmen?
Am 7. Juli hatte Boll die Bergbehörde um Zusendung der Arbeitsberichte gebeten, die entsprechend der Zulassungsbedingungen zum 1. April hätten vorliegen müssen. Doch die Bergbehörde räumte am 11. Juli ein, dass diese dem LGRB noch nicht vorlägen. Außerdem hat BUND aufgedeckt, dass PEG die ebenfalls erforderlichen, konkretisierten Arbeitspläne für das kommende Jahr immer noch nicht vorgelegt hat. „Die Lizenzen sind unter der Bedingung verlängert worden, dass die Berichte und Pläne bis zum 1.4.2014 vorgelegt werden müssen. Das ist nach Auskunft des LGRB bis heute nicht geschehen. Das LGRB muss sich fragen lassen, warum es diesen Verstoß gegen das Bergrecht stillschweigend duldet“, so Boll.
Von einer „Unzuverlässigkeit“ wird gesprochen, wenn sich ein Unternehmen dahingehend verhält, dass nicht zu erwarten ist, dass es zukünftig sein Gewerbe ordnungsgemäß ausüben wird. Eine solche Unzuverlässigkeit liegt beispielsweise vor, wenn der Betreffende seinen Erklärungspflichten über einen längeren Zeitraum nicht nachgekommen ist. Die BUND-Landesgeschäftsführerin Sylvia Pilarsky-Grosch dazu: „Wir sind der Auffassung, dass Zweifel an der nach dem Bundesberggesetz erforderlichen Zuverlässigkeit von PEG bestehen, „daher sind die Fracking-Lizenzen der PEG zurückzunehmen.“
Fachaufsicht sieht die Dinge locker
Der Grüne Umweltminister Franz Untersteller hat lt. Stuttgarter Zeitungbestätigt, dass das Unternehmen die Frist am 1. April verstreichen ließ, ohne ein konkretisiertes Arbeitsprogramm vorzulegen. „Eine Fristversäumnis dieser Art bietet allerdings keine Grundlage für den Konzessionsentzug“, habe der Chef der Obersten Bergbehörde der Zeitung gesagt. Dass das LBRG aber erst an die Fristversäumnis erinnert werden musste, entspreche nicht seinem Verständnis von Sensibilität. In die fachliche Kompetenz der Behörde habe er aber vollstes Vertrauen.
Skandalöse Ignoranz
Nachdem der BUND die eklatanten Versäumnisse der Bergbehörde aufgedeckt hatte, setzte dieses dem Unternehmen eine neue Frist bis Mitte August. Auf welcher Rechtsgrundlage es meint, die Versäumnisse einfach wegwischen zu können, statt entsprechend der gesetzlichen Vorschriften zu handeln, bleibt dabei unklar. „Es handelt sich bei den Bedingungen in den Aufsuchungslizenzen nicht um Auflagen, die man erfüllt oder nicht, sondern um Bedingungen. Wenn diese nicht erfüllt werden, sind die Erlaubnisse erloschen.“ erklärt Antje Boll mit Verweis auf das Bundesberggesetz. In ihrem Schreiben an Axel Brasse, Leiter der Landesbergdirektion, vom 14. Juli 2014 macht sie unmissverständlich klar:
Die PEG hat eindeutig gegen die von Ihnen in der Verlängerung der Aufsuchungserlaubnis festgelegte Nebenbestimmung verstoßen. Somit ist der Versagungsgrund des § 11 Nr. 3 BBergG weiterhin gegeben.
Die Nichtbeachtung der Nebenbestimmung durch den Erlaubnisinhaber rechtfertigt außerdem die Annahme, dass die nach § 11 Nr. 6 BBergG geforderte Zuverlässigkeit nicht vorliegt.
Deshalb fordern wir Sie auf, die erteilten Erlaubnisse zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen in den Feldern Konstanz und Biberach gemäß § 18 Abs. 1 BBergG unverzüglich zu widerrufen.
Eine Antwort von Herrn Brasse ist noch nicht eingetroffen.
Rotenburger Ortspolitiker fordern Ausweitung der Kontrollen von Erdgasförderplätzen, ein Verbot von offenen Gasfackeln und einen 1000-Meter-Abstand für Fracking von allen schutzwürdigen Gebieten
Fracking selbst bleibt aber unangetastet
Seit über 110 Jahren werden im Landkreis Rotenburg an der Wümme Öl und Gas gefördert. Diese Industrie gehört hier zum Alltag, ist nichts Besonderes, gibt vielen Lohn und Brot. Der erste Frack fand hier laut der offiziellen Frac-Liste des LBEG [PDF] im Jahre 1982 statt, im Gasfeld Söhlingen, in der Bohrung Z4. Nach der offiziellen Frac-Liste gab es insgesamt 69 Fracks allein in diesem Landkreis – es muss allerdings bezweifelt werden, dass diese Liste vollständig ist, denn in der Bohrung Wittorf Z1(2) ist Zeitzeugen zufolge auch wenigstens einmal gefrackt worden. Dieser Frack fehlt aber auf der LBEG-Liste.
Am Anfang wurde diese „neue Technologie aus Amerika“ bestaunt und imponierte nur, kaum jemand hat sich etwas dabei gedacht außer dem damals zeitgemäßen Motto „Das ist Fortschritt, das bringt Wachstum und Wohlstand“.
Inzwischen hat sich das grundlegend geändert. Seit Frühjahr 2014 fördern Anwohner und Umweltschützer mehr und mehr konkrete Hinweise auf die negativen Umwelt- und Gesundheitsfolgen der gängigen Erdgasförderung zu Tage. Die bringen mittlerweile sämtliche Ebenen der niedersächsischen Verwaltung auf Trab. Eilige Pressestatements aus dem Wirtschaftsministerium, mit heißer Nadel genähte Pressemitteilungen vom Landesbergamt, Krisensitzungen mit kommunaler Verwaltung, Landesbergamt, Unternehmen und Bürgern, das Unternehmen ExxonMobil, das seine Praktiken scheibchenweise preisgibt – was ist hier im Landkreis all die Jahre vor sich gegangen?
„Verdachtsmomente und Gefährdungsvermutungen“
„Verdachtsmomente und Gefährdungsvermutungen haben ein Ausmaß erreicht, dass nicht länger ignoriert werden darf“, begründet Bernd Wölbern (SPD) den gemeinsamen Antrag der SPD-, Grünen- und WFB-Fraktion im Rotenburger Kreistag, der am 10. Juli in der Kreistagssitzung in Bremervörde diskutiert werden soll. Es drängt sich die Frage auf, was wäre, wenn Anwohner und Umweltschützer jetzt nicht mit dem Finger auf die Missstände gezeigt hätten, wenn sie keine „Verdachtsmomente“ auf den Tisch gelegt und keine „Gefährdungsvermutungen“ provoziert hätten. Würde Rotenburg dann weiterschlafen und den jüngst installierten „Arbeitskreis Fracking“ weiter als Feigenblattveranstaltung vor sich hindümpeln lassen? Würden die Verschmutzungen weiter passieren und die Gasindustrie weiter so praktizieren, während die zuständigen Behörden wegschauen?
Am 10. Juli wird also im Rotenburger Kreistag diskutiert, wie das Unheil abgestellt werden kann. Die Beschlussvorlage des Kreisrats Lühring gibt die Richtung vor. Von einer Ablehnung des Fracking oder gar einer Verbotsforderung steht da nichts. Die Vorlage berücksichtigt die Anträge der CDU/FDP-Fraktion und des Linken-Abgeordneten Damberg. Während Damberg die „zügige Offenlegung aller über die Gasförderplätze vorliegenden Gutachten und Messwerte und sonstige Erkenntnisse über die Ausbreitung von Schadstoffen über Boden , Luft und Wasser bei den Frackingmaßnahmen im LK ROW und eine Diskussion im Umweltausschuss mit unabhängigen Experten“ fordert, wünscht sich Willi Bargfrede im Namen seiner Fraktion das sofortige Verbot von offenen Fackeln (außer in Notfällen) und deren Ersatz durch enclosed burners, welche Licht- und Schallemissionen sowie den Ausstoß von Stickoxiden mindern. Warum die Fraktion nicht den sofortigen Stopp des nutzlosen Abfackelns anregt, wird sie eventuell in der Sitzung erläutern.
Kasperletheater
Dem Abgeordneten Damberg dauert das alles schon viel zu lange. Ist er doch schon seit Jahren dabei, mit Anfragen und Anträgen auf die Gefahren der unkontrollierten Erdgassuche und -förderung hinzuweisen und auf ein Ende des Laissez-faire zu dringen. Schon vor über einem Jahr ist der Kreisverwaltung auf sein Betreiben hin ein Information des LBEG und ein Gutachten zur Kenntnis gekommen, nach dem zum Beispiel immer noch unzulässige Kunststoffleitungen für Lagerstättenwasser im Einsatz sind. „Wir werden zur Kreistagssitzung in Bremervörde die Besucher mit Kasperle-Mützen erwarten, um auf die Situation beim Fracking aufmerksam zu machen“, kündigt Damberg an.
Zum Foto:
Die Bohrung Bötersen Z10(1) ist eine von Hunderten im Landkreis Rotenburg und liegt nördlich von Unterstedt, zwischen der Verdener Landstraße und dem Kleinen Bullensee. Sie stammt aus dem Jahr 1900 und soll der Ölförderung gedient haben.
Die Bohrung Bötersen Z10(2) wurde von 20.01. bis 08.06.2008 für RWE Dea niedergebracht. Sie hat eine Endteufe („Gesamtlänge“) von 5090 Metern, davon knapp 1000 Meter in südwestlicher horizontaler Ablenkung. Am 1. November 2008 ist die Bohrung lt. LBEG-Frac-Liste zweimal gefrackt worden. Das LBEG meldete die Bohrung 2009 als „gasfündig“. Im März 2014 ging die RWE Dea und damit auch diese Bohrung in das Konsortium LetterOne des russischen Oligarchen German Khan über.
Zu Tage Gefördertes aus dem Untergrund, den Behörden und der Politik