Archiv der Kategorie: Bergbau-Risiken

Gesundheitsexperten informierten sich über Fracking

Entquickungsanlage Bellen, Äskulapstab
Anlagen wie die Entquickungsanlage Bellen (im Hintergrund) könnten eine Gesundheitsgefahr darstellen
Am 8. Oktober diskutierten in Berlin rund 50 Experten aus Ärztekammern, Gesundheitsbehörden, wissenschaftlichen Instituten und dem Umweltbundesamt Gesundheitsrisiken und Fragen der Prävention, die sich aus modernen Methoden der Energieerzeugung ergeben können. Im Fokus standen Fracking, Windenergie, Kohlekraftwerke und der Ausbau der Hoch- und Höchstspannungsnetze. Ziel der Veranstaltung war es, eine andauernde Diskussion darüber anzustoßen, ob die neuen technischen Optionen eher geeignet sind, die Prävention von Gesundheitsschäden zu unterstützen oder ob sie zusätzliche Risiken für die Gesundheit bedeuten. Den Experten­workshop hatte die Bundesärztekammer (BÄK) zusammen mit der »Health and Environment Alliance« (HEAL) und der Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventionsmedizin (GHUP) organisiert. Die BÄK ist der größte bundesdeutsche Berufsverband von Ärzten und vertritt über 470000 Mediziner. Ihre Mitglieder stehen immer häufiger vor der Herausforderung, Rat und Empfehlungen zu Energiefragen vor Ort zu geben.
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Zahl der Krankenhausaufenthalte in Erdgasfördergebiet deutlich erhöht

In Bradford und Susquehanna County, PA, steht die Zahl der Hospitalisierungen mit der Zahl der Gasbohrungen in signifikantem Zusammenhang (Symbolgraphik)
In Bradford und Susquehanna County, PA, steht die Zahl der Hospitalisierungen mit der Zahl der Gasbohrungen in signifikantem Zusammenhang (Symbolgraphik)
Je mehr Erdgasbohrungen im Umfeld, desto höher ist das Risiko für so schwere Erkrankungen unter den Anwohnern, dass diese ins Krankenhaus gehen müssen. Das ist das Ergebnis einer weiteren epidemiologischen Untersuchung, die Forscher in Pennsylvania, USA, durchgeführt haben. Zahl der Krankenhausaufenthalte in Erdgasfördergebiet deutlich erhöht weiterlesen

Unsere Regierung: Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß

Die Bundesregierung fühlt sich nicht veranlasst, ihren Fracking-Gesetzgebungsplan zu überdenken, nur weil im Gasfeld Niedersachsen plötzlich auffällig viele Krebsneuerkrankungen zu verzeichnen sind. Hubertus Zdebel und Herbert Behrens, die die Regierung danach gefragt hatten, finden das unverantwortlich.
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Signifikant erhöhte Blutkrebsrate bei Männern in Bothel: Ist die Erdgasförderung schuld?

Ist die Heide mit krebserregenden Stoffen kontaminiert?
Ist die Heide mit krebserregenden Stoffen kontaminiert?

Epidemiologische Untersuchung der Samtgemeinde Bothel veröffentlicht:
Männer zweimal so häufig wie erwartet an Blutkrebs erkrankt

Gestern wurden in Rotenburg an der Wümme die Ergebnisse einer kleinen Krebsstudie vorgestellt. Auf Initiative von besorgten Bürgerinnen und Bürgern waren die Diagnosehäufigkeiten fast aller Krebsarten bei der Bevölkerung der Samtgemeinde Bothel, mitten im niedersächsischen Gasland, anhand des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen untersucht worden. Herausragendes Ergebnis ist eine statistisch signifikant erhöhte Erkrankungsrate an Blutkrebs bei Männern. Die zweite meistbetroffene Gruppe sind Kinder bis 14 Jahre, ebenfalls mit Blutkrebs. Signifikant erhöhte Blutkrebsrate bei Männern in Bothel: Ist die Erdgasförderung schuld? weiterlesen

Schluss mit dem Weglächeln: Fracking verschmutzt Trinkwasserressourcen

Brennender Wasserhahn (gesehen in "Gasland I" by Josh Fox)
Brennender Wasserhahn (gesehen in „Gasland I“ by Josh Fox)
Umweltbehörde musste die Hosen runterlassen: Öl- und Gasproduktion in Pennsylvania hat Hunderte Trinkwasserbrunnen verschmutzt

Tatsachen jahrelang verschwiegen

Am 24. Dezember 2007 erhielt ein geschädigter Brunnenbesitzer in Venango County, Pennsylvania, USA, ein Schreiben von der Umweltbehörde: „The Department’s preliminary investigation has determined that Great Lakes Resources (a.k.a. Range Resouces-Appalachia) has affected your water supply during the drilling of their [Name geschwärzt] well.“[1]

Am 4. April 2008 schrieb dieselbe Behörde einem Beschwerdeführer aus Foster im Nordwesten des Landes: „After reviewing the results of your spring water analysis, the Department has concluded that recent oil and gas activity has caused your water supply to become contaminated.“[2]

20071224_complaint250746Dies sind die ersten beiden dokumentierten Fälle, die die Umweltbehörde von Pennsylvania seit Jahren in der Schublade hatte und jetzt offenlegte. Endlich kommt ans Licht, was Industrie, Verwaltung, Wissenschaft und Politik stets in Abrede gestellt hatten: Zahlreiche Fälle von Hausbrunnen-Verschmutzungen, die eindeutig auf das Konto der Öl- und Gasförderung gehen. Erst auf monatelangen, massiven Druck von Bürgern und Journalisten hat die Umweltbehörde jetzt eine Liste offengelegt, die belegt, dass tatsächlich die Öl- und Gasförderung zahlreiche Brunnen verschmutzt und unbrauchbar gemacht hat. In dieser Liste führt die Behörde 206 Brunnen auf, für die es 243 Vorgänge gibt – sei es die Feststellung einer Verschmutzung, sei es eine nachfolgende, alternative Wasserversorgung für die betroffenen Brunnenbesitzer.

Bereits zu Jahresbeginn 2014 hatten Journalisten von Associated Press Ungeheuerliches entdeckt. Damals wurden in Pennsylvania mindestens 106 Kontaminationen von Hausbrunnen behördlicherseits bestätigt, die seit dem Beginn des Fracking-Booms im Jahr 2005 aufgetreten waren. In den US-Bundesstaaten Ohio, West Virginia und Texas lagen Tausende von Beschwerden über verschmutztes Brunnenwasser vor, wovon jedoch nur sechs in Ohio als durch Fracking verursacht anerkannt wurden. Später im Frühjahr konnten Wissenschaftler anhand der texanischen Behördendaten in mehreren Fällen Fracking als Verursacher der Kontamination nachweisen.

Trotzdem wird diese unumstößliche Tatsache, dass Fracking das Trinkwasser nicht nur bedroht, sondern auch tatsächlich beeinträchtigt, von einigen Ewiggestrigen bis heute negiert. Milde lächelnd werfen diese Fracking-Befürworter denen, die auf die Gefahr hinweisen, Panikmache vor. So zuletzt im panorama3-Beitrag des NDR, der bekannte Fakten schlicht ignorierte und unter anderem behauptete, dass es stets nur Sumpfgas sei, das für Methan im Grund- oder Trinkwasser verantwortlich sei.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die verantwortlichen Entscheider, die zum Beispiel heute in Berlin über die geplanten Fracking-Gesetze beraten, nicht von solch plumper Bauernfängerei übertölpeln lassen.

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[1] Übersetzung: „Die vorläufigen Untersuchungen der Umweltbehörde haben ergeben, dass Great Lakes Energy (a.k.a. Range Resources-Appalachia) Ihre Wasserversorgung während des Bohrens und Frackens ihrer [Name geschwärzt]-Bohrung beschädigt hat.“

[2] Übersetzung: „Nach Überprüfung der Analyseergebnisse Ihres Brunnenwassers sind wir [die Umweltbehörde] zu dem Schluss gekommen, das eine kürzlich stattgefundene Maßnahme im Bereich der Öl-/Gasförderung eine Kontamination Ihrer Wasserversorgung verursacht hat.“

Rotenburg wacht langsam auf

Betriebsplatz Bötersen Z10(2) im 1. Halbjahr 2008, 2 Fracks am 1. Nov. 2008: Damals haben Politik und Verwaltung in Rotenburg noch tief und fest geschlafen
Betriebsplatz Bötersen Z10(2) im 1. Halbjahr 2008, 2 Fracks am 1. Nov. 2008: Damals haben Politik und Verwaltung in Rotenburg noch tief und fest geschlafen
Rotenburger Ortspolitiker fordern Ausweitung der Kontrollen von Erdgasförderplätzen, ein Verbot von offenen Gasfackeln und einen 1000-Meter-Abstand für Fracking von allen schutzwürdigen Gebieten
Fracking selbst bleibt aber unangetastet


 
Seit über 110 Jahren werden im Landkreis Rotenburg an der Wümme Öl und Gas gefördert. Diese Industrie gehört hier zum Alltag, ist nichts Besonderes, gibt vielen Lohn und Brot. Der erste Frack fand hier laut der offiziellen Frac-Liste des LBEG [PDF] im Jahre 1982 statt, im Gasfeld Söhlingen, in der Bohrung Z4. Nach der offiziellen Frac-Liste gab es insgesamt 69 Fracks allein in diesem Landkreis – es muss allerdings bezweifelt werden, dass diese Liste vollständig ist, denn in der Bohrung Wittorf Z1(2) ist Zeitzeugen zufolge auch wenigstens einmal gefrackt worden. Dieser Frack fehlt aber auf der LBEG-Liste.

Am Anfang wurde diese „neue Technologie aus Amerika“ bestaunt und imponierte nur, kaum jemand hat sich etwas dabei gedacht außer dem damals zeitgemäßen Motto „Das ist Fortschritt, das bringt Wachstum und Wohlstand“.

Inzwischen hat sich das grundlegend geändert. Seit Frühjahr 2014 fördern Anwohner und Umweltschützer mehr und mehr konkrete Hinweise auf die negativen Umwelt- und Gesundheitsfolgen der gängigen Erdgasförderung zu Tage. Die bringen mittlerweile sämtliche Ebenen der niedersächsischen Verwaltung auf Trab. Eilige Pressestatements aus dem Wirtschaftsministerium, mit heißer Nadel genähte Pressemitteilungen vom Landesbergamt, Krisensitzungen mit kommunaler Verwaltung, Landesbergamt, Unternehmen und Bürgern, das Unternehmen ExxonMobil, das seine Praktiken scheibchenweise preisgibt – was ist hier im Landkreis all die Jahre vor sich gegangen?

„Verdachtsmomente und Gefährdungsvermutungen“
„Verdachtsmomente und Gefährdungsvermutungen haben ein Ausmaß erreicht, dass nicht länger ignoriert werden darf“, begründet Bernd Wölbern (SPD) den gemeinsamen Antrag der SPD-, Grünen- und WFB-Fraktion im Rotenburger Kreistag, der am 10. Juli in der Kreistagssitzung in Bremervörde diskutiert werden soll. Es drängt sich die Frage auf, was wäre, wenn Anwohner und Umweltschützer jetzt nicht mit dem Finger auf die Missstände gezeigt hätten, wenn sie keine „Verdachtsmomente“ auf den Tisch gelegt und keine „Gefährdungsvermutungen“ provoziert hätten. Würde Rotenburg dann weiterschlafen und den jüngst installierten „Arbeitskreis Fracking“ weiter als Feigenblattveranstaltung vor sich hindümpeln lassen? Würden die Verschmutzungen weiter passieren und die Gasindustrie weiter so praktizieren, während die zuständigen Behörden wegschauen?

Am 10. Juli wird also im Rotenburger Kreistag diskutiert, wie das Unheil abgestellt werden kann. Die Beschlussvorlage des Kreisrats Lühring gibt die Richtung vor. Von einer Ablehnung des Fracking oder gar einer Verbotsforderung steht da nichts. Die Vorlage berücksichtigt die Anträge der CDU/FDP-Fraktion und des Linken-Abgeordneten Damberg. Während Damberg die „zügige Offenlegung aller über die Gasförderplätze vorliegenden Gutachten und Messwerte und sonstige Erkenntnisse über die Ausbreitung von Schadstoffen über Boden , Luft und Wasser bei den Frackingmaßnahmen im LK ROW und eine Diskussion im Umweltausschuss mit unabhängigen Experten“ fordert, wünscht sich Willi Bargfrede im Namen seiner Fraktion das sofortige Verbot von offenen Fackeln (außer in Notfällen) und deren Ersatz durch enclosed burners, welche Licht- und Schallemissionen sowie den Ausstoß von Stickoxiden mindern. Warum die Fraktion nicht den sofortigen Stopp des nutzlosen Abfackelns anregt, wird sie eventuell in der Sitzung erläutern.

Kasperletheater
Dem Abgeordneten Damberg dauert das alles schon viel zu lange. Ist er doch schon seit Jahren dabei, mit Anfragen und Anträgen auf die Gefahren der unkontrollierten Erdgassuche und -förderung hinzuweisen und auf ein Ende des Laissez-faire zu dringen. Schon vor über einem Jahr ist der Kreisverwaltung auf sein Betreiben hin ein Information des LBEG und ein Gutachten zur Kenntnis gekommen, nach dem zum Beispiel immer noch unzulässige Kunststoffleitungen für Lagerstättenwasser im Einsatz sind. „Wir werden zur Kreistagssitzung in Bremervörde die Besucher mit Kasperle-Mützen erwarten, um auf die Situation beim Fracking aufmerksam zu machen“, kündigt Damberg an.

Sitzung des Rotenburger Kreistages
10. Juli 2014, ab 9:00 Uhr
Bremervörde, Bremervörde, Kreishaus, großer Sitzungssaal

Zum Foto:
Die Bohrung Bötersen Z10(1) ist eine von Hunderten im Landkreis Rotenburg und liegt nördlich von Unterstedt, zwischen der Verdener Landstraße und dem Kleinen Bullensee. Sie stammt aus dem Jahr 1900 und soll der Ölförderung gedient haben.
Die Bohrung Bötersen Z10(2) wurde von 20.01. bis 08.06.2008 für RWE Dea niedergebracht. Sie hat eine Endteufe („Gesamtlänge“) von 5090 Metern, davon knapp 1000 Meter in südwestlicher horizontaler Ablenkung. Am 1. November 2008 ist die Bohrung lt. LBEG-Frac-Liste zweimal gefrackt worden. Das LBEG meldete die Bohrung 2009 als „gasfündig“. Im März 2014 ging die RWE Dea und damit auch diese Bohrung in das Konsortium LetterOne des russischen Oligarchen German Khan über.

Gasfackeln in der Kritik: Stinkend, laut und angeblich unvermeidlich

Seit Erdgas gefördert wird, wird auch abgefackelt: Gasfackel bei der Bohrung „Rehden 5“, Mitte der 50er Jahre. Bildquelle: Wintershall
Seit Erdgas gefördert wird, wird auch abgefackelt: Gasfackel bei der Bohrung „Rehden 5“, Mitte der 50er Jahre. Bildquelle: Wintershall
Gestern hat ExxonMobil Wartungsarbeiten an seiner Erdgasbohrung Söhlingen Z14 angekündigt. Die Meldung kommt als der übliche Textbaustein, in dem lediglich der Name der betreffenden Bohrung ausgetauscht ist. Es ist das 27. Mal allein in diesem Jahr, dass ExxonMobil eine derartige Meldung ausgibt. Stets sind dieselben Sätze zu lesen: Aus technischen Gründen muss das anfallende Gas dabei über die Fackel geleitet und verbrannt werden. und erhöhte Flammenbildung, bei Dunkelheit mit hellem und weit sichtbarem Feuerschein und In dem näheren Umfeld kann es zu einem erhöhten Geräuschpegel kommen. und evtl. auch eine leichte Geruchsbelästigung möglichwir bitten die Anwohner um Verständnis.

 

Routinierte, weltweit alltägliche Praxis, seit Erdgas gefördert wird; eine Randerscheinung der Öl- und Gasproduktion, scheinbar notwendig, weil verbranntes Methan die Atmosphäre weniger belastet als unverbranntes. Und eine Praxis, die kaum je offen kritisiert wurde, bis am 25. März etwas passierte. Anwohner hatten einen „chemischen“ Geruch bemerkt und fanden an der Förderstelle Söhlingen Z5 eine brennende Fackel. Als sie sich dort in der Nähe aufhielten und filmten, sei eine Art Säureregen auf sie niedergegangen: Atemnot, Husten, Übelkeit, Hautreizungen sind die Symptome, die sie beschrieben. Die so Verletzten gingen an die Presse und erstatteten Anzeige. Der Fall fand internationalen Widerhall, die Staatsanwaltschaft ermittelt und die Kritik am Abfackeln wächst.
 
„Wir bitten die Anwohner um Verständnis“

Einem platzt der Kragen, als ExxonMobil gestern erneut diese Routinemeldung herausgab. Ingo Engelmann vom Sprecherrat der Initiative „Kein Fracking in der Heide“ macht seinem Ärger Luft und schreibt an das Unternehmen:

Glauben Sie im Ernst, es würde immer so weitergehen mit dem devot-verlogenen Spruch “Wir bitten die Bevölkerung um Verständnis” – für eine technisch unnötige, einzig kostensparende und umweltverschmutzende Technologie von vorgestern? Wir haben kein Verständnis dafür, dass nicht einmal die mindesten Vorkehrungen getroffen werden, das Methan aufzufangen und in einem integrierten System zu entsorgen oder sonstwie zu nutzen. Wir werden nicht unwidersprochen hinnehmen, dass Exxon und andere immer nur das Nötigste unternehmen, was von Öffentlichkeit und Legislative ihnen abverlangt wird, um die Umwelt nicht noch mehr zu schädigen, als sie es ohnehin tun. Die Zeiten ändern sich – wäre schön, wenn auch Exxon das erkennen würde.

„Erdgas wird grundsätzlich nur dann abgefackelt, wenn dies technisch erforderlich ist“

Das sieht der Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e. V., seines Zeichens der Zusammenschluss der Öl- und Gas produzierenden Unternehmen in Deutschland, ganz anders. Bereits im Januar d. J. gefragt, warum denn das Erdgas, wie stets behauptet, abgefackelt werden muss und ob es keine andere, umweltfreundlichere Art des Umgangs damit gebe, antwortete Pressesprecherin Miriam Ahrens:

Flaring kommt in der E&P-Industrie nur noch in Ausnahmefällen zum Einsatz, etwa im Zuge von Wartungs- und Reparaturarbeiten oder beim Testen einer Bohrung.

Erdgas wird grundsätzlich nur dann abgefackelt, wenn dies technisch erforderlich ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Wartungsarbeiten an einer Produktionsbohrung durchgeführt werden. In diesen Fällen kann das aus der Fördersonde kommende unbehandelte Rohgas i.d.R. aus lokalen Kapazitätsgründen (-> Gastrocknungsanlage) nicht aufbereitet bzw. getrocknet werden. Es wird also Rohgas für einen kurzen Zeitraum abgefackelt.

Ein Sonderfall ist das Abfackeln von Gas bei Testarbeiten nach Erstellung einer Erdgasbohrung. Dabei wird über einen begrenzten Zeitraum Gas abgefackelt, um die wesentlichen Kenndaten einer Erdgaslagerstätte (z.B. Größe, Zuflussbedingungen) und damit letztlich die Produktionsrate einer Bohrung zu ermitteln. Dieser Schritt ist notwendig, um die Wirtschaftlichkeit der Entwicklung eines Erdgasfeldes bestimmen zu können.

Im Übrigen haben die Erdgasproduzenten ein natürliches Interesse daran, die verkaufsfähigen (behandelten) Gasmengen zu maximieren bzw. deshalb die Abfackelmengen auf ein Minimum zu reduzieren.

Offenbar sehen der WEG bzw. seine Mitgliedsunternehmen keinen anderen, für sie und ihre share holders akzeptablen Weg als dieses aufwändiger zu handhabende Gas zu verbrennen – nach den Worten von Ahrens auch das rohe Gas, so, wie es aus der Erde kommt, mit all den Zutaten, die der Untergrund bereit hält. Dass alles andere wie zum Beispiel eine Vorrichtung, das Gas aufzufangen und zu verwerten, oder auch nur eine Vorrichtung, das Rohgas vor dem Abfackeln soweit zu reinigen, dass als Verbrennungsprodukt „nur“ noch CO2 und Wasser und keine Schadstoffe in die Luft geblasen werden, den Profit schmälern würde – pardon: unwirtschaftlich wäre, ist eine Spekulation, die sich mangels einer aussagekräftigeren Auskunft aufdrängt.

Dass der WEG sich ansonsten als besorgter Partner der Verkehrswacht und des Landes Niedersachsen geriert und die Verkehrssicherheits-Kampagne „Tippen tötet“ unterstützt, erinnert nur an Exxons pinkfarbene Wildunfall-Dreibeine und vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass sich der WEG und seine Mitgliedsunternehmen beim Abfackeln ganz und gar nicht als gute Nachbarn aufführen.

1 Promille geht nicht in die Pipeline

Nach Angaben des WEG wurden 2012 gut 11 Milliarden Kubikmeter (m³) Erdgas in Deutschland gefördert (alle Angaben in diesem Absatz: WEG-Jahresbericht 2012 [PDF]). Ein Tausendstel der Gesamtproduktion haben die Erdgas fördernden Unternehmen angegeben, durch die Fackeln gejagt und verbrannt zu haben. Das klingt nach Wenig, beträgt aber ganze 11 Mio. m³.

Im Erdgasfeld „Söhlingen Pool 2006“ sind lt WEG Jahr 2012 knapp 630 Mio. m³ gefördert worden. Die 1-Promille-Formel angewandt bedeutet das 630.000 m³ abgefackeltes Erdgas. Das Feld Söhlingen gehört zu den weltweit am höchsten quecksilberhaltigen: 700 bis 4400 µg Quecksilber enthält hier 1 m³ Rohgas. Angenommen, die komplette Menge Erdgas im Jahr 2012 ist in rohem Zustand abgefackelt worden, dann beträgt der Quecksilbereintrag in die Umwelt bis zu 2,77 Kilogramm. Die Bodenproben aus dem Areal, die jetzt analysiert worden sind, passen dazu.

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Fackel-Arie bei ExxonMobil:

Allein in diesem Jahr hat allein EMPG bereits an 27 Bohrungen im Zuge von „Optimierungen“ Erdgas in nicht näher bezeichneter Menge abgefackelt:

ExxonMobil Production Deutschland GmbH beginnt in diesen Tagen an der Erdgasbohrung XYZ mit der Vorbereitung und Durchführung von Arbeiten zur Optimierung der Förderung. Aus technischen Gründen muss das anfallende Gas dabei über die Fackel geleitet und verbrannt werden

  1. 03. Januar 2014: Brinkolz Z02
  2. 06. Januar 2014: Walsrode West Z1a
  3. 20. Januar 2014: Walsrode Z5a
  4. 21. Januar 2014: Söhlingen Z16
  5. 27. Januar 2014: Klosterseelte Z6
  6. 28. Januar 2014: Dötlingen S3
  7. 31. Januar 2014: Visbek Z9b
  8. 11. Februar 2014: Mulmshorn Z2
  9. 11. Februar 2014: Bötersen Z1
  10. 24. Februar 2014: Walsrode Z4
  11. 24. Februar 2014: Bötersen Z3
  12. 24. Februar 2014: Mulmshorn Z1
  13. 17. März 2014: Mulmshorn Z5
  14. 17. März 2014: Mulmshorn Z4
  15. 21. März 2014: Söhlingen Z3
  16. 21. März 2014: Söhlingen Ost Z1
  17. 28. März 2014: Söhlingen Z5
  18. 04. April 2014: Hemmelte Z4
  19. 04. April 2014: Mulmshorn Z6
  20. 15. April 2014: Visbek Z9b
  21. 17. April 2014: Buchhorst Z20
  22. 29. April 2014: Klosterseelte Z4 (aktuell zeigt diese Meldung keine Flaring-Ankündigung (mehr))
  23. 05. Mai 2014: Bahrenburg Z8
  24. 05. Mai 2014: Sagermeer Z4
  25. 14. Mai 2014: Böstlingen Z2a
  26. 21. Mai 2014: Goldenstedt Z25
  27. 21. Mai 2014: Söhlingen Z14

Weitere Info z. B. hier:
Dietrich Wiedemann, 11.04.2014: Abfackeln in Söhlingen und die Folgen

Quecksilberfunde im Oberboden nahe von Söhlinger Erdgasbohrungen

Workover an der Förderbohrung Söhlingen Z1
Workover an der Förderbohrung Söhlingen Z1 (Foto: Battenbrook/wikimedia
Bodenproben im Erdgasfeld Söhlingen zeigen stellenweise starke Belastung mit Quecksilber

Bodenanalysen im Gasfeld Söhlingen, die der Rotenburger NABU durchgeführt hat, haben aktuell gezeigt, dass der Boden stellenweise weit über dem Grenzwert der Harmlosigkeit mit Quecksilber belastet ist. „In der Nähe der Plätze Z6 und Ost Z1 seien die Naturschützer mit ihren wenigen Stichproben eindeutig fündig geworden: Mit 4,2 und 6,7 Milligramm Quecksilber je Kilogramm Boden lägen die gemessenen Werte etwa um die Faktoren 40 und 70 über dem Gehalt unbelasteten Bodens aus der Region.“, berichtet die Rotenburger Kreiszeitung.

Jetzt sind die zuständigen Behörden am Zug: Das Umweltministerium sei informiert, so die Zeitung, ebenso die Unteren Wasserbehörden im Heidekreis und in Rotenburg/Wümme. Der Sprecher der UWB im Heidekreis hat lt. Soltauer Nachrichten [PDF] weitere Untersuchungen angekündigt, in Rotenburg hält sich der Leiter der UWB, Gert Engelhardt, noch bedeckt. Auch ExxonMobil, eins der hier fördernden Unternehmen, möchte die aktuellen Quecksilberfunde laut Zeitung nicht kommentieren.

Das Erdgasfeld Söhlingen gehört, zusammen mit dem benachbarten Erdgasfeld Hemslingen, zu den weltweit am stärksten quecksilberhaltigen Lagerstätten. Einige Erdgaslagerstätten im norddeutschen Becken, darunter Hemslingen/Söhlingen, weisen mit 700–4400 µg/m³ Rohgas (Zettlitzer 1997) die weltweit höchsten Quecksilbergehalte auf.

In der Vergangenheit hatte es bereits Quecksilberfunde in der freien Natur im Umfeld von Förderanlagen gegeben (siehe hier und hier und beim damaligen Umweltminister in spe).

Anwohner fürchten schon lange, dass durch das Abfackeln von Rohgas Quecksilber in Oberboden und Gewässer und damit in die Nahrungskette eingetragen wird. Ein Anwohner berichtete:

Von jeder Erdgasbohrstelle [Hemslingen-Söhlingen] führt eine eigene Gasleitung zu der Entquickungsanlage in Bellen. Mittels Durchleitung durch Aktivkohlefilter wird [dort] das Quecksilber aus dem Erdgas entfernt…

Bei allen Bohrstellen wird ein Abfackelvorgang erforderlich, der ca. 2 Wochen andauert. Während dieses Abfackelns wird mit großem Druck, hoher Geräuschentwicklung, sehr hohen Temperaturen und großer Flamme jeweils eine große Menge Erdgas verbrannt, die noch nicht von Quecksilber befreit wurde. — Welche chemischen Vorgänge passieren? — Entstehen dabei Quecksilberoxide oder andere Schadstoffe, die in die Umwelt gelangen?

Wo bleiben diese Schadstoffe beim Abfackeln? — Werden sie gemessen? — Wird der Vorgang überwacht? — Wie groß sind die Mengen verbrannten Gases, ausgestoßenen CO2, zerstäubten Quecksilbers oder -oxids?

In den Bohrwässern, von den Einzelbohrstellen mit 40-Tonnern TLW abgefahren, befindet sich neben den üblichen Schadstoffen aus dem Feld Hemslingen-Söhlingen zusätzlich noch der ungefilterte Anteil Quecksilber. Diese Bohrwässer, nun Lagerstättenwasser genannt, werden nach dem Versiegen der Gasförderung und nach dem dort praktizierten Fracking in Grapenmühlen Z1 und anderen Altbohrungen versenkt.

Sofern es keine andere, von der Erdgasförderung unabhängige Ursache für die Quecksilberkontamination der Böden gibt, die jetzt sowie 2011 im Gasfeld Söhlingen gefunden wurden, zeigen diese Funde ein weiteres Mal, dass Erdgas in seiner Gesamtbilanz bei Weitem nicht so sauber dasteht, wie es Industrie und Politik nicht müde werden zu betonen.

Es liegt allerdings nahe, dass das Quecksilber in den Söhlinger Böden unmittelbar mit der Gasförderung zusammenhängt. Die zunehmende öffentliche Kritik an der Praxis der Öl-/Gasindustrie, der Bergbehörden und der Politik veranlasst Industrie und Politik, auf Abhilfe zu sinnen – um die Rohstoffe weiterhin fördern und zu Geld machen zu können. Parolen wie „Fracking ohne umwelttoxische Chemikalien“ und „obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung“ werden ausgegeben, als könnten diese Maßnahmen die existenten Probleme lösen. Doch auch ein Fracking ohne „umwelttoxische“ Chemikalien kann Probleme des Gasbohrens mit und ohne Fracking nicht aus der Welt schaffen: Giftige Stoffe wie z. B. Quecksilber kommen unvermeidlich mit dem Gas aus der Erde. Umweltverträglichkeitsprüfungen, würden sie all diesen „naturgegebenen“ Problemen Rechnung tragen, müssten diese gefährliche Gasförderung entweder konsequent verbieten oder aber derart hohe Auflagen machen, dass den Managern die Köpfe rauchen würden auf der Suche nach Profit und shareholder value.

BI Lebenswertes Korbach gründet eingetragenen Verein

Der Vorstand der BI lebenswertes Korbach e.V. v.l.n.r.: Beisitzer Andy Gheorghiu, 1. Vorsitzender Harald Rücker, 2. Vorsitzende  Dr. Julia Günther-Pusch, Kassierer Gerhardt Wagner.
Der Vorstand der BI lebenswertes Korbach e.V. v.l.n.r.: Beisitzer Andy Gheorghiu, 1. Vorsitzender Harald Rücker, 2. Vorsitzende Dr. Julia Günther-Pusch, Kassierer Gerhardt Wagner.
Die Bürgerinitiative für ein lebenswertes Korbach (BI) hat sich von einem losen Bündnis in einen eingetragenen Verein umgewandelt und die steuerliche Gemeinnützigkeit erlangt. Mit der Vereinsgründung ging auch eine Namensänderung einher. Der neue Verein heißt jetzt „BI lebenswertes Korbach e.V.“. BI Lebenswertes Korbach gründet eingetragenen Verein weiterlesen

REACH out, stop it: Unzulässige Frac-Chemikalien im Einsatz

Ein Feldlabor zum Austesten von Frac-Rezepturen.
Ein Feldlabor zum Austesten von Frac-Rezepturen.
Offenbar verstoßen Unternehmen gegen Recht und Gesetz, wenn sie Fracking mit nicht zugelassenen Substanzen durchführen. Dies stellt jetzt noch einmal die aktuelle Ausgabe der WATERKANT klar (L. Waldmann: Keine Entwarnung für den Untergrund):

Auf einem Hearing des Niedersächsischen Umweltministeriums im Oktober 2013 mit Bürgerinitiativen, der Erdgasindustrie und Behörden zu möglichen Umweltverträglichkeitsprüfungen in Fracking-Verfahren gab es auch einen Kurzvortrag des zuständigen Chemikalienreferenten im Niedersächsischen Umweltministerium, Michael Braedt. Der machte deutlich, dass der Einsatz der bisherigen Fracking-Chemikalien nicht im Einklang mit der europäischen REACH-Verordnung stehe, die seit 2007 europaweite Gültigkeit besitzt. Danach müssen sich Chemikalien vor ihrem Einsatz einer REACH-Registrierung unterziehen, die aber erst nach Vorlage diverser Untersuchungsergebnisse bezüglich Gesundheits- und Umweltfolgen erteilt wird und dann auf definierte Anwendungsbereiche beschränkt ist. Die bisher in den unterschiedlichen Fracking-Projekten eingesetzten Chemikalien erfüllen diese europäischen Vorgaben nicht.

Neu ist diese Erkenntnis nicht. Bereits 2011 warnte EU-Kommissionsmitglied Karl Falkenberg laut ENDS:

None of the chemicals used to hydraulically fracture rocks for shale gas extraction are registered substances are being used.
Volltext hier

Die Industrie (zumindest Cuadrilla) gab sich damals naiv:

We’d heard nothing at all about this, and we’re looking into it…

bzw. jammerte über Zeit- und Kostenaufwand, die die REACH-Verordnung für sie bedeutet, und forderte eine Lockerung der strengen Regeln.

Seitdem haben zwei Arbeitsgruppen sowie Braedt exemplarisch REACH-Dossiers von Fracking-spezifischen Stoffen analysiert. Die Sonderforschungsgruppe Instutitionsanalyse Darmstadt/Göttingen untersuchte in der SOFIA-Studie (März 2012) 11 Fracking-spezifische Stoffe (Bohrung in Damme); das Joint Research Centre (JRC)#, Ispra für die EU-Kommission (DG Environment; Sept 2013) 16 Fracking-spezifische Stoffe und Braedt 14 Fracking-spezifische Stoffe, die der Stoffliste für die Frac-Fluids (Fa. Wintershall) der Bohrung Düste Z10 bei Barnstorf in der ECHA-Datenbank.

Alle kommen zu dem Ergebnis, dass viele der untersuchten Stoffe zwar zumeist bei REACH vorregistriert sind, aber nicht alle sind registriert und keiner der betrachteten Stoffe konnte die erforderliche Zulassung für den sog. intended use, also den Einsatz beim Fracking vorweisen.

Es ist gesetzlich verboten, nicht dafür zugelassene Stoffe beim Fracking einzusetzen. Daher (Grundsatz der „Einheit der Rechtsordnung“) dürfen die Behörden keine Fracking-Projekte zulassen, die nicht im Einklang mit den Vorgaben des Stoffrechts stehen. Ob und wie in der Vergangenheit mit unzulässigen Stoffen durchgeführte Frac-Projekte geahndet werden, blieb auf dem Oktober-Hearing im Hannöverschen Umweltministerium offen.