Obwohl schon lange klar ist, dass die unterirdischen Müllplätze der Kali-Industrie undicht sind, überquellen und nachweislich Salzwasser in nutzbare Grundwasserleiter aufsteigt sowie die Salzfracht der Werra vermehrt, stellt sich das Umweltministerium des hauptsächlich betroffenen Bundeslandes Hessen taub und blind. Das wurde erst gestern wieder klar, als sich Vertreter des Ministeriums im Umweltausschuss des hessischen Landtages zu den Fragen der Linksfraktion äußerten. Offensichtlich wollen die politisch Verantwortlichen der Industrie die gefährliche Versenkung bis 2021 weiter gestatten.
Auseinandersetzung um Salzwasser-Verpressung geht weiter weiterlesen
Archiv der Kategorie: Umweltschäden
»Fracking-Gesetzpaket« weiter im Kreuzfeuer
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BioMOre: Unkonventionelle Kupfergewinnung mit Fracking und Bakterien
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Alle 13 Rotenburger Bürgermeister fordern absolutes Fracking-Verbot
Von *A*sbest bis *F*racking: Fortschritt mit schweren Nebenwirkungen
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Schluss mit dem Weglächeln: Fracking verschmutzt Trinkwasserressourcen
Tatsachen jahrelang verschwiegen
Am 24. Dezember 2007 erhielt ein geschädigter Brunnenbesitzer in Venango County, Pennsylvania, USA, ein Schreiben von der Umweltbehörde: „The Department’s preliminary investigation has determined that Great Lakes Resources (a.k.a. Range Resouces-Appalachia) has affected your water supply during the drilling of their [Name geschwärzt] well.“[1]
Am 4. April 2008 schrieb dieselbe Behörde einem Beschwerdeführer aus Foster im Nordwesten des Landes: „After reviewing the results of your spring water analysis, the Department has concluded that recent oil and gas activity has caused your water supply to become contaminated.“[2]
Dies sind die ersten beiden dokumentierten Fälle, die die Umweltbehörde von Pennsylvania seit Jahren in der Schublade hatte und jetzt offenlegte. Endlich kommt ans Licht, was Industrie, Verwaltung, Wissenschaft und Politik stets in Abrede gestellt hatten: Zahlreiche Fälle von Hausbrunnen-Verschmutzungen, die eindeutig auf das Konto der Öl- und Gasförderung gehen. Erst auf monatelangen, massiven Druck von Bürgern und Journalisten hat die Umweltbehörde jetzt eine Liste offengelegt, die belegt, dass tatsächlich die Öl- und Gasförderung zahlreiche Brunnen verschmutzt und unbrauchbar gemacht hat. In dieser Liste führt die Behörde 206 Brunnen auf, für die es 243 Vorgänge gibt – sei es die Feststellung einer Verschmutzung, sei es eine nachfolgende, alternative Wasserversorgung für die betroffenen Brunnenbesitzer.
Bereits zu Jahresbeginn 2014 hatten Journalisten von Associated Press Ungeheuerliches entdeckt. Damals wurden in Pennsylvania mindestens 106 Kontaminationen von Hausbrunnen behördlicherseits bestätigt, die seit dem Beginn des Fracking-Booms im Jahr 2005 aufgetreten waren. In den US-Bundesstaaten Ohio, West Virginia und Texas lagen Tausende von Beschwerden über verschmutztes Brunnenwasser vor, wovon jedoch nur sechs in Ohio als durch Fracking verursacht anerkannt wurden. Später im Frühjahr konnten Wissenschaftler anhand der texanischen Behördendaten in mehreren Fällen Fracking als Verursacher der Kontamination nachweisen.
Trotzdem wird diese unumstößliche Tatsache, dass Fracking das Trinkwasser nicht nur bedroht, sondern auch tatsächlich beeinträchtigt, von einigen Ewiggestrigen bis heute negiert. Milde lächelnd werfen diese Fracking-Befürworter denen, die auf die Gefahr hinweisen, Panikmache vor. So zuletzt im panorama3-Beitrag des NDR, der bekannte Fakten schlicht ignorierte und unter anderem behauptete, dass es stets nur Sumpfgas sei, das für Methan im Grund- oder Trinkwasser verantwortlich sei.
Es bleibt zu hoffen, dass sich die verantwortlichen Entscheider, die zum Beispiel heute in Berlin über die geplanten Fracking-Gesetze beraten, nicht von solch plumper Bauernfängerei übertölpeln lassen.
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[1] Übersetzung: „Die vorläufigen Untersuchungen der Umweltbehörde haben ergeben, dass Great Lakes Energy (a.k.a. Range Resources-Appalachia) Ihre Wasserversorgung während des Bohrens und Frackens ihrer [Name geschwärzt]-Bohrung beschädigt hat.“
[2] Übersetzung: „Nach Überprüfung der Analyseergebnisse Ihres Brunnenwassers sind wir [die Umweltbehörde] zu dem Schluss gekommen, das eine kürzlich stattgefundene Maßnahme im Bereich der Öl-/Gasförderung eine Kontamination Ihrer Wasserversorgung verursacht hat.“
Rotenburg wacht langsam auf
Fracking selbst bleibt aber unangetastet
Seit über 110 Jahren werden im Landkreis Rotenburg an der Wümme Öl und Gas gefördert. Diese Industrie gehört hier zum Alltag, ist nichts Besonderes, gibt vielen Lohn und Brot. Der erste Frack fand hier laut der offiziellen Frac-Liste des LBEG [PDF] im Jahre 1982 statt, im Gasfeld Söhlingen, in der Bohrung Z4. Nach der offiziellen Frac-Liste gab es insgesamt 69 Fracks allein in diesem Landkreis – es muss allerdings bezweifelt werden, dass diese Liste vollständig ist, denn in der Bohrung Wittorf Z1(2) ist Zeitzeugen zufolge auch wenigstens einmal gefrackt worden. Dieser Frack fehlt aber auf der LBEG-Liste.
Am Anfang wurde diese „neue Technologie aus Amerika“ bestaunt und imponierte nur, kaum jemand hat sich etwas dabei gedacht außer dem damals zeitgemäßen Motto „Das ist Fortschritt, das bringt Wachstum und Wohlstand“.
Inzwischen hat sich das grundlegend geändert. Seit Frühjahr 2014 fördern Anwohner und Umweltschützer mehr und mehr konkrete Hinweise auf die negativen Umwelt- und Gesundheitsfolgen der gängigen Erdgasförderung zu Tage. Die bringen mittlerweile sämtliche Ebenen der niedersächsischen Verwaltung auf Trab. Eilige Pressestatements aus dem Wirtschaftsministerium, mit heißer Nadel genähte Pressemitteilungen vom Landesbergamt, Krisensitzungen mit kommunaler Verwaltung, Landesbergamt, Unternehmen und Bürgern, das Unternehmen ExxonMobil, das seine Praktiken scheibchenweise preisgibt – was ist hier im Landkreis all die Jahre vor sich gegangen?
„Verdachtsmomente und Gefährdungsvermutungen“
„Verdachtsmomente und Gefährdungsvermutungen haben ein Ausmaß erreicht, dass nicht länger ignoriert werden darf“, begründet Bernd Wölbern (SPD) den gemeinsamen Antrag der SPD-, Grünen- und WFB-Fraktion im Rotenburger Kreistag, der am 10. Juli in der Kreistagssitzung in Bremervörde diskutiert werden soll. Es drängt sich die Frage auf, was wäre, wenn Anwohner und Umweltschützer jetzt nicht mit dem Finger auf die Missstände gezeigt hätten, wenn sie keine „Verdachtsmomente“ auf den Tisch gelegt und keine „Gefährdungsvermutungen“ provoziert hätten. Würde Rotenburg dann weiterschlafen und den jüngst installierten „Arbeitskreis Fracking“ weiter als Feigenblattveranstaltung vor sich hindümpeln lassen? Würden die Verschmutzungen weiter passieren und die Gasindustrie weiter so praktizieren, während die zuständigen Behörden wegschauen?
Am 10. Juli wird also im Rotenburger Kreistag diskutiert, wie das Unheil abgestellt werden kann. Die Beschlussvorlage des Kreisrats Lühring gibt die Richtung vor. Von einer Ablehnung des Fracking oder gar einer Verbotsforderung steht da nichts. Die Vorlage berücksichtigt die Anträge der CDU/FDP-Fraktion und des Linken-Abgeordneten Damberg. Während Damberg die „zügige Offenlegung aller über die Gasförderplätze vorliegenden Gutachten und Messwerte und sonstige Erkenntnisse über die Ausbreitung von Schadstoffen über Boden , Luft und Wasser bei den Frackingmaßnahmen im LK ROW und eine Diskussion im Umweltausschuss mit unabhängigen Experten“ fordert, wünscht sich Willi Bargfrede im Namen seiner Fraktion das sofortige Verbot von offenen Fackeln (außer in Notfällen) und deren Ersatz durch enclosed burners, welche Licht- und Schallemissionen sowie den Ausstoß von Stickoxiden mindern. Warum die Fraktion nicht den sofortigen Stopp des nutzlosen Abfackelns anregt, wird sie eventuell in der Sitzung erläutern.
Kasperletheater
Dem Abgeordneten Damberg dauert das alles schon viel zu lange. Ist er doch schon seit Jahren dabei, mit Anfragen und Anträgen auf die Gefahren der unkontrollierten Erdgassuche und -förderung hinzuweisen und auf ein Ende des Laissez-faire zu dringen. Schon vor über einem Jahr ist der Kreisverwaltung auf sein Betreiben hin ein Information des LBEG und ein Gutachten zur Kenntnis gekommen, nach dem zum Beispiel immer noch unzulässige Kunststoffleitungen für Lagerstättenwasser im Einsatz sind. „Wir werden zur Kreistagssitzung in Bremervörde die Besucher mit Kasperle-Mützen erwarten, um auf die Situation beim Fracking aufmerksam zu machen“, kündigt Damberg an.
Sitzung des Rotenburger Kreistages
10. Juli 2014, ab 9:00 Uhr
Bremervörde, Bremervörde, Kreishaus, großer Sitzungssaal
Zum Foto:
Die Bohrung Bötersen Z10(1) ist eine von Hunderten im Landkreis Rotenburg und liegt nördlich von Unterstedt, zwischen der Verdener Landstraße und dem Kleinen Bullensee. Sie stammt aus dem Jahr 1900 und soll der Ölförderung gedient haben.
Die Bohrung Bötersen Z10(2) wurde von 20.01. bis 08.06.2008 für RWE Dea niedergebracht. Sie hat eine Endteufe („Gesamtlänge“) von 5090 Metern, davon knapp 1000 Meter in südwestlicher horizontaler Ablenkung. Am 1. November 2008 ist die Bohrung lt. LBEG-Frac-Liste zweimal gefrackt worden. Das LBEG meldete die Bohrung 2009 als „gasfündig“. Im März 2014 ging die RWE Dea und damit auch diese Bohrung in das Konsortium LetterOne des russischen Oligarchen German Khan über.
Quecksilberfunde im Oberboden nahe von Söhlinger Erdgasbohrungen
Bodenanalysen im Gasfeld Söhlingen, die der Rotenburger NABU durchgeführt hat, haben aktuell gezeigt, dass der Boden stellenweise weit über dem Grenzwert der Harmlosigkeit mit Quecksilber belastet ist. „In der Nähe der Plätze Z6 und Ost Z1 seien die Naturschützer mit ihren wenigen Stichproben eindeutig fündig geworden: Mit 4,2 und 6,7 Milligramm Quecksilber je Kilogramm Boden lägen die gemessenen Werte etwa um die Faktoren 40 und 70 über dem Gehalt unbelasteten Bodens aus der Region.“, berichtet die Rotenburger Kreiszeitung.
Jetzt sind die zuständigen Behörden am Zug: Das Umweltministerium sei informiert, so die Zeitung, ebenso die Unteren Wasserbehörden im Heidekreis und in Rotenburg/Wümme. Der Sprecher der UWB im Heidekreis hat lt. Soltauer Nachrichten [PDF] weitere Untersuchungen angekündigt, in Rotenburg hält sich der Leiter der UWB, Gert Engelhardt, noch bedeckt. Auch ExxonMobil, eins der hier fördernden Unternehmen, möchte die aktuellen Quecksilberfunde laut Zeitung nicht kommentieren.
Das Erdgasfeld Söhlingen gehört, zusammen mit dem benachbarten Erdgasfeld Hemslingen, zu den weltweit am stärksten quecksilberhaltigen Lagerstätten. Einige Erdgaslagerstätten im norddeutschen Becken, darunter Hemslingen/Söhlingen, weisen mit 700–4400 µg/m³ Rohgas (Zettlitzer 1997) die weltweit höchsten Quecksilbergehalte auf.
In der Vergangenheit hatte es bereits Quecksilberfunde in der freien Natur im Umfeld von Förderanlagen gegeben (siehe hier und hier und beim damaligen Umweltminister in spe).
Anwohner fürchten schon lange, dass durch das Abfackeln von Rohgas Quecksilber in Oberboden und Gewässer und damit in die Nahrungskette eingetragen wird. Ein Anwohner berichtete:
Von jeder Erdgasbohrstelle [Hemslingen-Söhlingen] führt eine eigene Gasleitung zu der Entquickungsanlage in Bellen. Mittels Durchleitung durch Aktivkohlefilter wird [dort] das Quecksilber aus dem Erdgas entfernt…
Bei allen Bohrstellen wird ein Abfackelvorgang erforderlich, der ca. 2 Wochen andauert. Während dieses Abfackelns wird mit großem Druck, hoher Geräuschentwicklung, sehr hohen Temperaturen und großer Flamme jeweils eine große Menge Erdgas verbrannt, die noch nicht von Quecksilber befreit wurde. — Welche chemischen Vorgänge passieren? — Entstehen dabei Quecksilberoxide oder andere Schadstoffe, die in die Umwelt gelangen?
Wo bleiben diese Schadstoffe beim Abfackeln? — Werden sie gemessen? — Wird der Vorgang überwacht? — Wie groß sind die Mengen verbrannten Gases, ausgestoßenen CO2, zerstäubten Quecksilbers oder -oxids?
In den Bohrwässern, von den Einzelbohrstellen mit 40-Tonnern TLW abgefahren, befindet sich neben den üblichen Schadstoffen aus dem Feld Hemslingen-Söhlingen zusätzlich noch der ungefilterte Anteil Quecksilber. Diese Bohrwässer, nun Lagerstättenwasser genannt, werden nach dem Versiegen der Gasförderung und nach dem dort praktizierten Fracking in Grapenmühlen Z1 und anderen Altbohrungen versenkt.
Sofern es keine andere, von der Erdgasförderung unabhängige Ursache für die Quecksilberkontamination der Böden gibt, die jetzt sowie 2011 im Gasfeld Söhlingen gefunden wurden, zeigen diese Funde ein weiteres Mal, dass Erdgas in seiner Gesamtbilanz bei Weitem nicht so sauber dasteht, wie es Industrie und Politik nicht müde werden zu betonen.
Es liegt allerdings nahe, dass das Quecksilber in den Söhlinger Böden unmittelbar mit der Gasförderung zusammenhängt. Die zunehmende öffentliche Kritik an der Praxis der Öl-/Gasindustrie, der Bergbehörden und der Politik veranlasst Industrie und Politik, auf Abhilfe zu sinnen – um die Rohstoffe weiterhin fördern und zu Geld machen zu können. Parolen wie „Fracking ohne umwelttoxische Chemikalien“ und „obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung“ werden ausgegeben, als könnten diese Maßnahmen die existenten Probleme lösen. Doch auch ein Fracking ohne „umwelttoxische“ Chemikalien kann Probleme des Gasbohrens mit und ohne Fracking nicht aus der Welt schaffen: Giftige Stoffe wie z. B. Quecksilber kommen unvermeidlich mit dem Gas aus der Erde. Umweltverträglichkeitsprüfungen, würden sie all diesen „naturgegebenen“ Problemen Rechnung tragen, müssten diese gefährliche Gasförderung entweder konsequent verbieten oder aber derart hohe Auflagen machen, dass den Managern die Köpfe rauchen würden auf der Suche nach Profit und shareholder value.